Die alte Frau Pf. wohnte in meinem Elternhaus eine Etage über uns im ersten Stock. Ihr Mann war längst verstorben und ihr Sohn besuchte sie bisweilen aus Husum. Seine Mutter erzählte uns häufig, sie würde gern Knäckebrot mit Tomatenmark essen und wir wurden nicht hellhörig. Vielleicht auch deswegen, weil meine Eltern, was das Essen anbetraf, gelinde gesagt ziemlich sparsam agierten. Wir kamen auch nicht darauf, dass sie vielleicht Hunger haben könnte, weil sie uns jedesmal, wenn wir sie trafen, mit einem Redeschwall begrüßte, ja geradezu überflutete. Sie erzählte uns vom Bariton-Sänger Dietrich Fischer-Dieskau, dessen Gesang sie so sehr schätzte und liebte. Und dann noch von Katja Mann, der Ehefrau von Thomas Mann, mit der sie einen regen Briefwechsel pflegte. Sie war früher einmal Lehrerin gewesen und sang uns öfter mal Arien vor. Nachdem sie gestorben war, erbte meine Mutter von ihr einen alten Schreibtisch und einen großen Spiegel mit Mermorplattenfuß, den ich dann bekam. Ich halte ihn sehr in Ehren. Er heißt jetzt “Frau PF.-Spiegel”.
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