Nachtzug aus Milano

Kurzgeschichte zum Thema Nachdenkliches

von  Moppel


 

Eigentlich habe ich mir das Einzelinterview mit Noch-Kanzler Scholz bei  der Talkshow Miosga nicht ansehen wollen. War doch klar, was da kommen würde. Und irgendwie zappe ich dann doch drauf. Erwartungsgemäß bleibt Scholz reserviert, seine Miene nicht einschätzbar. Auch, wenn er lächelt, nicht.  Manchmal jedoch scheint es, als blitze etwas Emotionales auf, doch dann fällt direkt wieder das einstudierte Rollo.

Es langweilt mich, ich bin müde, geht es doch schon auf 23 Uhr zu.

Irgendwie fühle ich mich erinnert an einen speziellen der vielen Morgen, an denen ich als junge Frau am Kölner Bahngleis stand und auf die Straßenbahn nach Nippes wartete. Mein gelangweilter Blick schwebte von den schmutzigen Trägerpfeilern über die leeren Gleise, aus denen das Unkraut sich einen Weg nach oben bahnte. Ich war müde, hatte  am Abend zuvor  im TV Denver-Clan geschaut. Und war dennoch seit sechs Uhr auf den Beinen und jetzt war es achte.

Doch plötzlich schnaufte ein Zug ein, ein langer Zug. Dessen Fenster alle mit Rollos uneinsehbar gemacht waren. Ein Geisterzug ohne Menschen, ohne Leben. Ich dachte: Ob die alle erstickt sind in ihren 4-er Schlafwagen ohne Sauerstoffzufuhr?

Nichts regte sich. Der Zug stand und mein Blick glitt über die verhängten Fenster. Nach einer Ewigkeit stiegen ein paar verknitterte Menschen aus, niemand stieg ein. Der Zug, dessen Schild Milano-Hamburg auswies, stand. Und blockierte den Weg für meine Straßenbahn.

Plötzlich schnackte das Rollo direkt vor mir hoch. Ein Mann mit schwarzen Locken und nacktem Oberkörper reckte sich und kratzte sich genüsslich am Sack. Jaja, 24 Stunden keine Dusche…  seelenruhig. bis er erschrocken feststellte, dass der Zug nicht am freien Feld, sondern in einem Bahnhof stand. Der Mann, der nach einem Shirt angelte und ich, fein gekleidet mit meinem Blazer und meiner weißen Schluppenbluse. schauten uns direkt in die Augen. Gleichermaßen entsetzt. Dann zog die Hand des Mannes wie verrückt an dem Rollo. Doch es klemmte. Er riss und riss und seine Hose rutschte dabei nach unten. Wie hypnotisiert sah ich hin. Bis das Rollo schief, aber endlich doch beinahe geschlossen war. Und ich lächelte. Verwirrt, ungläubig. Hatte ich etwas gesehen oder hatte ich nicht?

Bald darauf fuhr der Zug an. Unzählige verhängte Fenster passierten. Nur ein einziges war einen schmalen Spalt breit offen.

 



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Kommentare zu diesem Text


 Citronella (12.11.24, 13:20)
Ich mag solche Geschichten.
Vor allem gefällt mir der gedankliche Sprung von Scholz zu einem Schlafwagen ... :) :P

LG Citronella

 Moppel meinte dazu am 12.11.24 um 14:53:
eben-t, Citro. da gibt es ja noch viel mehr Bilder: Bis hin zu Hose runterlassen... :D
Grinsen und danke von M.

 EkkehartMittelberg (12.11.24, 17:03)
Schamgefühl hat der junge Mann gehabt, Monika. Das wissen wir bei Scholz nicht so genau, weil der sich nicht öffentlich am Sack kratzt.
Wenn er manchmal so verschmitzt lächelt, denkt er vielleicht: "Wenn ihr wüsstet, welch Schlimmer ich bin."
Ich bin ja mal gespannt, was jetzt beim Wahlkampf noch aus dem Sack oder dem Mieder gezaubert wird.
Deine Kurzgeschichte macht neugierig.

LG
Ekki

 Moppel antwortete darauf am 13.11.24 um 10:58:
das sehe ich auch so, Ekki. Wer weiß, wieviele Säcke wir noch präsentiert bekommen - alte Säcke, grobe Säcke, Säcke unter Augenlidern... Ich lade schon mal ein zum Sackhüpfen :D
Danke und lG von M.

 TassoTuwas (13.11.24, 10:37)
Muckelchen,
ich sag man so,

bei vielen Teilen die man schlapp am Morgen sieht  
ist man heilfroh dass da nicht mehr geschieht  :O
doch kommt es stramm am Abend um die Ecke 
springt er und sie vor Freude bis an die Decke  :D 

LG TT

 Moppel schrieb daraufhin am 13.11.24 um 11:02:
isch weiß ja nit, wiville Wiever de häst, ewwer isch bin nit Muckelschen, sondern Moppelschen :D
Und um auf deine Aussage zu kommen:
Wat morjens schlapp is, muss nit abends weniger schlapp...
aber egal...
:Dund danke von M.

 TassoTuwas äußerte darauf am 13.11.24 um 11:58:
Ich han se alle Muckelschen jenannt.
Da kannste im Schlaf nix verkehrt sajen  :D !

 Moppel ergänzte dazu am 13.11.24 um 22:21:
ja, mäht nix, Tasso- wer kann, der kann... GGG ich meinte nur, weil ja niemand mehr hier weiß, wer hier wer ist. Ob subordination verlo is, ran Tännschen, Citronella Muckel, Zigeunerjesus der Zweitaccount von Dieter Wal und Klemmt der Erstaccount von Dieter Wal. :D
Kein Mensch kennt sich mehr aus. Und viele denken sogar, Moppel wär Agnete...
ja, die Welt ist undurchsichtig geworden :D
Herzlich M.
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