Der Streit

Text

von  BerndtB


Sie liefen durch die Stadt. Es war kalt, hatte etwas geschneit. In der Metro war es heiß und sehr voll gewesen. Jetzt kämpften sie sich durch Menschenmengen, die kreuz und quer herumliefen, als ob sie kein Ziel hätten. Hier und da kniete ein Bettler und hielt einen Becher hoch. Die Straßen und Gehwege waren kaum gestreut. Die Stadtverwaltung wollte Salz vermeiden, und Sand beschädigte die Rolltreppen, welche in die unterirdischen Bereiche führten. „Hast du ihm etwas gegeben?“ fragte sie, als sie an einem Bettler vorbeigegangen waren. „Nein, der ist ja noch ein junger Mann. Warum sollte ich dem etwas geben?“ „Wenn du meinst“, sagte sie. „Aber dem könntest du etwas geben.“ „Warum diesem Deppen und Angeber, der seinen Aufschriften nach die gesamte Welt gesehen hat und überall bekannt ist? Wenn er so berühmt ist, warum bettelt er?“ „Bitte gib ihm etwas“, sagte sie bestimmend. Er gab zwei Euro. Flaschensammler sahen sie überall. Meist waren es Menschen um die 70. Rentnerinnen und Rentner, dunkel und einfach gekleidet. Sie waren auf den ersten Blick nicht als Hilfsbedürftige zu erkennen.

Sie suchten den Weg zu einem Museum. Er schaute auf seinen Plan und das Handy. Sie auf ihr Smartphone. „Dort müssen wir rechts gehen“, sagte er.“ „Nein, links“, meinte sie. So stritten sie die gesamte Zeit. Aber irgendwann erreichten sie das Ziel. Im Museum diskutierten sie über viele Themen. Sie interessierte sich für andere Sachen als er und belehrte ihn über manche Dinge, die sie besser zu wissen glaubte. Hier und da wies er ihr mit Hilfe von Google oder Aufschriften im Museum nach, dass er Recht gehabt hatte, was sie aber kaum beeindruckte.

Als sie nach etwa zwei Stunden das Museum verlassen hatten, auf eisglatter Straße mehrmals ausgerutscht waren, liefen sie über eine Brücke. Auf der anderen Seite waren ein Café und ein Kiosk. „Dort könnten wir hingehen“, meinte er. „Nein, das ist hässlich“, sagte sie. „Siehst du denn nicht, wie hässlich das ist? Hast du kein Gefühl für Schönheit?“

„Ach so“ entgegnete er. „Ich denke, es wäre gemütlich.“

Er hörte noch ein lautes Hupen, sah in einen aufflammenden Scheinwerfer hinein. Dann wurde er angehoben, flog hilflos mit verrenkten Gliedern in die Luft. Er musste es geschehen lassen, spürte, dass etwas Ungeheures geschah, wusste, dass dies das Ende seiner leiblichen Existenz war. Sein Kopf knallte auf den Asphalt.  


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Kommentare zu diesem Text


 minimum (22.12.22, 12:06)
Ein ebenso interessanter wie (tendenziell) verstörender Weltausschnitt. Packend.

 BerndtB meinte dazu am 22.12.22 um 15:19:
Freut mich, wenn es gefällt. Danke für die Empfehlung.

 Dieter_Rotmund (22.12.22, 12:16)
Gerne gelesen, aber 


Sand beschädigte die Rolltreppen in die unterirdischen Bereiche



ist etwas holprig formuliert.

Besser ist


Sand beschädigte die Rolltreppen in den unterirdischen Bereichen




oder zur Not


Sand beschädigte die Rolltreppen in die unterirdischen Bereiche hinein



Dies nur als Vorschläge. Vielleicht hast Du ja was ganz anderes "gemeint".

 BerndtB antwortete darauf am 22.12.22 um 15:25:
Danke für die Empfehlung und die Formulierungsvorschläge. Die geänderte Fassung macht es vielleicht klarer.
(In München z.B. gibt es Schilder vor manchen U-Bahn-Zugängen, welche auffordern, auf bereitliegenden Matten die Schuhe vom Streusand zu säubern, um die Rolltreppen nicht zu beschädigen.)
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