Ausklang – Ringelnatz-Programm (Ende)

Betrachtung

von  klausKuckuck

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Joachim Ringelnatz ist nie ein reicher Mann gewesen. Mal ging es ihm besser, „Meine Hoffnung steigt froh ins Wolkenblau, wo die Lerche singt“, mal war er am Boden, „Meiner Wünsche flehendes Lied verhallt Im Nebelgespinst“. Dann kam das Jahr 1933. Ringelnatz, selbst völlig unpolitisch, litt unendlich unter der geistigen Verwahrlosung der Zeit. Aber er konnte den Mund nicht halten. Wollte seine Meinung über die Vorgänge in Deutschland nicht einfach herunterschlucken. So kam es, wie es kommen musste: 1934 holte man ihn in Dresden von der Bühne. Auftrittsverbot, Bücherverbot, die Bilder wurden als entartete Kunst geächtet – ihm war die Lebensgrundlage entzogen. Er verarmte über Nacht, er hatte nie vorgesorgt. Ringelnatz wollte Deutschland verlassen, er hatte ein Engagement in der Schweiz, wo er früher schon mit Erfolg aufgetreten war. Doch monatelang wurde ihm der Pass verweigert. Die Ungewissheit zermürbte ihn, das Warten und Warten und Warten nahm ihm die Kraft … eine lang verschleppte Tuberkulose brach aus. Ein Spendenaufruf von Freunden sollte ihm einen Krankenhausaufenthalt ermöglichen. Eine Mahnung, die „große Schuld an ihm zu danken“, wie es in dem Aufruf hieß. Er war unterzeichnet von Graf Johannes Kalckreuth, Hermann Mitter, Asta Nielsen, Ernst Rowohlt und Paul Wegener. Die Hilfe kam zu spät. Im Oktober 1934 unheilbar krank aus der Lungenheilstätte entlassen, stirbt Joachim Ringelnatz am 17. November in seiner Berliner Wohnung am Sachsenplatz mit 51 Jahren.



Jung sterben – in besten, noch hoffenden Jahren –

Wie schön muss das sein!

Du hättest nur Gutes, nur Frohes erfahren.

Blieb alles dein.


Und es blieb an der Stätte, wo du begraben,

Nur Liebe zurück.

So gar nichts Trübes gekostet zu haben –

Wärs nicht ein Glück?




Ehrgeiz


Ich habe meinen Soldaten aus Blei

Als Kind Verdienstkreuzchen eingeritzt.

Mir selber ging alle Ehre vorbei,

Bis auf zwei Orden, die jeder besitzt.

   

Und ich pfeife durchaus nicht auf Ehre.

Im Gegenteil. Mein Ideal wäre,

Dass man nach meinem Tod (grano salis)

Ein Gässchen nach mir benennt, ein ganz schmales

Und krummes Gässchen, mit niedrigen Türchen,

Mit steilen Treppchen und feilen Hürchen,

Mit Schatten und schiefen Fensterluken …


Dort würde ich spuken!




Der kleine Mann mit der großen Nase und dem wunderumwobenen Namen Joachim Ringelnatz – er hätte eigentlich gar nicht auf diese Welt kommen dürfen. Er war ein Geheimnis. Ein herumirrender, herumtorkelnder, sächsischer Schmetterling. Für alle, die ihm begegneten, muss er so etwas wie eine fllügelschlagende Zwischenzeitbekanntschaft gewesen sein. Einer, den man aus einem fernen Himmel heruntergeschickt hatte, die Welt anzuschauen, durch die Schlüssellöcher des Lebens zu gucken, und davon zu erzählen. Mit einem Lächeln. Mit einer kleinen Sentimentalität. So einer macht in den handfesten Wirklichkeiten, die ihn umgeben, keine Karriere. Weil er sich im Handfesten vor lauter Staunen nicht zurechtfindet.  Todesursache Tuberkulose – war vermutlich auf seinem Totenschein vermerkt. Aber ist er wirklich daran gestorben?


Ich habe versucht, einen Wind einzufangen.

Aber ich fand das Gefangene nicht.

Ich bin durch tiefe Wälder gegangen,

Wo der Wind ganz tief mit den Wipfeln spricht,

Wipfeln von ganz hohen Kiefern.

Ich sah im Moos eine Bierflasche liegen.

Wenn ich in einem Bierversand

Die würde abliefern,

Bekäme ich zehn Pfennige Pfand.

Ich habe versucht, das viele Versuchen

Ganz aufzugeben.

Ich nahm einer Wanze das Leben,

Die mich nur gejuckt hat. –

Unsereiner

Wird immer kleiner,

Je tiefer er ins Leben geguckt hat. 


________


Zugabe (Die große Mimose)


Weil jeder sie so entzückend

Grün und natürlich fand,

Ging die große Mimose

Von Hand zu Hand.

   

Und ging und lebte, ward müde und schlief,

Und ward herumgereicht.

Und wünschte sich vielleicht – vielleicht! –

Ganz tief,

So unempfindlich zu sein

Wie ein Stein.

   

Und wie sie trotzdem wunderbar

Organisch grün und wissend klar

Gedieh,

Umschwärmten, liebten, achteten sie

Die Menschen und die Tiere,

Merkten aber fast nie,

Dass sie keine Rose,

Dass sie eine große Mimose war.




E N D E




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Kommentare zu diesem Text


 plotzn (27.02.25, 09:55)
Servus Peter,

am Ende noch mal herzlichen Dank für die Bereitstellung Deines Ringelnatz-Programms! Er war einer der Großen und konnte der Tragik des Lebens immer noch etwas Komisches abtrotzen.

Liebe Grüße
Stefan

 klausKuckuck meinte dazu am 27.02.25 um 14:58:
Servus Stefan,
du hast es gültig formuliert als eine wichtige Stimme hier bei KV. Es gab da mal einen mittlerweile abgenutzten Begriff, der die Ringelnatze der Welt in einem Bild zusammenhielt: Traumtänzer. Wobei es immer auch (auch bei KV) auf die Professionalität des Tänzers ankommt. Die Träume fliegen von selbst.
Über deine Einschätzung des Programms habe ich mich sehr gefreut.
Gruß Peter

 Tula (27.02.25, 20:53)
Hallo Peter
Sehr schöne Auswahl der Gedichte und das Programm insgesamt. Gelesen hat ihn hoffentlich jeder hier in der Runde. Sein Buch/Sammnelband steht im Regal, ich sollte es mir mal wieder greifen.

LG Tula

 klausKuckuck antwortete darauf am 27.02.25 um 22:04:
Danke, Dirk. 
Das Ringelnatz-Programm in Dresden hat etwa zweieinhalb Stunden gedauert, ich habe also für KV mehr als die Hälfte davon gestrichen, aber alles Wichtige war dabei. Wenn es nicht so zeitaufwändig wäre, würde ich sowas auch wieder machen – mal sehen. Jetzt kommt der Frühling, auf Sardinien wurden schon 24° gemessen – mal sehen,

Gruß Peter
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