Die Jam-Session

Kurzgeschichte zum Thema Musik

von  Koreapeitsche

 Michel gab mir gegen 4 Uhr in der Alten Mu Hausverbot, als die Cops über das Gelände liefen und für Ruhe sorgen wollten. Gäste des nahen Hotels hatten sich beschwert, weil die Jam-Session zu laut war. Ich saß da gerade mit drei Frauen und zwei Typen an der Feuerstelle auf dem Hof, wo eine Westerngitarre reihum ging. Als die Cops in der Eingangstür zum Hof standen und mich maßregelten, spielte ich gerade „Der Goldene Reiter“ von Joachim Witt. Es war nicht besonders laut, dennoch wollten die Cops für Ruhe sorgen. Ich spielte sofort leise, denn ich wollte den Song zu Ende spielen. Doch da griff Michel bereits zum Gitarrenhals und nahm mir die Gitarre weg. Ich ließ das ohne Widerstand über mich ergehen. Jetzt wurde Michel unfair, sagte zu den Polizisten, „Das ist sowieso ein Idiot“. Daraufhin schaukelte sich der Streit hoch. Michel war bisher an diesem Abend leger gekleidet. Doch später in der Nacht, vielleicht so ab 3 Uhr, zu einer Uhrzeit, als er die Jam-Session ohnehin hätte abbrechen sollen, erschien er plötzlich in einer feisten Rockerkutte in der angegliederten Kneipe und versuchte das Geschehen zu regeln. Während er eben in seinem hellblauen Hemd noch freundlich und friedlich erschien, wirkte er jetzt in seiner Rockerkutte bedrohlich und aggressiv. Auch sein Verhalten und seine Körpersprache hatten sich radikal verändert. Die dicke Jeansweste war übersäht mit Aufnähern von Metalbands, wie die Kutte von Vladimir Harkonnen. Auf dem Rücken stand groß der Bandname Doom über einem kreuzförmigen Logo. Er gab sich jetzt wie der Präsi eines Rockerclubs, der Hells Angels oder Bandidos.

Ich sagte, „Das mit dem Idiot lass ma bitte!“, denn ich wollte mich nicht beleidigen lassen. Da sagte der vordere Cop, „Ich habe ihm das vorhin schon gesagt, als er vorne im Hofgang saß“. Dabei hatte ich mich im Hofgang lediglich mit Hella über Geschlechtskrankheiten unterhalten, was den Bullen dazu verleitete, sich einzublenden und um Ruhe zu bitten. Dabei war die Hauptgeräuschquelle doch im Proberaum, wo die Jam-Session mit Schlagzeug und E-Gitarren stattfand. Ich hatte schon geahnt, dass der Cop sich einblenden würde wegen des Gesprächsthemas, um seinen Senf dazuzugeben. Besonders das Wort Chlamydien konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Ich hörte förmlich das Schlurfen der Schuhe, als er eine 180 Grad Wendung vollzog. Sie waren da bereits am Proberaum vorbeigegangen, ließen also die Jam-Session laufen, weil sie von der Eingangstür Hellas lange, offene Haare sahen, was für die Cops Priorität hatte.

