Mir schrieb, kaum hatte das neue Jahr begonnen, eine liebenswerte Freundin folgende mich überraschende Mail: Sie müsse sich wohl oder übel kurz fassen, sie sei im Krankenhaus gewesen, ihr Herz wolle nicht mehr so recht schlagen ...
kurz und gut, sie habe sich mit der Stationsärztin, einer Chinesin, oft und ausführlich über China unterhalten. Auf ihre Frage, ob die Ärztin den in China sehr bekannten Sinologen Wolfgang Kubin kenne, meinte diese, in ihrer Studentenzeitschrift gelesen zu haben, er sei durch das Hochwasser in seinem Keller durch Stromschlag umgekommen, bei dem Versuch, wertvolle chinesische Schriften zu retten ... Ob ich darüber etwas wisse. Inzwischen sei sie bei derartigen Nachrichten hellhörig geworden. So habe sie am Neujahrstag von einer Schriftstellerkollegin rein zufällig erfahren, dass ein führender Funktionär des Schriftstellerverbandes gestorben sei - plötzlicher Herztod.
Ich antwortete: Mit Wolfgang Kubin habe ich mich vor ein paar Tagen zwischen Weihnachten und Silvester im türkischen Restaurant neben der Oper getroffen, er war guter Laune. Im Internet fand ich keinen Hinweis auf seinen Tod. Dass er durch Hochwasser im Keller seines Hauses bei der Rettung wertvoller chinesischer Schriften durch Stromschlag umgekommen sei, das kann nur ein Gerücht sein. Kubins Haus steht auf trockenem Grund.
Vielleicht bietet Folgendes Aufschluss: Er hat einen weiteren Teil seiner Autobiografie veröffentlicht unter dem Titel: "Das Wasser kocht sich zu Tode. Mein Leben im Abriss." Ich kann mir vorstellen, dass eine schwache Übersetzung dieses Titels ins Chinesische und eine ebenso schwache Rückübersetzung aus dem Chinesischen zu dem ungeheuerlichen Todesgerücht geführt hat ... Mich erinnert das an Robert Neumanns Parodie „Chinesische Lyrik oder Eine Affäre in Briefen“, gemünzt auf Klabund und andere sehr freie Übersetzer.
Übrigens sei dir vorsorglich mitgeteilt: Meinem letzten Roman mit dem Titel "Dämmerungen. Eine Fiktion" folgt unter dem Arbeitstitel "Abgrund. Keine Fiktion". Honni soit qui mal y pense.
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