Der Durchschnittsdeutsche

Lebensweisheit

von  Rosalinde

Herr Seckenpiel, von Stand und Ansehn Mann,
ein Angestellter bei dem Ministerium,
beweist der Welt, was er so stemmen kann.
Man staunt, der gute Mann ist ein Mysterium!
Was bringt Herr Seckenpiel wohl nicht zustande?
Er pfuscht herum in Lehrbüchern der Kinder,
er kommt mit Paragraphen schnell zu Rande,
und wenn er Zeit hat, ist er auch Erfinder.

Herr Seckenpiel, der kennt sich bestens aus.
Sei es in Rom die letzte Kirchenpredigt,
sei es der Rosenkavalier von Strauss,
die hat er fix, im Handumdrehn, erledigt -
er weiß die Antwort, was man ihn auch fragt.
Herr Seckenpiel ist unser großer Macher,
dabei ist er schon kahl und leicht betagt.
Er weiß Bescheid, kennt seine Widersacher.

Am Rande, das sei bitte nicht vergessen,
verschlingt er Nietzsche und den Kant,
will sich mit Rilke oder Goethe messen,
und ist von Kopf bis Fuß ein Dilettant.
Er schwitzt Poeme, öfter auch Gedichte,
hat sogar Meinung, wo er gar nichts weiß.
Bald geht er ein in Mommsens Weltgeschichte,
so dankt man seinem hehren Dichterschweiß.

Herr Seckenpiel ist gerne auch politisch.
Treu national, das sagt ihm der Verstand.
Beäugt, was links ist, allerschärfstens kritisch,
er liebt nun mal sein deutsches Vaterland.
Wer diese Welt ganz anders sieht als er,
ist von der Blage, die er herzlich hasst,
der hat’s bei Seckenpielen grottig schwer –
Herr Seckenpiel ist eben kein Phantast.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

kipper (34)
(20.07.23, 09:21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Rosalinde meinte dazu am 20.07.23 um 11:54:
Hallo Kipper,

ich hätte das Ekel ja auch gern als Beamter gehabt, aber dann wäre ich mit meinen Silben nicht hingekommen.
Haben die nicht auch Angestellte? Die können doch nicht ein ganzes Ministerium verbeamten? Dass wir eine erstaunlich unübersichtliche Armee von Beamten ernähren müssen, ist ja bekannt. Aber auch die Angestellten werden nicht schlecht dabei wegkommen, denke ich mir mal so.
Der einzige Nachteil des Beamtendaseins ist ja wohl,
dass so ein armer Kerl auch im gegenwärtigen Außen- und Wirtschaftsministerium ja und amen sagen muss, will er es bis zur Pension schaffen. Und wer nicht spurt, hat schlechte Karten.

Danke für die Aufklärung, Kipper.

Rosalinde

Antwort geändert am 20.07.2023 um 11:55 Uhr
Daniel (50)
(20.07.23, 12:20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Rosalinde antwortete darauf am 20.07.23 um 12:48:
Ja, Daniel, von diesen Leuten wimmelt es im Westen und nach und nach auch im Osten, hier allerdings einkommensmäßig gebremster. Ich habe während meiner Tätigkeit in Westberlin die Gelegenheit genutzt, diese Leute zu studieren. Die Arroganz gegenüber uns Ostberlinern war sagenhaft, nach dem Motto "Alles verkappte Kommunisten!"
Ich habe aber auch nette westdeutsche "Umerzieher"
kennengelernt, die mir in bester Erinnerung sind. Es gibt eben überall sone und solche.

Danke, Daniel. 

Rosalinde

 Rosalinde schrieb daraufhin am 20.07.23 um 12:51:
Franky, bei dir möchte ich mich ganz besonders bedanken für die Empfehlungen meiner Machwerke. Weiter so, kann ich da nur sagen.

Herzlichst, Rosalinde
Daniel (50) äußerte darauf am 20.07.23 um 13:29:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
kipper (34) ergänzte dazu am 20.07.23 um 15:13:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Rosalinde meinte dazu am 20.07.23 um 16:02:
Danke, Kipper, aber meines Wissens habe ich nichts von amtlichen Kompetenzen geschrieben, nur wie der Herr so drauf ist. 

Aber dankeschön nochmal.

Rosalinde

 Rosalinde meinte dazu am 20.07.23 um 16:19:
Daniel, Kieling hat in den fünfziger und auch noch sechziger Jahren mehrere Filme bei der DEFA gemacht, er kannte die DDR, zumindest die Filmbranche. Aber solche sind es nicht, die leitende Stellungen auf allen Ebenen einnahmen. Die kamen, waren vor allem an der Busch-Zulage interessiert, oftmals auch Republikflüchtige, die natürlich die DDR aus der Vergangenheit kannten. Und eine besondere Menschenfreundlichkeit habe ich nicht feststellen können. Wobei ich manch einem westdeutschen Beamten edle Motive nicht absprechen will, aber was dann passierte, war nicht so edel. 

Gegenwärtig wird Ostdeutschland immer noch von Westdeutschen zu fast 100 Prozent verwaltet. Den Ostdeutschen wird das nicht zugetraut. Ostdeutschland hat, so gesehen, den Status einer Kolonie. So wurde es zu Kolonialzeiten auch in Afrika gemacht, die Kolonialherren hatten das Sagen über die unmündigen Schwarzen, heute sind es die unmündigen Ostdeutschen. 

Aber was ich überhaupt nicht verstehe: Von welcher kaiserlichen Armee sprichst du, von welcher kommunistischen Armee? Tut mir leid, ich sehe da nicht durch.

Rosalinde

Antwort geändert am 20.07.2023 um 16:22 Uhr
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram