Begegnungen, die das Leben verändern

Geschichte zum Thema Begegnung

von  NormanM.

An der Kasse ging es mal wieder nur schleppend voran. Bei dem einen funktionierte die EC-Karte nicht, der andere hatte vergessen, das Obst abzuwiegen und nun war ein Typ vor mir dran, dem knapp 50 cent fehlten, um die Rechnung zu bezahlen.

Nun musste er ein Teil zurücknehmen, dann musste wieder jemand mit dem Stornoschlüssel kommen, was wieder Zeit dauerte.

„Oh Shit“, sagte er. „Das tut mir jetzt echt leid.“ Und es war ihm sichtbar unangenehm.

Da beschloss ich, ihm die 50 Cent zu geben. Zwar war ich arbeitslos und musste auf jeden Cent achten, aber wer weiß, wozu es gut war. Er sah aus wie ein Student und hatte wahrscheinlich selbst Mühe, um über die Runden zu kommen. So reichte ich der Kassiererin 50 Cent.

„Oh Herr Meier, das ist aber nett von Ihnen“, meinte sie beeindruckt. Sie war meine Nachbarin, weshalb sie meinen Namen kannte. Ich hasste es, wenn Sie mich in der Öffentlichkeit mit Namen ansprach, es ging niemand etwas an, wie ich heiße.

„Nein“, lehnte der Mann ab. „Das ist doch nicht nötig, ich lasse die Schokolade einfach hier.“

„Das sind doch nur 50 Cent“, sagte ich zu ihm. „Vielleicht passiert es mir ja selbst mal und bin dann froh, wenn mir jemand aushilft.“

„Ok, vielen Dank“, sagte er.

„Da haben Sie ja schon einmal eine gute Tat geleistet“, sagte die Kassiererin, nachdem der Mann gegangen und sich noch einmal recht herzlich bedankt hatte. „Alles Gute kommt einmal zurück zu Ihnen.“

Na ja, ich glaubte nicht daran. So etwas gab es nur im Kino, aber ich würde trotzdem der ewige Verlierer bleiben. Und außerdem, was sind schon 50 Cent? Nur weil ich jemand 50 Cent gebe, bin ich noch lange kein guter Mensch.


Zehn Jahre später hatte ich noch immer nichts erreicht. Zwar war ich schon lange nicht mehr arbeitslos, aber trotzdem alles andere als erfolgreich. Ich arbeitete im Lager und das trotz eines abgeschlossenen Studiums. Jeden Tag fragte ich mich, warum ich das machte und was ich falsch gemacht hatte. Bis es eines Tages meine Nachbarin anrief.

„Guten Tag Herr Meier, ich bin gerade im Geschäft auf der Arbeit. Hier ist ein Herr, der nach Ihnen gefragt hat und mit Ihnen sprechen möchte. Haben Sie gerade Zeit, hierher zu kommen?“

Ich zögerte. Wer wollte mir mir sprechen und warum? Hatte ich etwa irgendetwas verbrochen?

„Es ist nichts Schlimmes, soll ich Ihnen noch sagen“, lachte sie.

„Ok, ich bin in 10 Minuten da.“


Der Mann, der mich sprechen wollte, war etwa so alt wie ich, vielleicht etwas jünger und kam mir bekannt vor.

„Guten Tag Herr Meier“, begrüßte er mich. „Mein Name ist Patrick Mühle, ich weiß nicht, ob Sie sich noch an mich erinnern.“

„Sie kommen mir zwar bekannt vor, aber ich kann Sie gerade nicht zuordnen.“

„Wir sind uns vor etwa zehn Jahren hier begegnet. Mir fehlten 50 Cent und Sie waren so freundlich und haben die 50 Cent für mich bezahlt.“

Ja, jetzt erinnerte ich mich wieder. Er wirkte nun im Gegensatz zu damals sehr erfolgreich, war gut gekleidet, wahrscheinlich hatte er nach seinem Studium etwas erreicht. Jedenfalls ging ich davon aus, dass er studiert hatte. Aber was wollte er jetzt zehn Jahre später plötzlich von mir?

„Ja, doch, jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wieder ein.“

„Vielen Dank noch einmal. Und wenn ich schon einmal hier bin, gebe ich Ihnen die 50 Cent natürlich zurück“, sprach er und reichte mir die 50 Cent.

Völlig irritiert nahm ich sie an. Nach zehn Jahren suchte er mich, weil er meinte, mir die 50 Cent zurück geben zu müssen?

Als könne er Gedanken lesen, fuhr er lachend fort: „Sie wundern sich jetzt wahrscheinlich darüber, dass ich jetzt hier auftauche und Ihnen die 50 Cent zurück gebe. Aber das ist natürlich nicht der einzige Grund, warum ich Sie sprechen wollte.“

Also jetzt machte er es wirklich spannend.

„Als ich damals nach dem Einkaufen nach Hause ging, sah ich einen Mann, der gerade nicht bei der Sache war und über eine Straße gehen wollte, ohne zu sehen, dass gerade ein LKW ankam. Ich konnte ihm noch im letzten Moment festhalten, sonst wäre er wahrscheinlich überfahren worden. Er war darüber so dankbar, dass ich ihn gerettet hatte, dass er mich erst einmal auf ein Bier einlud. Wir haben uns kennen gelernt und wurden Freunde, was wir auch heute noch sind.

Vor zwei Tagen hat er im Lotto gewonnen: Vier Millionen Euro. Er hat mir die Hälfte davon gegeben. Ich wollte es nicht annehmen, aber er wollte unbedingt, dass ich sie nehme, so dass ich sie schließlich doch genommen habe. Aber was hat das mit Ihnen zu tun?“

Ja, das fragte ich mich auch.

„Hätten Sie mir damals das Geld nicht gegeben, hätte ein Teil der Ware erst einmal storniert werden müssen und das hätte alles aufgehalten. Ich wäre erst später raus gekommen und ich wäre nicht rechtzeitig da gewesen, um den Mann zu retten. Wären Sie nicht gewesen, wäre ich jetzt kein Millionär und noch schlimmer: Der Mann wäre wahrscheinlich tot und ich hätte keinen so guten Freund gefunden. Glücklicherweise konnte ich mich an Ihren Namen erinnern, weil die Kassiererin Sie damit angesprochen hatte, so konnte ich Sie finden. Ich habe die Hälfte des Lottogewinns von meinem Freund angenommen, weil er mich darum gebeten hat. Und ich bin nun hier, weil ich die Hälfte von meinen 2 Millionen geben möchte.“



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Kommentare zu diesem Text

IsoldeEhrlich (12)
(24.07.22, 22:24)
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