Eine Mysterie-Geschichte: Die Koalitionsverhandlung

Ein kalter Wind streicht um die Häuser von Berlin. Wie ein Man-Eater-Tiger, der auf Beutefang ist. Die fünfzig Journalisten vor dem Reichstagsgebäude ziehen ihre Schals enger um den Hals. Frösteln.

Die Glaskuppel, in der die Spitzen von CDU,CSU und SPD über die neue Regierungskoalition verhandeln, ist hell erleuchtet. Doch scheint sie menschenleer. Niemand geht hinein, niemand kommt heraus. Schon seit Stunden nicht.

„Merz soll einen Migrationsgeheimplan mit den Europäern schmieden,“ tönt der Journalist der Wildzeitung und schlürft lässig einen Coffe-to-go. Interessiert zücken alle ihre Notizblocks. Jede Nachricht ist besser als keine Nachricht.

Nebel zieht durch die Straße, strömt aus den Gullis wie in einem alten Hitchcock-Krimi. Den Journalisten schaudert, gruselig ist es irgendwie. Da ruft einer: Schaut! und zeigt nach rechts. Eine schwarze Figur teilt den Nebel. Unbeweglich. Der Rappe, auf dem sie gebeugt hockt, schnaubt bedrohlich und eine tiefe Stimme sagt: „Ich bin der Tod. Der Tod der Koalitionsverhandlung.“

Die Journalisten halten ihre Kameras drauf. Klick-klick-klick. Im Sekundentakt. Langsam bewegt sich der Rappe, der Tod steigt ab und schlurft ins Gebäude.

Steifbeinig tritt er in den Verhandlungssaal, breitet die Arme aus und ruft:“Ich bin der Tod, der Tod eurer Verhandlungen.“  Frau Esken zirpt:“ Oh, mein Gott,“   und wirft sich an die Brust von Dobrindt neben ihr. Der zuckt angewidert zurück. mahnt: „Ähm, immer mal ruhig!“ und schiebt sie von sich. Sie keift: „Sie bayrischer Grabscher -  Das ist mit mir nicht zu machen!“ „Aber SIE haben mich doch…,“ flüstert Dobrindt. „Glauben Sie das ja nicht, Herr Dobrindt - das ist mit uns nicht zu machen!“

Blass wie die Wand reichen sich Merz und Klingbeil im Angesicht des Untergangs über den Tisch die Hände. „Es ist an der Zeit, sich zu duzen,“ schlägt Merz vor. Klingbeil schaut beinahe ehrfürchtig auf den Tod und wispert: „OK, Friedrich, ich bin dann der Lars.“

Julia Klöckner schreit spitz, als der Tod mit der Frage auf sie zugeht:“ Und du? Du hast in deiner ersten Bundestagpräsidentinnensitzung alles richtig gemacht, meinst du?“

„Iiiiiii,“ kreischt Klöckner und gießt sich zitternd ihren Rotwein über ihr scheinbar einziges cremefarbenes Kostüm. Tumult entsteht, ein Stuhl fällt. Der Tod aber lacht tiefkehlig und schnarrt: „Ihr elenden Heuchler. Ihr betrügt das Volk und darum werde ich eure Verhandlungen sterben lassen.“

Merz hüstelt, Laschet lacht mal ausnahmsweise nicht. Da steht Söder auf. Breitbeinig stellt er sich dem Tod in den Weg, schaut ihm böse in die Augen: „Verpiss dich, du Schmalhans. Wir haben hier zu arbeiten.“ Der Tod aber lacht nur und zieht sich auf den Flur zurück.

Von all dem bekommen die Journalisten draußen nichts mit. Eine unheimliche Stille wabert jedoch  auf dem Platz. Totenstille. Und Nebel hüllt die Glaskuppel in ein weißes Tuch. Einer murrt: „ Die Grünen fordern jetzt, dass im Koalitionsvertrag stehen soll, dass die CDU niemals mit der AfD koaliert.“  „Pah, die Grünen,“ erwidert ein anderer, laut neuesten Umfragen steht die AfD schon gleich auf mit der CDU.“ Alle nicken. Bis einer brüllt:“ Da!“ Eine unsichtbare Hand wischt den Nebel von einem Stückchen Kuppelscheibe und schreibt in Rot, rot wie Blut, auf das Glas: HILFE, ich will hier raus.

Die Kameras surren, bis sich die Nebeldecke wie von Geisterhand wieder schließt.

Am nächsten Tag überschlagen sich die Medienmeldungen: Es war eine Damenhand, ganz sicher, schreiben einige. Eine Männerhand schreiben andere.

Das Medium Correktschlief plakatiert auf der Titelseite:

"Wir haben alles mit der Kamera festgehalten." Und zeigt Bilder, auf denen nichts zu sehen ist. Nichts außer grauem Nebel.