Metaphern

Skizze

von  Beislschmidt

Er war ein Künstler und Meister der Metaphern. Er schrieb nächtelang und begeisterte sich selbst, in dem er immer heftiger in die Tastatur hämmerte. Eigentlich hätte er schon längst Preise bkommen müssen, so emsig und unermüdlich er Büchlein um Büchlein auf den Markt brachte aber die Kuratoren von Hugo Ball oder Droste-Hülshoff ignorierten seine Bewerbungen schon seit Jahren. Seine Ersparnisse schrumpften Jahr für Jahr, weil der Druckkostenzuschuss der Verlage mehr als schmerzte. Auch ein neuer Künstlername und aufgehübschte Vita brachten keine Wende, obwohl er auf Aron Weidenthal große Erwartungen setzte.
Er wurde sich irgendwann bewusst, dass er in einer großen Depression gefangen war und tat, was social media in solchen Fällen riet - er suchte professionelle Hilfe. Seine Ärztin war apart, im mittleren Alter und ihr Strickpullover störte ihn nicht.
Sie gab ihm beste Ratschläge, wie "schreiben sie doch mal positiv über Urlaub und Natur oder eine Liebesgeschichte", nachdem er deprimiert den Kopf geschüttelt hatte.
"Sie könnten das doch auch", und mit einem Lächeln, "nicht immer über ihre Schuppenflechte, Verdauungsprobleme, Ermüdungsbrüche, Alkoholexzesse oder aggressive Schübe. Einfach mal von anderen Menschen schreiben und ihren Sorgen".
Er schüttelte nur leicht den Kopf und sagte selbstvergessen, "von anderen Menschen? Nein, das kann ich nicht".


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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (28.12.24, 10:26)
Und dabei ist es so einfach: Über sich selbst kann er viel besser und unauffälliger und wirksamer schreiben, wenn er seine Persönlichkeit und Probleme auf andere verteilt. Als Schiller "Die Räuber" schrieb, schrieb er nur und allein über sich selbst. Die Ärztin hat völlig Recht: In den Sorgen der anderen entdeckt der Depressive nämlich die eigenen.

Kommentar geändert am 28.12.2024 um 10:31 Uhr

 Aron Manfeld meinte dazu am 28.12.24 um 16:34:
Starke Feststellung, lieber Quoth. Diesen Gedanken hatte ich 1990 in einem Deutsch-LK- Aufsatz und heimste vierzehn Punkte ein.

Gutes 2025!

 Beislschmidt antwortete darauf am 29.12.24 um 11:21:
Wie unterschiedlich doch Interpretationen sein können.
Dee Anlass zu dem kleinen Text war ein Fall aus meinem Bekanntenkreis. Ein durchaus begabter Künstler schreibt und malt schon Jahre lang und fühlt sich vom Erfolg übergangen. Ständig äußert er sein Unverständnis darüber, dass andere mehr berücksichtigt werden und er leer ausgeht. 
Ich habe ihm irgendwann mal gesagt, dass seine Ausführungen nur ihn selbst spiegeln und die Leserschaft nach zwei Kapiteln genug davon haben in welchen hypochondrischen Ekzessen er sich gerade wälzt. 

Schmerz, Leid, Martyrium ist nur so lange von Interesse, solange es hinter der Hirn-Blut-Schranke verbleibt und keinen direkten Zugriff auf unser  subcorticales System hat und auf den Hypertalamus eindrischt. Dann jedenfalls - spätestens dann wird eine gefährliche Nähe überbrückt und der Leser muss sich notgedrungen distanzieren. 
Deshalb kann der Bekannte solange rumheulen wie er will, es wird sich auf Dauer kein Schwein für ihn interessieren.

Antwort geändert am 29.12.2024 um 11:30 Uhr

 hehnerdreck (28.12.24, 13:10)
Ob nicht in jedem von uns mindestens ein Stückchen Deines Protagonisten in uns steckt?

LG

 Beislschmidt schrieb daraufhin am 29.12.24 um 11:23:
Vielleicht ein bißchen aber Distanz ist die einzige Möglichkeit sich selbst zu bleiben. Ist nicht ungefährlich.

 Aron Manfeld (28.12.24, 16:29)
Vor ein paar Jahren schrieb ich noch unter Hans Drögemöller, bis mein Therapeut mir einen Namenswechsel anriet.

Bleib gesund und munter, mein Lieber, nach dem Winter sehen wir uns!

 Beislschmidt äußerte darauf am 29.12.24 um 11:25:
So machen wir es, dann kannst du mir ja erzählen welche Auswirkungen der Name Aron mit sich gebracht haben. Wieso eigentlich Aron und nicht Heinz?

 TassoTuwas (30.12.24, 10:29)
Hallo Beisl,

das waren noch gute Zeiten, als man wenigstens nach dem Tode noch entdeckt und berühmt werden konnte.

Unsereins hofft auf das nächste Jahr, wie auch immer  :ermm: !

Dir ein erfolgreiches Neues Jahr
TT

 Beislschmidt ergänzte dazu am 31.12.24 um 15:18:
Nach dem Tode zählt nicht mehr, weil ohnehin alles durchdigitalisiert ist aber auch austauschbar. Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr 
Beislgrüße
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