Caesar - Epilog
Tragödie
von autoralexanderschwarz
Epilog
Caesars Privatgemächer: Antonius, Calpurnia
Antonius: Es tut mir leid, dass ich es bin,
der dir die schlimmste Nachricht bringt.
Ich sah ihn noch vor dem Senat,
wie er im hellsten Sonnenschein
hinein in das Theater schritt.
Dort sah ich ihn zum letzten Mal
lebendig.
Calpurnia: Du sagst, mein Caesar sei jetzt tot?
(setzt sich und stützt den Kopf mit den Händen,
schüttelt dann langsam den Kopf)
Das kann nicht sein.
Ein Caesar stirbt nicht einfach so.
Antonius: Ich sah den Leichnam liegen im Senat,
ich sah die Stiche und ich dachte mir,
selbst Götter, die auf diesen Ort,
von oben nur herunterblicken,
selbst Götter müssten weinen.
Da lag mein Caesar,
da lag Rom,
gestochen in den Rücken.
Und allzuviele Spuren, die führten durch das Blut.
Calpurnia: Und weiß man, wer der Täter war?
Antonius: Sie haben es von langer Hand geplant.
Nicht einer, viele waren es.
Ich kenne die meisten Verräter.
Calpurnia: Und du, warum bist du dann hier bei mir,
wo Caesars Mörder leben?
Ich bin schon jetzt
am Ende meiner Kraft,
doch du, Antonius, du musst,
du darfst nicht eher ruhen,
bis auch der letzte dieser Schergen,
der meinen lieben Caesar stürzte,
noch tiefer liegt als er.
Antonius: Ich weiß, dass Caesar Pläne hatte
und dass er für den Unglücksfall,
falls er auf einem Feldzug sterbe,
genaue Instruktionen hinterließ.
Die aber brauche ich für den Senat,
denn eins, das schwöre ich dir hier:
Das, was mein guter Caesar wollte,
das soll sein Tod nicht hindern.
Calpurnia: Ich weiß, wo dieser letzte Plan
und auch das Testament verborgen.
Ich geb sie dir, doch dann lass mich allein.
Mir scheint, ich brauche etwas Zeit für mich,
denn meine Beine sind ganz schwach geworden.
(geht zu einem Schrank und holt einen Stapel Dokumente hervor)
Antonius (ehrfürchtig): Das also sind des Caesars letzte Wünsche.
Ich werde sie genau studieren.
Die Pläne meines Caesars für das Reich.
Sie sind von nun das Wichtigste in meinem Leben
und erst wenn alles, was er sich für Rom erdacht,
wenn die Gedanken wahr und Form geworden,
erst dann will auf meine eig'nen Wünsche hören
und furchtbar Rache an den Mördern nehmen.
Antonius verlässt den Saal.
Rede des Antonius
vor dem Senat: Bürger Roms
Bürger Roms I: So lange warten wir bereits darauf,
dass endlich jemand sagt, was nun passiert,
die Tore des Senats sind immer noch geschlossen,
doch hörte ich, dass hinten rum
bereits die Ersten gehen.
Man hört die seltsamsten Gerüchte,
darunter eines, das sich immer wiederholt
und das ich weder glauben kann,
noch auszusprechen wage.
Bürger Roms II: Auch ich hab' es bereits gehört.
Man spricht von neuen Zeiten.
Bürger Roms III: Doch ist es wirklich so gescheh'n?
Ich habe meine Zweifel.
Bürger Roms I: Seid still, es öffnen sich die Tore,
ich sehe den Antonius.
Bürger Roms II: Und ist der Körper, den er dort so zärtlich trägt...
Bürger Roms III: So ist es wahr. So ist der Caesar gefallen.
Antonius tritt vor die Bürger. In den Händen hält er einen Körper, der in ein blutiges Gewand gehüllt ist. Ein Raunen geht durch die versammelte Menge, doch sobald Antonius das Wort erhebt, wird es vollkommen still.
Antonius: Ein jeder hat es wohl bereits gehört,
ein Großer fiel,
ich halte hier den Körper,
seht hier die Hülle eines Helden für die Ewigkeit;
er scheint so leicht in meinen Armen.
Er hält den Körper einige Momente schweigend,
dann bettet er ihn behutsam vor sich auf dem Boden.
Erst jetzt ist mir erlaubt, es auszusprechen,
was seit der Kenntnis jener Mordtat in mir schreit,
es muss heraus, ich spüre schon die Risse,
denn dies Gefäß ist nicht gemacht,
um solche Glut so lang in sich zu tragen.
Schon früher hätte ich zu euch gesprochen,
doch nahm man mir das Wort, zu schweigen:
Man bot das Einzige, das es vermochte,
den Schrei nach Rache, Rache, Rache
durch das, was größer noch in mir als Wut,
durch Liebe aufzuhalten.
So hat nun der Senat beschlossen, dass alles,
was mein lieber Caesar noch ersann,
sein Testament,
für Rom und für das Schicksal uns'rer Kinder,
so schnell als möglich umzusetzen sei.
(Jubel)
Er tat noch mehr.
(Es wird wieder still.)
Der Kreis, aus dem sich diese Mörder schlichen,
erklärt die Tat zum Opfer für die Republik
und auch wenn dies für mich so klingt wie Hohn,
so hat die Angst, die Kleines immer vor dem Großen hat,
so hat die Angst dazu geführt,
dass schließlich eine Mehrheit dafür sprach,
die Mörder zu verschonen.
(Ein Raunen geht über den Platz.)
Man fand gar viele schöne und auch kluge Worte,
um die Gefühle zu verdrehen,
man tat gar so, als weise die Vernunft den Weg.
Das Blut des Vaters war noch nicht mal trocken,
schon sprachen sie von Frieden.
Und so ergriff ich dort das Wort
und rief: Wie könnt ihr es wagen?
In meinem Ohr, da hört' ich noch,
den Jubel auf den Straßen
und tausend Münder, die gemeinsam riefen,
dass Caesar Heil und Rom und Vater sei,
und blicke ich mich heute um,
so seh' ich manchen unter euch,
der auch schon damals Teil
von dieser Menge war.
Wie kann es sein, so fragte ich,
dass dieser Schildarm, der sein Leben,
dem Wohle Roms gewidmet hat,
auf einmal die Gefahr sein soll?
Für wen?
Für wen Gefahr?
Denn niemand, der im Herzen so wie ich,
in tiefer Liebe Rom die Treue hielt,
der musste Caesar fürchten.
Doch jene machten es mit List,
mit lang erdachten Plänen,
und da mein Wort ich ihnen gab,
so bin ich daran gebunden.
Bürger Roms I: Wir sind es nicht.
Antonius: Für meines Caesars Erbe habe ich
zum Rest davon geschwiegen.
Bürger Roms II: Wir schweigen nicht.
Antonius: Ich sagte nicht, dass dieses Blut auf heil'gem Boden
nach Rache schreit
und dass nur die Gewalt,
das Feuer und das Schwert
die rechten Mittel seien,
um diese Tat den Tätern zu vergelten.
Ich sagte nicht, dass diesem meinem Volk,
dem jene Heuchler seinen Vater nahmen,
der kleine Frieden niemals reichen kann.
Wie sollte er?
Wie müssten wir uns schämen?
(Er macht eine kleine Pause.)
Dann wären auch wir Verräter.
So bat ich aus, dass ich die Rede,
auf diesen meinen besten toten Freund
nicht im Senat und vor den Augen seiner Mörder,
sondern im Kreise seiner liebsten Kinder,
dem Volke Roms, und unter freiem Himmel halten kann,
dass ich hier zu euch sprechen werde.
Bürger Roms I: Sag uns, was wir tun sollen.
Antonius: Ich werde nicht beginnen, Taten aufzuzählen,
die jeder kennt, denn was mein Caesar tat,
das konnte jeder sehen.
Sein Weg war von Beginn an stets gerade.
Und jeder weiß:
Sein Leben schenkte er dem Wohle Roms
und jede Schlacht und jeder Fußbreit Boden,
die Heldentaten, die dem Reiche dienten,
sie bleiben unvergessen.
Wer könnte das je ändern?
Wohl wird der Tag einst kommen, wenn auch wir
den eigenen Verlust beweinen dürfen
und wenn wir die Geschichten miteinander teilen,
die kleinen Dinge, die man sonst zu schnell vergisst,
die Fingerzeige, die sein Leben
im Großen wie im Kleinen gab,
doch jetzt ist nicht die Zeit für solche Worte:
Noch atmen seine Mörder.
(Er macht eine Pause.)
Sie alle hatten Angst vor dieser meiner Rede,
sie wollten sie verhindern;
sie spürten wohl,
dass jeder, der sein Herz
am rechten Flecken trägt,
sich vor Empörung winden muss,
dass niemand ruhig bleiben wird,
wenn still und heimlich Caesars Mörder,
die Stadt bereits verlassen.
(Es kommt Bewegung in die Menge. Einige verlassen den Platz.)
Ich spreche hier im Herz von Rom zu meinem Volk
als einer unter vielen,
ich kann nicht, nein, ich darf nicht fort,
mich bindet mein Gelübde,
mein Schwert darf ich nicht ziehen
und nicht den Krieg befehlen,
doch kenn' ich euch und hatte nicht den kleinsten Zweifel,
dass ihr, wenn ihr das Blut und all die Stiche seht,
dass ihr dann fühlt, was ich im Herzen fühle.
So frage ich als Bürger Roms,
als einer unter Vielen:
Versteht ihr mich, könnt ihr das Feuer riechen?
Bürger Roms: Wir riechen es.
Aus dem Hintergrund hört man Schreie.
Antonius: Und einer von euch Kindern Roms,
der fragte mich gerade:
Was soll'n wir tun?
Nun frage ich zurück:
Wisst ihr es nicht?
Wie könnt ihr es nicht wissen?
Bürger Roms: Wir wissen es.
Antonius: So nehme die Geschichte endlich ihren Lauf.
(blickt über die Menge, die sich in verschiedene Richtungen zerstreut;
aus dem Hintergrund hört man Schreie und das Bersten von Holz.)
Nun kann ich freier atmen.