Als der Cop jetzt an der Feuerstelle aussprach, er hätte mir zuvor schon das laute Sprechen untersagt, fühlte ich mich provoziert und erwiderte, „Dann muss die Polizei ein Dezibelmesser mitnehmen, um eine Grenzwertüberschreitung exakt festzustellen und zu protokollieren. Denn technisch ist das machbar“. Da sagte er, „Die Hotelgäste wollen schlafen“, und deshalb sorgten sie hier jetzt für Ruhe. Da entgegnete ich, „Dann müsst ihr auch ein Nachtfahrverbot für Autos aussprechen, denn die erzeugen eine viel höhere Dezibelzahl als Gespräche oder Akustikgitarre mit Gesang“. Als ich das ausgesprochen hatte, gab Michel mir im Gegenzug sofort Hausverbot. Er lallte dabei, schien stark angetrunken und war in einem Zustand, indem man keine Kneipe mehr führen oder eine Live-Session beaufsichtigen sollte. Ich stand sofort auf, sagte, „Ok, ich werde mich an das Hausverbot halten“ und verließ direkt das Gelände, da ein Handgemenge drohte. Der Cop, der bisher auf der Türschwelle zur Terrasse stand, trat zu Seite und ließ mich passieren. Ich war natürlich mega-sauer, da ich vor dem Gitarrespielen dies angenehme Gespräch mit Hella führte und bei Eintreffen der Cops links und rechts von mir eine Frau sitzen hatte und auch Hellas Freundin mit geschlossenen Augen an der Feuerstelle saß und meine Musik mit Schunkeln und Summen begleitete. Ich hatte da schon drei Punksongs gespielt. "Sick Boy", "Wasted" und "The Final Blood Bath", war also unter diesem Aspekt voll auf meine Kosten gekommen. Doch ich hätte mich gerne weiter mit Hella und ihrer Freundin Juli rumgetrieben, was nach dem Hausverbot nicht mehr möglich war. Ich war mir sicher, da läuft noch was. Entsprechend geladen war ich, als ich das Gelände verließ, weil die Cops und vor allem der Fake-Rockerboss mir die Tour vermasselten. Ich ging draußen an der Terrasse mit den Partygästen vorbei, die teils offen konsumierten und sich gackernd unterhielten, rief noch „Hausverbot und Tschüss“. Niemand reagierte darauf. Ich ging zu meinem Fahrrad. Die anderen Gäste waren ziemlich aufgedreht, zumal es zuvor am Abend einen Feuerwehreinsatz auf dem Gelände gab, da sich das Akku eines eBikes im hinteren Gebäudetrakt entzündet hatte. Da waren bereits die ersten Cops auf dem Gelände, während die Feuerwehr vorne von der Straße aus versuchte, ins Gebäude einzudringen, um das Feuer zu löschen. Das ging ruckzuck. Da waren die Cops auch noch nett und kollegial. Ich sah den Fahrradsattel oberhalb des Akkus lichterloh brennen. Ich war extra mit dem Feuerlöscher zum Brandherd geeilt, der schlussendlich nicht zum Einsatz kam. Währenddessen verlief die Jam-Session drinnen wie gewohnt. Einige Musiker schienen ein Jahresabo auf die wichtigsten Instrumente zu haben, sodass besonders die jungen Leute eingeschüchtert auf den Holzbänken saßen und sich nicht trauten, eins der Instrumente zu übernehmen. Je oller die Musiker, desto doller und egoistischer spielten sie. An der kleinen Bühne auf dem Hof sah ich an dem ganzen Abend nicht eine einzige Frau an einem der Instrumente. Dabei waren insgesamt Frauen und Männeranteil bei den Besuchern nahezu ausgeglichen. Um viertel vor vier hatte ich zum ersten Mal eine Gitarre in der Hand. Der DJ, der im Proberaum auflegte, spielte nur kommerziellen 80er Mist. Da musste ich mich ausblenden.

Auf dem Heimweg sah ich noch ein paar Frauen, die offensichtlich von Typen aus der Bergstraße abgeschleppt wurden. Das Tucholsky hatte erst vor ein paar Tagen Wiedereröffnung - nach drei Jahren Pause. Auf der anderen Straßenseite fuhr Felix ohne Licht auf dem Bürgersteig, der zuvor an der Jam-Session teilgenommen hatte. Der Sattel war zu tief eingestellt. Er eierte. Vor dem Brunswik standen zwei Frauen mit langen weißen Röcken, Cowboystiefeln und Lederjacken. Die eine zog ihrer Kollegin gerade die Cowboystiefel aus, damit sie sockfuß weitergehen konnte. Ich fragte noch, „Braucht ihr Hilfe?“ „Nein Danke“, hieß es. Daraufhin radelte ich in den Park und trainierte noch eine halbe Stunde Karate, um mich abzureagieren. Im Bett zuckte mein Körper wie ein gefangener Dorsch im Todeskampf an Land, der schon was über die Rübe bekommen hat. Ich schlief bis 12 Uhr mittags.



Anmerkung von Koreapeitsche:

Diesen Text habe ich nach besagter Nacht direkt auf dem Handy getippt.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Maroon (31.07.23, 10:16)
Für einen direkt auf dem Handy getippten Tagebucheintrag ist der Text natürlich beeindruckend, aber er sollte meiner Meinung nach dringend überarbeitet werden, falls er wirklich als Kurzgeschichte an die Öffentlichkeit soll.

Irgendwo im Text ist deine Ellen als 'Helen' genannt. Ich finde es gerade nicht mehr ...

Liebe Grüße
Maroon

 Koreapeitsche meinte dazu am 01.08.23 um 11:02:
Danke Maroon,
ich habe Hellen gefunden und daraus wieder Ellen gemacht.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 04.09.23 um 14:34:
Immer noch sehr viele "Hellen" unterwegs...

Kurios wie immer so oft bei Peitsche dieser Junkie/Linksalternative-Jargon.

 Teichhüpfer (21.08.23, 21:48)
Die Partys mit sechs zehn Jahren hatte ich bei den Niemann Werken und am Strevenpark. Zum Schluß in der Gartenkolonie bei den Junkies.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram