Wer zum Teufel ist er überhaupt?
Text
von Alex
Die Mauer ist kalt, der Beton bröckelt. Milo sitzt trotzdem drauf, als wär’s sein Thron. Kippe im Mundwinkel, Blick ins Nichts, Gedanken zu laut, um sie runterzuschlucken.
Kian liegt unten auf der Matratze ohne Bezug, Dose in der Hand, starrt an die Decke. Es tropft irgendwo.
„Er meinte, ich sei für ihn besonders“, sagt er, dann kurz Stille. „Besonders gut, verarscht zu werden wahrscheinlich.“
Ein Lachen, trocken wie Asche. „Und dann war ich zu viel. Plötzlich zu laut, zu sensibel, zu echt.“
Der Wind pfeift durch zerbrochene Fenster. Irgendwo klappert Blech. Die Decke hat Löcher, die Wände schreien in Farbe. Paletten, Matratzen, zwei Zahnbürsten in ’nem Becher, der mal Senf war. Kein Zuhause – aber ihrs.
„Ich hab ihm alles gegeben“, sagt Kian. „Nicht Geschenke, nicht Gedichte. Mich. Komplett.“
Milo trinkt, nickt. Kein Kommentar. Muss er auch nicht.
„Und er hat sich genommen, was er konnte“, fährt Kian fort. „Ist gegangen, als ich aufgehört hab, ihm den Spiegel gerade zu halten.“
Milo steht auf, tritt gegen den Rahmen vom alten Bettgestell.
„Weißt du, was das Schlimmste ist?“
Kian schaut hoch.
„Nicht, dass er gegangen ist. Sondern, dass du geglaubt hast, er war besser als du.“
"Hmm.. Ich hab ihm Texte geschrieben, Digga. Hab ihm vorgelesen, wenn er verkatert war. Und er hat seinen verdreckten Pullover hier gelassen, als würde es was bedeuten. Wahrscheinlich einfach nur, weil Waschsalon zu treuer für ihn war."
Da liegt der Hoodie. Noch immer auf dem Boden. Kaputter Reißverschluss. Riecht nach Rauch, Bier und der Art Nähe, die nur echt wirkt, wenn man es sich ganz fest einbildet.
Milo spuckt Richtung Fenster. „Junge, wer zum Teufel war der überhaupt?
„Einer, der nie wusste, was’s heißt, zu bleiben.“ Kurz zuckt Kian zusammen, und fragt sich, ob Milo sauer auf ihn ist. Aber nein. Milos Anspannung fühlt sich anders an.
Sie rauchen. Keine Worte mehr nötig. Nur das Knacken der Glut, das Tropfen irgendwo hinter der Wand. Das Haus atmet mit ihnen. Kein Strom, kein warmes Wasser – aber ein Blick, der sagt: Ich halt dich, wenn du fällst. Und das reicht.
„Ich dachte, ich bin schwer zu lieben“, sagt Kian leise.
Milo grinst, zeigt seine Zahnlücke.
„Du bist nicht schwer zu lieben. Man kann dich nicht besitzen. Du bist schwer zu fassen. Manchmal fällt es mir schwer, dich zu verstehen. Aber dich zu lieben? Das ist leicht.“
Er muss es nicht aussprechen. Kians Blick sagt: Ich hab’s gehört.