Abtrocknen

Text

von  Fridolin

Nach dem gemeinsamen Mittagessen war es ungeliebte Pflicht, dass einer der drei Söhne abtrocknete, wenn die Mutter das Geschirr abwusch. Es gab jedoch kein klares System, wer genau gerade dran war, und so gab es des öfteren Diskussionen darüber. Es musste der Tag kommen, an dem eine solche Diskussion ohne Ergebnis blieb, und als es dann soweit war, ärgerte sich der Vater darüber so, dass er mit allen Anzeichen von Zorn aufstand, alles abräumte und, die Türe hinter sich verschließend, in der Küche verschwand, um die Sache im Alleingang zu erledigen.
Im Esszimmer machte sich beklommenes Schweigen breit, und nach und nach verschwand einer nach dem anderen; zuerst die Mutter, dann die beiden Brüder. Der Kleine aber, der nicht sehen konnte, dass er etwas falsch gemacht hätte, wollte so das Feld nicht räumen, und harrte aus, auch wenn sich die Sache doch ganz schön in die Länge zog. Als der Vater schließlich mit seinem Werk zu Ende war, ins Zimmer zurück kam und knurrte: „Du kannst auch verschwinden“, protestierte er. Hätte man ihm gesagt, er sei heute dran, dann hätte er natürlich …
Und damit schlug er den Vater in die Flucht, der wortlos seinen Spazierstock nahm und das Haus verließ. Der Kleine sah ihm bedrückt durch das Fenster nach und fühlte sich ratlos. Es wurde nie wieder darüber gesprochen.
Zwölf oder dreizehn werde ich gewesen sein, als das passierte. Ein erster pubertärer Akt des Widerstands, auf den ich gerne stolz gewesen wäre, und für Momente wohl auch war. Aber dieses Ergebnis hatte ich nicht vorhergesehen, und beglückend war es ganz und gar nicht. Gewünscht hatte ich mir einen einsichtsvollen Vater, der mir die Hand auf die Schulter legt und sagt: In Ordnung, nächstes Mal machen wir das so und so, wie auch immer. Oder auch: Das besprechen wir noch mal, wenn alle zusammen sind. So ist es aber nicht gekommen, aus dem erträumten Anfang von etwas Neuem ist durch das Schweigen eher ein Sargnagel der Familienkiste geworden.
Oder doch nicht? Beim Nachdenken über die beschriebene Szene fiel mir auf, dass von Strafe an keiner Stelle die Rede ist, obwohl meine Familie doch zumindest in den frühen Jahren beherrscht wurde vom Glauben an die erzieherische Wirksamkeit von Strafe.
So gesehen hat mein Vater hier offenbar Neuland betreten. Zum Teil wohl dem fortschreitenden Alter der Söhne geschuldet, das das Bestrafen ja ganz allgemein schwieriger macht. Aber ich vermute auch, dass er sich in der Rolle des strafenden Gottes nie so recht wohl gefühlt hat, und hier gehandelt hat, um ein weiteres, auch ihn quälendes Strafgericht zu vermeiden. Letztlich wechselt er hier den Erziehungsstil; statt zu strafen gibt er ein Vorbild. Nicht ohne impliziten Vorwurf, aber der Akzent liegt klar auf vorgelebter Hilfsbereitschaft.
Ich erinnere mich hier an einen seiner Feldpostbriefe, die wir lange nach seinem Tod auf dem Speicher gefunden haben. Darin berichtet er vom Knick seiner militärischen Karriere, nachdem er, um seiner gerade eben frisch ausgebombten Mutter beizustehen, mit einem Tag Verspätung in die Kaserne zurückgekehrt war. Heute kann ich sein Handeln in der beschriebenen Szene durchaus als Fortsetzung einer solchen Prioritätensetzung in einer natürlich deutlich weniger dramatischen Situation sehen.
Dass nicht darüber gesprochen wurde, wird wohl auch daran liegen, dass  ihn die Abkehr vom „strafenden Gott“ natürlich auch in Widerspruch zu seiner Ehefrau setzte, die zu dieser Zeit noch von der Notwendigkeit von Strenge in der Erziehung überzeugt war. Nicht, dass sie den Wert eines Vorbilds geleugnet hätte, aber einen Paradigmenwechsel hätte sie damals wohl noch nicht mitgetragen. In ihren letzten Lebensjahren hat sie ihre Meinung dazu allerdings geändert; so hat sie es jedenfalls schriftlich ihren Söhnen hinterlassen, und in ihrem Verhalten konnte man es auch spüren. Gesprochen hat sie darüber auch dann noch nicht, als sie sich die feste Meinung schon gebildet hatte.

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Kommentare zu diesem Text


 Willibald (13.11.21)
(1) Familienräume und Episoden der Geschichte „Abtrocknen“

Ein Minidrama in einem Familienraum. Das Esszimmer samt Essen mit fünf Personen. Die Küche daneben wird nicht aktiviert, weil das Abspülritual nicht genug durchstrukturiert ist. Dann wird die Küche von der Vaterfigur nach einer frustrierenden Diskussion besetzt und aktiviert. Die Restfamilie bleibt im Esszimmer, zieht sich dann aber in andere Bereiche zurück, eine Art „fade out“ des Konfliktes.

Allerdings hält der Kleine Stand: Er sieht im bisherigen Verhalten kein Manko. Es folgen zwei Reaktionen des Vaters: Ins Esszimmer zurückgekommen, verweist er den Jüngsten in die Reihe der Restfamilie und ihres Davonlaufens. Und dann verlässt der Vater den Ort der Familie zu einem wütenden Spaziergang. Der Rest ist Schweigen.

(2) Regelungsdiskurs

Offensichtlich ist das Geschirr-Behandeln annähernd geregelt. Die Mutter spült. Die Jungen sind dann jeweils mit dem Abtrocknen dran. Die Söhne, männlich, sind verpflichtet, zu helfen. Die Regulierungssituation ist jedoch ausgefranst. Die Nichteindeutigkeit in der aktuellen Abtrockensituation erzeugt ein Patt bei den Brüdern und ein Stopp in der Arbeitsteilung und Arbeitsleistung der Familie. Es gibt kein Nachgeben und es gibt kein „Nicht so genau nehmen“ und dann eben einfach mal helfen. Offensichtlich beharrt man in einem Rechthabediskurs auf seinen Positionen. Die Sache, so gering sie ist, wird aufgebläht, wird ausgefochten, und das Ergebnis ist die Nichtaktivierung der Söhne und das resignativ-wütende Aktivwerden der Vaterfigur.

(3) Beredtes Schweigen: Der Vater

Die männliche Rollenfigur Vater, qua konventioneller Normlage den Söhnen übergeordnet, sie spricht kein Machtwort. Vielleicht akzeptiert die Vaterfigur die aktuell diffuse Seite der anstehenden Pflichtverteilung und Pflichterfüllung. Vielleicht hat der Vater aber auch nur das Gewese und die Rechthaberei satt. Auf jeden Fall wird der Vater wütend selber aktiv, betritt den Küchenraum, schließt ihn vom Esszimmerraum mit Frau und drei Kindern/Söhnen ab. Und tut alles, was ansteht. Er leistet das Geschirrspülen, das zum Feld der Mutter gehört, und das Abtrocknen vermutlich auch, das den Söhnen auferlegt ist.
Nun ist diese Reaktion des Vaters sicher für den Leser und die Akteure der Familie interpretationsfähig, ja mehr noch, sie fordert geradezu Deutung heraus. Was geht in dem Vater vor, welche Reaktionen und Deutungen könnten dem Vater wichtig sein?

Auffallend ist: Der Vater unterbricht den Diskurs und die Pattsituation, er „macht“ einfach. Damit erklärt er den Diskurs als unwichtig und lästig und nicht zielführend. Es mag auch so sein, dass er in dem Diskurs eine unnötige, überflüssige, gern gehandhabte rituelle Norm der Familie sieht, vielleicht mehr noch: eine sophistisch-selbstverliebte Art, sich vor einer Arbeit zu drücken. Umso befremdlicher, weil diese Arbeit nun wirklich nichts Schwerwiegendes ist, das eine echte Überwindung und Leistung fordern würde.

Man merkt wohl bei dieser Interpretation: Der Vater kommt ohne Worte aus. Er setzt vielleicht als selbstverständlich voraus, dass sein Handeln genauso verstanden wird, auch und gerade ohne Worte. Der Wortschwall nämlich, den die diskutierende Familie produziert, wird hier geradezu Prämisse dafür, auf Argumentationen und Rhetorik mehr oder weniger selbstverliebter Art zu verzichten, ja sie sogar durch schweigendes, wütendes Handeln für obsolet und wertlos zu erklären. Ein durchaus akzeptables Vorgehen, so scheint mir, jedenfalls auch dann, wenn man sonst vom Wert verbal begründeten Handelns durchaus überzeugt ist. Das hier ist eine Küchenarbeitssituation, in der eine ethische Gerechtigkeits- und Klärungsdiskussion einfach nur noch unangemessen sein dürfte.
Auffällig, dass es in der ganzen Angelegenheit keine Spontanaktion gab.

So könnte die Mutter etwa etwas befehlen oder humorvoll erbitten, aber wahrscheinlich ist der Gerechtigkeitsdiskurs auch für sie etwas Verbindliches, mag er auch noch so starr sein. So bildet sie (plötzlich) mit den drei Verweigerungssöhnen eine lose Einheit. Die gewisse Peinlichkeit dieses Bildes ist es, die dann zwei der drei Söhne samt der Mutter zum Ausblenden der Situation und dem Verlassen des Esszimmers veranlasst. Nur der Jüngste bleibt.

(4) Das Ausharren des Jüngsten

Es wird nicht ganz klar, was nun in der Tiefenstruktur der Geschichte passiert: Der abweisende Kommentar des Vaters „Du kannst auch verschwinden“ signalisiert, dass die Familie sich in Vaters Perspektive bis zu einem gewissen Grad deklassiert hat. Vielleicht auch deswegen, weil hier immer alles abgewogen und gerecht zugehen muss, selbst wenn es sich um Kleinigkeiten handelt.

Wenn das so ist, dann ist das „Protestieren“ des Kleinen eben auch nur mit dem Kontroll- und Gerechtigkeitszwang dieser Familie vernetzt, er hat den familiären Diskurs als machtvoll und gültig internalisiert. Vielleicht auch deswegen, weil die Mutter eben anders als der Vater diesen Diskurs offensichtlich nicht relativiert oder als begrenzt gültig wahrnimmt. Auch wenn es dann einen Mangel in den Ausführungsbestimmungen gibt.
Betrachten wir die mentalen Ereignisse und verbalen Formulierungen, die für den Jungen stehen: Eine klare Anweisung („Hätte man ihm gesagt, er sei heute dran, dann hätte er natürlich..“) - es bleibt offen, ob die dann der realen bisherigen Arbeitsteilung entspricht oder nicht - die wäre hinreichend gewesen, einzuspringen und zu helfen und dem Vater die Wut und die eher „unwürdige“ Arbeit zu ersparen. Auf jeden Fall – so scheint es - will der Kleine signalisieren, dass er seine Abtrockenabstinenz angesichts der ungeklärten „Rechtslage“ nicht als Unrecht empfindet und dass er daher den Anblick des Vaters nicht zu scheuen braucht. Kombiniert mit dem gewissen Mit-Leid und dem Gefühl der Mitschuld (?), was da die Familie als Verhängnis über den Vater gebracht hat. Oder anders herum gedacht: Der Kleine hat den Willen des Vaters, die Gerechtigkeitsdiskussion als hier irrelevant erscheinen zu lassen, nicht erkannt und insistiert auf einer Fortsetzung im bisher gegebenen Normrahmen der Familie. Dass der Vater hier frustriert ist und auch so reagiert „Du kannst auch verschwinden“ ist durchaus nachvollziehbar.

(5) Darüber sprechen

Das „Hätte man ihm gesagt“ samt den weiteren Elementen steht also für die bisher und immer weiter geltenden Familienwerte und ihr davon ableitbares Verhaltensszenario. Der Diskursversuch des kleinen Sohnes scheint jedenfalls die Stärke der Familiengerechtigkeitsnorm zu bestätigen: Da die gerechten Voraussetzungen für eine klare Arbeitsanweisung nun mal fehlen und der Vater diesen Mangel wohl als Mangel anerkennen muss, wird er „in die Flucht geschlagen“. Eine etwas seltsame Formulierung, wenn man die mögliche Motivation des Vaters in der vorigen Aktion mitbedenkt. Der Vater zieht sich aus der Familiensituation ins Freie „zurück“. Von einem Sieg des Jungen kann aus mehreren Gründen kaum die Rede sein.
Es bleibt offen, ob der wortlose Spazierstockexkurs des Vaters auch aus seinem Überdruss und wegen der vielleicht von ihm schon öfter als starr und zu starr empfundenen Familienethik geschieht. Es bleibt offen, ob er sich bisher mit dem Hinweis auf die Möglichkeit weicherer und flexibler Normen nicht durchsetzen konnte. Dann wäre der „richtige“ Adressat seiner wütenden Reaktion wohl die Mutter, seine Frau. Und kaum die drei Söhne, die ja wohl internalisiert haben, was bisher – im Sinne der Mutter (?) - als Regel und Gesetz galt. Und als Legitimierung für die Diskussion, wer nun die Arbeitsrolle zu übernehmen hat.

Am plausibelsten ist aber, dass der Vater den Eindruck hat, dass seine unausgesprochene Meinung eigentlich ankommen müsste, aber in dieser Familie offensichtlich nicht ankommt. Und – das meint der Leser dieser Geschichte – der Vater müsste sich auf den Code und die Frames der Familie einlassen, wollte er das verbalisieren, was ihm in dieser Angelegenheit wichtig erscheint. Es ist durchaus plausibel, die Gefahr des Zerredens zu scheuen und so – für eine begrenzte Zeit – den häuslichen Normbereich zu verlassen.

Aber – und die Geschichte ist nun auffällig genug – „es wurde nie darüber gesprochen“, bis – so können wir ergänzen – diese Geschichte geschrieben und gelesen wurde und der Erzähler – erwachsen geworden und „ex post“ - im letzten Abschnitt zu einem Deutungsersuch ansetzt. Auffällig genug, dass dieser Abschnitt die distanzierte Er-Form der bisherigen Geschichte verlässt und ein Ich vorstellt, dass als erlebendes, pubertierendes Ich und als späteres, rückschauendes, reflektierendes Ich seine Deutung abgibt. Es ersehnt damals und jetzt einen einsichtsvollen Vater, es wünscht sich eine Diskurssituation, vom Vater initiiert oder zumindest gern geleistet. Und es übersieht – bis zu einem gewissen Grad vielleicht – wie schwer es ist, in Familienkonferenzen Situationen aufzuhellen und wie optimistisch-naiv es sein mag, das dennoch zu tun. Dass hier ein „Familienkiste“ zum Sarg mit leblosen Figuren wurde, dass hier eine Familie und ihr „Schweigen“ für Tod oder Unglück der Familie verantwortlich gemacht wird, muss nicht das letzte Wort haben. Gültig scheint mir eher zu sein, dass das „Schweigen“ dann legitimer Weise aufhört, wenn es in einer Geschichte ausgebreitet wird, die tatsächlich für sich spricht. Der Engel in der Bürgstädter Martinskapelle ist auch dann für unser Bewusstsein ein Sänger, wenn seine Laute im Verlauf der Zeit tragende Teile verloren hat.


 Fridolin meinte dazu am 14.11.21:
Lieber Willibald
Ganz herzlichen Dank für diesen umfangreichen und tiefgründigen Kommentar, der einige weiterführende Gedanken in mir angestoßen hat, zum Beispiel darüber, wie die mangelhafte Diskurssituation entstanden ist. Meine Familie wurde zumindest in den frühen Jahren beherrscht vom Glauben an die erzieherische Wirksamkeit von Strafe, was wohl der Frage nach Gerechtigkeit die hohe Bedeutsamkeit verlieh und das Reden stark kanalisiert hat.
Es fällt mir nun auf, dass in der beschriebenen Szene von Strafe nicht die Rede ist. In der Tat hat mein Vater hier offenbar Neuland betreten. Zum Teil wohl dem fortschreitenden Alter der Söhne geschuldet, das das Bestrafen ja ganz allgemein schwieriger macht. Aber ich vermute auch, dass er sich in der Rolle des strafenden Gottes nie so recht wohl gefühlt hat, und hier gehandelt hat, um ein weiteres, auch ihn quälendes Strafgericht zu vermeiden. Letztlich wechselt er hier den Erziehungsstil; statt zu strafen gibt er ein Vorbild. Nicht ohne impliziten Vorwurf, aber der Akzent liegt klar auf vorgelebter Hilfsbereitschaft.
Ich erinnere mich hier an einen seiner Feldpostbriefe, die wir lange nach seinem Tod auf dem Speicher gefunden haben. Darin berichtet er vom Knick seiner militärischen Karriere, nachdem er, um seiner gerade eben frisch ausgebombten Mutter beizustehen, mit einem Tag Verspätung in die Kaserne zurückgekehrt war. Heute kann ich sein Handeln in der beschriebenen Szene durchaus als Fortsetzung einer solchen Prioritätensetzung in einer natürlich deutlich weniger dramatischen Situation sehen.
Damals leider nicht. Denn „es wurde nie darüber gesprochen“; und auch das scheint mir eine Ergänzung zu verdienen. Ich glaube heute, dass das vor allem deshalb schwierig war, weil ihn die Abkehr vom „strafenden Gott“ natürlich auch in Widerspruch zu seiner Ehefrau setzte, die zu dieser Zeit noch von der Notwendigkeit von Strenge in der Erziehung überzeugt war. Nicht, dass sie den Wert eines Vorbilds geleugnet hätte, aber einen Paradigmenwechsel hätte sie damals wohl noch nicht mitgetragen. In ihren letzten Lebensjahren hat sie ihre Meinung dazu allerdings geändert; so hat sie es jedenfalls schriftlich ihren Söhnen hinterlassen, und in ihrem Verhalten konnte man es auch spüren. Gesprochen hat sie darüber auch dann noch nicht, als sie sich die feste Meinung schon gebildet hatte.
Ob und wie das alles in die Geschichte einbauen, darüber bin ich mir noch nicht so ganz schlüssig. Auf jeden Fall aber: Danke!

 Willibald antwortete darauf am 14.11.21:
Erstmal vielen Dank dafür, dass Du das Deutungspotential der Szenenfolge und ihrer Protagonisten weiter auskultiert hast. Die Gerechtigkeitsdiskussion kombiniert mit dem Strafmuster als Folie für die Familiennorm und die gewisse Grenzüberschreitung in der Spontanhandlung des Vaters ist spannend, sie verträgt sich auch gut mit der These vom Überdruss des Vaters an uferlosen Pflichtdiskussionen. Allerdings ist in der Prosaskizze das Strafgott- und Belohnungsgottmodell kaum angedeutet...

Eine eher erzähltechnische Anmerkung: Deine Geschichte ist auffällig sachlich-nüchtern gehalten und bleibt szenisch und auf Außenperspektive bedacht. Mentale Prozesse der Protagonisten bleiben außen vor. Kommentare oder Deutungen sind nichtexistent, erst in dem letzten Abschnitt wird es massiv, wenn der rückschauende Erzähler spricht.


Bei Franzens "Crossroads" finde ich recht spannend, wie er mentale Ereignisse der Figuren in erlebter Rede und ähnlichem zu fassen versucht. Dabei kann man ihm den Vorwurf machen, dass seine Figuren oft sehr viel zu spüren und zu ahnen scheinen, was man ihnen gar nicht so recht in der Enge ihrer Situationen und ihres Lebensstils zutraut. Aber trotzdem: Das Aufhellungs- und Entlastungspotential, das in Literatur vorhanden und wohl auch instinktiv von uns gesucht wird, dieses Potential könnte in fridolinen Familiengeschichten stärker genutzt sein.
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