Mit Wunderkerzen Kaugummiautomaten aufschweißen

Kurzgeschichte zum Thema Kinder/ Kindheit

von  Koreapeitsche

Stell dir vor, in deinem Stadtteil hängen in jeder Straße zwei oder drei Kaugummiautomaten. Stell dir vor, du kannst in jeder Drogerie das ganze Jahr über Wunderkerzen in 10er-Packs kaufen. Du bist dazu etwas experimentierfreudig, baust als Kind kleine Sprengsätze aus 0,7-L-Mineralwasser- oder Brauseflaschen, indem du vier bis fünf Wunderkerzen in die Flasche bröselst, eine weitere Wunderkerze unten statt oben anzündest, kopfüber in die Flasche wirfst und den Metallverschluss festdrehst. Jetzt steht die Flasche da im Halbdunkel und leuchtet wie eine Laterne. Die Funken der Wunderkerze sehen ein wenig eingesperrt aus und wandern immer weiter nach unten der Spitze entgegen. Der interessierte Beobachter erkennt, dass einzelne Funken die zerbröselten Wunderkerzen auf dem Flaschenboden nicht entzünden können. Jedoch, wenn die Spitze der Wunderkerze endlich erreicht ist, entlädt sich alles in einem Blitz, in einen Unterdruckknall, in Splittergeräusche und Glassplitterregen. So bist du als Kind schon ein wahrer Sprengmeister. Der nächste Schritt ist das Öffnen von Kaugummiautomaten, denn Wunderkerzen brennen auch durch dünne Plexiglasscheiben. Wenn die Spitze brennt, musst du sie auf die Plexiglasscheibe drücken, bis sie wie durch weiche Butter geht. Jetzt musst du den Brennpunkt immer an eine Stelle auf Höhe der durchbrannten Plexiglaswand halten, damit das Loch größer und größer wird. Meistens brauchst du dafür mehr als eine Wunderkerze. Da können auch ruhig die Cops vorbeifahren, denn die freuen sich und denken, die Kinder spielen. Die Ränder des Lochs sind recht porös, geschmolzenes Plastik halt, und du kannst jetzt kleine Stücke aus den Schweißstellen herausbrechen oder weiter mit Wunderkerzen arbeiten. Irgendwann ist das Loch groß genug, dass du mit einem oder zwei Fingern durchgreifen kannst, um dir Kaugummis oder die kleinen Gimmick-Kügelchen herauszufischen. Allerdings musst du aufpassen, dass die Kaugummis nicht angekokelt sind. Irgendwann entschieden wir uns, nur noch Kaugummiautomaten aufzuschweißen, in denen sich keine Kaugummis befanden, sondern ausschließlich die runden Plastikkügelchen mit Mini-Spielzeug als Inhalt. Nach solchen Missetaten konntest du dir sicher sein, dass du den Nachmittag gut verbracht hattest, dich nicht mit Hausaufgaben hast quälen lassen, dass du etwas umsonst bekommen hast und obendrein mit deinen Kumpels etwas erlebt hattest, was uns zusammenschweißte.



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Kommentare zu diesem Text


 autoralexanderschwarz (20.12.23, 00:07)
Sehr schön, wobei - zumindest mich - der Wechsel vom "du" zum "wir" in dem einen Satz am Ende ein wenig stört.

 Koreapeitsche meinte dazu am 20.12.23 um 08:24:
Danke.
BTW, Du zielst bestimmt auf den folgenden Satz ab: "Irgendwann entschieden wir uns, nur noch Kaugummiautomaten aufzuschweißen, ..."
Wäre an der Stelle eine Passivkonstruktion besser?
z.B.: "Irgendwann wurde die Entscheidung gefällt, nur noch Kaugummiautomaten  ..."

 autoralexanderschwarz antwortete darauf am 20.12.23 um 13:08:
Schwer zu sagen. Halte mich eigentlich immer mit eigenen Vorschlägen zurück, weil du ja am besten weißt, was du sagen möchtest. Ich finde, dass der Satz eine Art Perspektivwechsel ist. Es ist ja gleichzeitig auch ein Tempuswechsel und korrespondiert (was es schwieriger macht) ja auch mit dem „uns“ im letzten Satz. Fiel mir nur auf, weil es ne Art Bruch der bis dahin konstanten Perspektive ist. Es wechselt quasi von ner Art Anleitung hin zu einer Reminiszenz.

 autoralexanderschwarz schrieb daraufhin am 20.12.23 um 13:16:
Und ne: Finde es, wie es ist, besser als im Passiv.

Gruß
AlX

 Koreapeitsche äußerte darauf am 20.12.23 um 16:32:
Ich lass das erstmal so. Ich will die KG demnächst mal rausbringen; in einem Kurzgeschichtenband. Im Selfpublishing kann ich nachträglich immer noch Änderungen vornehmen, falls sich jemand beschwert.  :)
Aber Danke für das Feedback. Das ist das Gute an KeinVerlag. Bei Amazon gibt es später die Hassrezensionen.
Cheers!

 Dieter_Rotmund (20.12.23, 16:53)
Das "uns" zum Schluss kommt überraschend und wirkt befremdlich. Du solltest es weglassen oder am Anfang diese Figuren wenigstens kurz einführen, finde ich.
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