"Lass´ mich 'rein, verdammtnochmal!"
"Du kannst mich am Arsch lecken, du verschissener Wichser. Mit dir bin ich fertig!"
Sie stand blond flammend und grün vibrierend am Balkon im dritten Stock und schrie zu ihm hinunter. Sie hatte recht, Michael 'Der Hund' Müller war ein schleimiger kleiner Scheißer, von dem niemand zu sagen wusste, wie er eigentlich an Nina geraten war. Der Spitzname war Programm.
"Bitte, Nina, dann komm´ Du wenigstens herunter und sprich mit mir. Lass' uns wenigstens darüber reden. Ich kann doch nicht die ganze Zeit hier in den Rosenbüschen stehen und zu Dir hochbrüllen.“
"Von mir aus kannst Du da so lange stehen, bis Du Wurzeln schlägst. Ich werde ohnehin gleich die Bullen rufen, wegen deinem grässlichen Geplärre."
"Du kleine Fotze, ich habe Dir meine Liebe gegeben und Du
kommst mir mit den Bullen. Willst mich im Knast verrotten sehen, Du billiges Flittchen. Hast es doch eh schon mit der ganzen Nachbarschaft getrieben."
"Ja sicher, und da waren wenigstens ein paar Männer dabei, verstehst Du?!"
Sie hatte die Schlösser ausgetauscht und ihn kurzerhand vor die Tür gesetzt. Er war ein Schnorrer, ein Typ, der den ganzen Tag am Kiosk stand, sich volllaufen ließ und dann erwartete, dass sie das Essen kochte, wenn sie abends von der Arbeit kam, einem blödsinnigen Job als Tippse bei einer Versicherungsfirma. Nina war 38 und hatte es satt, von Typen wie Michael ausgenutzt zu werden. Klar, im Bett war er nicht übel gewesen, wenn er nicht gerade kilometerweit nach Bier stank und es eilig hatte, aber sonst - ein nutzloser Penner. Er hatte einfach nichts drauf außer rammeln und fressen und saufen. Alles auf ihre Kosten. Er konnte nicht einmal einen Nagel gerade in die Wand schlagen, ohne gleich Blasen an die Finger zu kriegen. Und dann ständig diese perversen Spielchen. Am Anfang hatte es ja noch Spaß gemacht, mit der Küchenschürze nackt von hinten, unter der Spüle, in der Dusche, im Park, im Aufzug. Kamasutra für Arme. Ficken, Bumsen, Blasen - im Bett, wie gesagt -, ach, vergiss es. Seine billigen Wegwerfrosen von der Tankstelle verwelkten in der tristen Vase auf dem Wohnzimmertisch der Zwei-Zimmer-Wohnung in dem 35-stöckigen Hochhaussozialbau.
"Bitte, Baby, Du weißt, ich liebe Dich wie kein anderer."
Im Nachbarfenster neben ihr ging das Licht aus. Der Rollladen knatterte herunter.
"Komm´ `runter, Du Flittchen, dann zeig´ ich Dir, was Du in meiner Hose verpassen wirst."
Seine leere Bierflasche flog ins Gebüsch.
"Verpiss Dich endlich, Du besoffenes Schwein. Ich schwör' Dir, ich ruf' die Polizei. Hier läuft nix mehr für Dich, kapierst Du das endlich! Du bist draußen. Ich scheiß´ auf Dich und Deinen jämmerlichen Schwanz! Verzieh´ dich, geh´ weg! Es ist aus, kapiert, 'Hund'?! Hier ist Sense für Dich.“
"Scheiße!"
Michael war mittlerweile stinkbesoffen, und die beknackte Alte wollte ihn nicht hereinlassen in die Wohnung, geschweige denn, dass sie ihn `ranlassen wollte. Er schwankte in diesen verfransten Rosensträuchern herum, und seine verschwiemelten Jogginghosen waren bereits voller stechender Dornen. Die Nacht würde er unter der Brücke bei den Kumpels verbringen müssen, oder vielleicht im 'Münchner Hof', der bis vier Uhr früh offen hat, bei Henninger Bier und Zigarrenqualm und grauen kalten Nürnberger Würstchen, die älter als Methusalem sind.
"O.K., Fotze, dann lassen wir's halt. Schmeiß' mir bloß noch Deinen stinkigen Slip 'runter."
"Was?"
"Schmeiß´ mir Deinen Slip 'runter, den Du gerade anhast. Als Souvenir. Dann geh' ich. Ehrlich!"
Nina warf ihre blonden Haare in den Nacken, raffte den geblümten Rock hoch, kramte den Slip 'runter und warf ihn über das Balkongeländer in die Rosen. 'Dieses Arschloch.', dachte sie, 'Widerlich.'
Sie ging hinein und schloss ohne ein weiteres Wort die Balkontür hinter sich. Nina hatte einen Slip und einen Liebhaber weniger. Morgen war Freitag. Sie goss sich ein Wasserglas Cognac voll. Es war drei Uhr nachts. Michael 'Der Hund' Müller roch an dem roten, getragenen warmen Stück Stoff, dass sie noch vor wenigen Minuten zwischen den Beinen gehabt hatte und steckte es sich dann in den Hosenbund. Er stapfte aus den zertrampelten Rosen heraus und wankte Richtung 'Hof'. Seine Klamotten, seine Habseligkeiten waren ohnehin bereits in einem Schließfach am Bahnhof deponiert, für das er kein Geld hatte.
„Wird auch Zeit, dass Du abhaust, Du Arsch.“, schrie ihm irgendjemand von einem dunklen Balkon hinterher.
Das war wohl richtig.
© Rainer M. Scholz