In dem Zuhause meines damaligen Freundes gab es in jedem Zimmer Bücher, hauptsächlich über Malerei und Architektur, was auf 500 qm² beachtlich ist. Aber nicht so, dass keiner mehr Platz hatte oder die Luft zum Atmen nahm, gleichsam gegen die statischen Vorschriften verstieß, sondern sich in die Räume einschmiegten, es wohnlich machten und wie eigene Kunstwerke die Wände zierten bis zu den Decken hinauf.
Mein liebstes Zimmer war kleiner, es nannte sich das Studio, war im Grunde das Arbeitszimmer des Vaters, voll mit Büchern rundherum, einem Gmundner Keramik Kachelofen samt Ofenbank und anschließendem Kanapee mit Wolldecke, Schreibtisch und einem Fernseher, dort lag ich oft und las, denn der Vater hielt sich so gut wie nie darin auf, er war Zahnarzt (das Klischee von Wohlhabend) und machte dort nur seine Buchhaltung zurecht für den Steuerberater.
Es hatte bullaugenartige Fenster, war oval, ja, das Oval Office. Ein "Turmzimmer für die kleine Prinzessin" nannte es der Vater, lachte, wenn er doch reinkam und mich sah, eingemurmelt in die Decke, lesend.
Die Bücher waren fast alle auf Englisch, sie waren viel in New York, reisten mit leeren Koffern hin und brachten Übergepäck mit, stellten die Neuerwerbungen in die Regale bis sie voll waren und dann, als sie voll waren, baute der Vater noch an, damit wieder voll gemacht werden konnte. Insgesamt, so schätzte der Vater, waren 50.000 Bücher im Haus, in der Garage, in der ausgebauten Künstlerscheune, die war überhaupt mit Regalen bis an die Decke voll, in der Praxis, im zweiten geerbten Haus und im Keller, später im Anbau. Es steckten 60 Jahre Sucht darin.
Eines Nachts, es war von Mittwoch auf Donnerstag, waren Schulbuben unterwegs, es war ihnen langweilig, sie hatten schon einiges getrunken, brachen in die Scheune ein, setzten sich auf die alte Couch, feierten Party darin, das blieb unbemerkt, die Scheune lag weiter oberhalb des Städtchen auf einer Alm, rauchten und einer von ihnen glaubte, in dem Kübel mit Restflüssigkeit wäre Wasser drin, schmiss die brennende Zigarette hinein, entfachte ein Feuer. Es war kein Wasser, sondern Pinselreiniger und alte Fetzen darin. In Panik, oder warum auch immer, stieß er den Kübel um, und kickte ihn in ein Eck. Das Feuer breitete sich schnell aus, die Jungen flüchteten, überließen dem Feuer den Rest alleine, es brannte alles lichterloh, wurde zu spät von den Anrainern weiter unten bemerkt. Durch die unerträgliche und giftige Rauchentwicklung sah man den Schaden erst viele Stunden später, alles war niedergebrannt, bis auf ein paar Buchreste, wo nur angebrannt, ein paar Sätze zu lesen waren.
Diese hob der herbeigerufene Vater weinend auf, nein, er weinte nicht wegen des Schadens der Scheune, den Scherereien, sondern wegen seiner Bücher, ich war dabei, sah es, streichelte liebevoll über die kläglichen, angebrannten Papierfetzen, sammelte jedes einzelne auf wie ein Verrückter, war nicht zu bremsen, dann doch, kaufte sich anderswo eine neue Scheune, ließ die Fetzen rahmen und hängte sie darin auf, kaufte kein einziges Buch mehr, nie wieder. Die neue, wunderbar renovierte Scheune blieb kalt und hatte einen Touch von Traurigkeit.