Flecken

Erzählung

von  minze

Wir sind einen Tag hier, ich will die letzten Campingnudeln kochen aus dem Fertigpaketen von Knorr. Wie letztes Jahr im Sommer bin ich erstaunt, wie schnell und gut sie sind, wie einfach das ist. Joscha will helfen, gleichzeitig mache ich andere Sachen, die Käsesoße geht über den Topf und ich folge den falschen Instinkten, die ich in manchen Momenten habe, in diesem Moment ist es der Instinkt, die Sauce sofort mit einem Schwamm wegzuwischen, ich glaube, es ist sogar mit der rauen Seite, sofort glaube ich, das sei doppeltfalsch, im Doppeltfalsch mache ich weiter, wische ich weiter, es scheint wie ein Automatismus in meiner Reaktion auf einen Haushaltsunfall, als sei es natürlich für mich, in Situationen wie diesen nicht richtig zu reagieren. Als habe ich diese eingeschränkte Form der Antwort auf die Anforderung von Ordnung und Sauberkeit. Danach kommt der dritte Fehler, mittlerweile darf Joscha nicht mehr mitkochen, sein heftiger Schwung mit dem Löffel hat den Unfall verursacht, den ich nicht mehr retten konnte, nur verschlimmern. Joscha hat Hunger, Mara hat auch Hunger, ich auch, aber das stelle ich nicht an, ich muss erst alles organisieren. Yann ärgert sich darüber, dass wir schon wieder Hunger haben. Weiter habe ich nicht die Sensorik und bin mir dessen sehr bewusst: nicht die Sensorik oder die Reflexe. Ich sehe die trocknende Soße im verbreiterten Fleck und setzte den heißen Topf wieder darauf. Ich frage mich noch, ohne die Konsequenzen zu verantworten, ob es eine Rolle spielt, dass dies offensichtlich ein Induktionsherd ist. Ich kenne mich nicht aus. Ich habe es ausprobiert in der neuen Küche meiner Eltern, die sie eingebaut haben, nachdem mein Bruder und ich ausgezogen sind. Sie haben den ehemaligen Küchentisch aus der Küche geworfen und eine Tür aufgegeben. Man kommt nicht mehr vom Flur in die Küche und man kann in der Küche nicht mehr frühstücken und Mittag essen. Jetzt ist da ein großer amerikanischer Kühlschrank mit zu vielen Lebensmitteln und die sehr große Küche mit vielen hohen, tiefen Schränken und einer Arbeitsfläche, die randvoll ist. Sammlungen aus Papiertüten, Probierpackungen, Eierschalen, Grillsaucen, getrockneten Brötchen. Und dann diese große Induktionsherdfläche, die eigentlich ungefährlich sein sollte, weil sie nur dann heiß wird, wenn ein Topf darauf steht oder eine Pfanne. Kaum woanders werde ich diese Platten ausprobiert haben, bei den Freunden, die es in ihre neuen Häuser gebaut haben, haben wir entweder Salate oder etwas aus dem Ofen gegessen und man hilft auch nicht mit in der Küche oder macht einen Kaffee.


Sofort ist der Gedanke an den Fleck weg, als wir essen und ich denke weiterhin, dass die Nudeln schmecken und sich lohnen. Je mehr sie erkalten, es bleibt doch etwas übrig, desto gelber werden sie, dann verstumme ich doch vor ihnen und sehe so etwas wie ihr wahres Gesicht. Die Kinder sind jetzt ruhig, sie ziehen ihren Schlafi an, putzen die Zähne, schauen Les Sisters und ich räume ab, Yann sagt, ich mache es gleich und geht rauchen. Dann antizipiere ich alles, was kommen wird: die Erkenntnis über die verbrannte Induktionsplatte, die Tatsache, dass es am ersten Tag in der Ferienwohnung passiert, Gedanken an mein Unwohlsein in dieser sauberen Wohnung. In die mir deutliche Investition in eine funktionale, schicke, safe Einrichtung für alle Feriengäste. In das Vertrauen der Gastgeberin in die richtigen Reflexe, darin, wie man umgeht mit angemieteten Gegenständen. Ich trage eine vage Scham, aber auch ein Trotz, der meint, dass ich auf jeden Fall eine Lösung finden werde und ein bisschen ein Hochmut, der sagt, dass es nur materiell ist und die Kaution von dreihundert Euro reichen muss, wenn wir am Ende der Woche vor der Platte stehen und einsehen, dass wir es nicht verdient haben, das Geld zurück zu erhalten. Dass wir nicht auf die Wohnung aufgepasst haben und das Geld dafür hinhalten muss, auch dafür, dass wir uns gar nicht erst erklären müssen, nicht dafür, wie es passieren konnte und nicht dafür, wann es genau passiert ist.

Wir legen die Kinder hin, die je ein eigenes Zimmer haben, das Durchgangszimmer für die Kleine, zu uns durch, das scheint so gedacht zu sein und ich bin weich innerlich, weil die Wohnung wirklich funktional ist und Marie-Christine, die Gastgeberin, es richtig gedacht hat. Sie hat die Wohnung so nicht gemacht. Aber mir scheint, als habe sie es gedacht: dass es so und so für Gäste richtig ist. Und alles stimmt. Ich habe nicht richtig reagiert, aber es stimmt.


Meine Mutter sagt, dass ein Schaber am besten sei. Die Reinigungsprodukte, die vorhanden sind, funktionieren bei kleinen Problemen. Nicht bei einem großen, richtig eingebranntem Fleck. Ich versuche die vorhanden Superreiniger relativ intensiv, aber ich fühle, dass sie nur für die Menschen gemacht sind, die es nicht so weit haben kommen lassen wie ich. Die nicht noch einmal den heißen Topf auf die mit der rauen Schwammseite ausgeweitete Brandfleckschmiere drauf stellen.

Ich finde im Internet viele Ideen und fasse sofort in die Backpulvervariante Vertrauen, auch habe ich so ein Gefühl, dass es die Schaber meiner Mutter in den Supermärkten der kleinen Orten um die Wohnung herum nicht geben wird. Es bestätigt sich am kommenden Tag, an dem wir einkaufen. Und mein Vertrauen in die Dinge, die es überall gibt, hat Bestand. Ich kaufe eine Fünferpackung, so wird Backpulver auch in Deutschland verkauft. Es ist schön, eine Paste daraus zu machen, ich dosiere mit den Silikoneierbechern, die vom Frühstück noch neben dem Herd stehen. Sie blubbert und ich merke, die feste Variante funktioniert am besten. Es dauert alle fünf Packungen und ich brauche im Schrubben eine feste Mechanik, damit die Verbindung aus Chemie und Mechanik den Schmutz entfernt. Wo habe ich davon gehört, dass es diese beiden Möglichkeiten immer gibt: Chemie oder Mechanik. Und wie tief wird mein Vertrauen befriedigt, dass ich es in der Kombination löse. Meine Hände werden angegriffen, sie werden weich und weiß und es schmerzt mit der Zeit etwas unter den Nägeln. Yann ist mit den Kindern draußen und sie machen irgendwas. Er schenkt immer wieder Wein nach und ich gehe immer wieder, nach etwa einem halben Päckchen Backpulver, heraus, trinke auch, schenke mir manchmal nach. Ich trinke, schreibe Mama, dass ich es langsam in den Griff bekomme, sie bestätigt mir meine Nachrichten.


Schon das Gefühl, dass es wirklich verschwinden wird, ist richtig, es ist dann das Gefühl, was ich auch mit mir vereinbare: es wiedergutzumachen.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram