Himmelwärts

Kurzgeschichte zum Thema Abgrund

von  RainerMScholz

Die Sonne glüht. Die Sonne brennt draußen, ja, draußen, denn ich bin hier drin; ich habe Glück gehabt, denn hier drin ist nicht da draußen; wo die Sonne ist und Land und Menschen verbrennt. Die Flügel des Ventilators habe ich, ob seines Alters, mit grauem Klebeband flicken müssen und so flappen sie träge dahin und verbreiten einen kaum spürbaren, mehr als trägen Strom abgestandener Luft. Hier drin ist die Sonne nicht. Aber da draußen. Die Menschen gehen trotzdem die Straßen auf und ab, ihre verkohlte Haut fällt von den Körpern, und es stinkt, das rohe Fleisch verkommt in der Sonne, die brennt; das Abgeschälte sammelt sich in den Rinnsteinen und wird des nachts von den Ratten gefressen. Manche vergammeln regelrecht auf ihren Sonnenliegen, unbegreiflich, Schwaden von fetten schwarzen Fliegen surren über den fahlen Wiesenflächen der Freibäder und das Chlor des fauligen Wassers dünstet Ammoniak und Verwesung aus.

Die Sonne brennt. Aber nicht hier drin, im Dunkel hinter den fest geschlossenen Jalousien, während draußen die Welt in Lava vergeht; und die Leute, die Leute, gehen mit an den Fußsohlen verschmolzenen Gummilatschen über den flüssigen Asbestasphalt. Die Schlote qualmen, an den Halmen wächst kein Korn, die Hitze flirrt über den braunen Feldern. Froh, wer ein Dach über dem Kopf sein eigen nennen darf; das nicht schon verglühte. Aber die Roten da draußen, ich nenne sie so, wanken weiter, ohne Ziel und Sinn und Verstand.

Ich lausche auf dieses vermeintlich vom Rotor des Ventilators stammende Flügelflappen. Es scheint von oben zu kommen; der Dachboden ist abgeschlossen, da liegen die erstickten Mäuse mit ihren Beinchen in der Luft. Es kommt von da oben. Der Strom ist längst schon ausgefallen, dann kann es doch nur – wenn es nicht aus dem Keller kommt; der verschlammt ist von Regenstürzen, an die sich zu erinnern niemand in der Lage ist. Und dann kommt es von unten. Von unten.

Die Sonne, die Sonne ist nur da draußen. An diesem Himmel.



© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text

Kuchen (42)
(25.07.24, 12:54)
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 RainerMScholz meinte dazu am 26.07.24 um 10:18:
Kräftig...pusten.
Gruß + Dank,
R.

 AchterZwerg (25.07.24, 18:14)
Erstmal schönen Dank, dass ich in deinem Harem von jetzt auf gleich "die" Favoritenrolle einnehmen darf!
Du gönnst mir ja sonst nix! 8-)

Nun zur Freiheit, zur Sonne.
Solaranlagen gibt es jetzt zum Festpreis; so könntest du die gelbe Energie für nützliche Zwecke einsetzen, wie z. B. die Kühlung einer Anstalt.
Wie das genau gehen soll, weiß ich aber auch nicht; mein Ventilator befindet sich noch in einem vorbildlichen Zustand. :) :P

 RainerMScholz antwortete darauf am 26.07.24 um 10:23:
Harem - super, das muss ich `mal überprüfen dahingehend.

Sol.anlage abgebrannt (Soleier gibt`s aber noch), E-Auto brennend im Wassertank versenkt auf unbestimmte Zeit, Windanlage weggeflogen - was soll man machen?
In der Anstalt macht`s doch erst ab Saunatemperaturen Spaß, da flutschen die Zäpfchen nur so hinten `rein.
Gruß + Dank,
R.
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