Bubble Trouble: Der Bart, der canceln wollte

Erzählung

von  Isensee

X. Glattrasiert. Gereizt. Gefährlich.

Im Bezirk roch es nach Aufbruch – und nach Bartöl. Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich verändert: Wer keinen Bart hatte, wurde höflich, aber bestimmt gebeten, sich „wenigstens innerlich zu befransen“. Bartfreie wurden aus Gremien gedrängt. Die Polizei? Umbenannt in „Wachstumsschutz“.

Janosh, inzwischen bekannt als "Der Glattrasierte" oder "Der Nassrasierer von Moabit", war nicht nur politisch isoliert – auch sein Friseursalon war zur Geisterbar geworden. Die einzigen Kunden waren heimlich Enttäuschte, die sich unter falschem Namen waxen ließen. Der Widerstand lebte – aber leise.


XI. Operation Stoppelsturm

Janosh organisierte eine Untergrundgruppe. Sie nannte sich:
„Die Schaumfront“
Mitglieder:

  • eine ehemalige Kosmetikerin mit Guerilla-Training,

  • ein übermotivierter Smoothie-Blogger mit Rasurzwang,

  • ein Ex-Bartträger, der schwor, nie wieder Gesichtspullover zu tragen.

Der Plan? Den Bart live in einer Bezirksversammlung zu enttarnen – als das, was er war: eine haarige Manifestation kollektiver Faulheit, dekoriert mit Marx-Zitaten und Patchouli-Geruch.

Die Waffe?
Ein umgebauter Trockenrasierer, versteckt in einem Flakon mit dem Duft „Postironie No. 5“.


XII. Das Attentat (aka die Rasur des Jahrhunderts)

Die Bezirksversammlung lief.
Der Bart sprach gerade über die geplante „Bartpflicht ab Klasse 9“.
Janosh schlich sich durch die Reihen, als scheinbar verirrter Vape-Influencer.
Er kam näher.
Ein Zischen.
Ein Blitz.
Ein Kratzen.

Und dann: NICHTS.

Der Bart war weg.

Die Sitzung verstummte. Alle starrten auf das enthaarte Nichts, das einmal Meinungsträger, Bezirksrat, Popstar der Postmoderne gewesen war.

Und dann kam das Schlimmste.
Das wirklich Schlimme:
Der Bart sprach weiter.
Unsichtbar.

„Du kannst Haare entfernen, Janosh,
aber nie das, was sich im Haar manifestierte.
Ich bin nicht Bart. Ich bin Bedarf. Ich bin Projektionsfläche.
Ich bin du, Janosh. Nur konsequenter.“


XIII. Die Auflösung in Schaum

Am nächsten Morgen war ganz Berlin glattrasiert.
Aus Angst?
Aus Solidarität?
Oder, wie eine alternative Zeitung schrieb:

„Vielleicht war es einfach nur mal wieder Zeit für eine Pause.“

Der Bart verschwand.
Nicht in Rauch.
In Stille.
In Vergessen.

Janosh wurde Lokalheld – für einen Monat. Dann eröffnete ein TikTok-Hipster in Neukölln einen Salon namens „Der letzte Schnurrbart“.
Zwei Wochen später: ausgebucht bis 2027.


XIV. Epilog: Der Bart im Exil

Man sagt, der Bart lebe nun in einem portugiesischen Küstendorf.
Er mache Podcasts.
Über Haare, Macht und die fragile Grenze zwischen Style und Sekte.

Janosh?
Er rasiert weiter.
Leise.
Konsequent.
Mit einem Grinsen, das sagt:

„Ich weiß, dass du zurückkommst. Und ich habe einen neuen Scherkopf gekauft.“


ENDE – oder auch nicht.

Denn: Wo Menschen sind, ist Meinung.
Und wo Meinung ist, wächst irgendwann ein Bart.



Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 uwesch (26.04.25, 16:14)
Köstlich bärtig :) LG Uwe
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: