Notlandung

Text

von  Mondscheinsonate

Der Schatz ist momentan 19 Stunden von mir entfernt, bei ihm ist es gerade 16:27 und es hat 25 Grad (Ich korrigiere! 1d und 6h) . Er war wieder einmal erfolgreich, ich habe es gesehen, was für ein Stolz aufkommt. Ich habe Sehn - Sucht, langsam aber sicher schon. 

Anders, die die bereits Asche sind, die  sind im Himmel oder sonstwo. Noch weiter weg. 

Ich bin momentan äußerst sensibel, was vermisste Menschen, überhaupt das Sterben angeht.


Ich saß im Flieger immer gerne bei den Tragflügeln. Der schlimmste Albtraum passierte. Verschlafen, nach Stunden Flug hörten wir "Fasten your seatbells", please. Kommt öfters vor. Ich sah in den schönsten Himmel hinaus, er erstrahlte gelb, das war göttlich. Plötzlich sah ich es, drehte mich zu meinem Lebensgefährten, sagte in einem trockenen Ton: "Es kommt schwarz heraus." Er glaubte nicht, beugte sich über mich zum Fenster. Dann wurde er blass. In mir krampfte es sich zusammen. 

Wer denkt, dass man im kommenden Sterben irgendetwas denkt, immer der Schmäh "Das Leben zog vorbei...", irrt, nichts denkt man, ich krampfte mich zusammen, das pure Grauen überkam mich, panische Angst. "PURSER TO INTERPHONE" hörte man, seitdem weiß ich, was das bedeutet, größte Gefahr. 
Kurze Zeit später mussten wir die Schwimmwesten überziehen. Panik brach aus, ein Stimmengewirr, Sinkflug. Der Pilot sagte durch, dass wir Ruhe bewahren sollen, wir werden in Kingshasa landen. Er sagte nicht "Notlanden". Immer weiter ging der Sinkflug, die schlimmsten Minuten meines ganzen Lebens. Ich hielt die Hand meines Freundes, mir schien, als ob das ganze Blut weg gewesen wäre, ich fror, es schüttelte mich, atmete schwer. 

Ich sah ihn an, sagte nicht "Ich liebe dich", sondern sagte "Wir sterben in Kingshasa und ich weiß nicht einmal wo das in Afrika ist (Ich sah es am Bildschirm, dass wir in Afrika waren.)." Er sah mich entsetzt an, antwortete: "Bist du verrückt? Das ist doch völlig wurscht!" Er schrie mich an. Ich spürte mich nicht mehr.


Wir landeten abseits vom Flughafen auf Gras, keinem Acker, aber in der Pampa. Das Flugzeug krachte nicht auf, aber es war unsanft, rüttelte, tat weh, hin und her. Niemanden passierte etwas, bis auf einen. Es war totenstill. Kurz, plötzlich sprangen die Menschen auf, klatschten und umarmten sich, schrien. Der Pilot sagte, wir sollen sitzen bleiben, BITTE! 
Die Stimme des Piloten klang anders als sonst. Ich sah aus dem Fenster, von weitem kamen Rettungswägen und Löschzüge, das Triebwerk rauchte noch immer, schwarz, Feuer kam keines heraus. 
Ein Menschengewirr, Rutsche, wieder Umarmungen. Ich war in Kingshasa, wusste noch immer nicht, wo das war, lehnte mich an ihn, weinte bitterlich. Ärzte gingen durch, drängten sich durch, manche hatten erst auf festen Boden einen Schwächeanfall, einer war nicht angeschnallt, der flog, fiel nicht, durch den Weg zwischen den Sitzen, ich sah es, er donnerte mit dem Kopf auf, blieb liegen, den holte man heraus, er war benommen, lebte aber. Ein Arzt fragte, ob ich "Okay" sei, ich zitterte, nickte.

Die Piloten standen in einer gröhlenden Menge, sichtlich blass, aber glücklich. Sie waren unsere Helden. Ich liebte plötzlich, sie, die Piloten und weinte noch mehr. 
Busse brachten den Rest, wir standen in der Halle vom Flughafen.
Kinghasa ist im Kongo und es hatte 34 Grad. Wir lebten. 



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (26.10.23, 07:04)
Spannend und mitreißend!

 Mondscheinsonate meinte dazu am 26.10.23 um 07:27:
Kennst du vom Haslinger sein Tsunami-Buch? "Phi Phi Island"
Wenn man etwas erlebt hat, das derart schrecklich war und es erst viel später aufschreibt, bekommt man eine Distanz, die gesund ist. Das ist 20 Jahre her, das Flugzeug war in Schräglage, die Wiese war uneben. Piloten sind für mich, seitdem, meine persönlichen Helden. 
Den Buchtipp empfehle ich wärmstens, seine ganze Familie überlebte den Tsunami und er schrieb nüchtern, doch sichtlich traumatisiert davon. Dankeschön.

Antwort geändert am 26.10.2023 um 07:27 Uhr

 eiskimo (26.10.23, 07:49)
Du lockst einen in den Flieger, und dann der Beinah-Crash.... Toll aufgebaut, persönlich und hautnah.
LG
Eiskimo

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 26.10.23 um 07:56:
Danke. Nur noch Plattensee.😂😂😂
Interessanterweise hatte ich keine Angst danach weiter zu fliegen, im Gegenteil, ich habe höchstes Vertrauen.
Agnete (66)
(26.10.23, 23:41)
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 Mondscheinsonate schrieb daraufhin am 27.10.23 um 07:23:
Oder wieder kommt, Agnete. Denken wir positiv.
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