Letale Umstände

Satire zum Thema Erbe/ Testament

von  loslosch

Media vita in morte sumus (Kirchenlatein des 15. Jh.). Mitten im Leben sind wir im Tode.

Ein alter lateinischer Text, wohl aus dem 8./9. Jh. stammend. Von Martin Luther (1483 bis 1546) textlich erweitert und nun als christliches Kirchenlied in beiden Konfessionen sehr verbreitet mit nur geringen Abweichungen in der Wortfolge. In der katholischen Variante heißt der Eingangsvers: "Mitten in dem Leben sind wir vom Tod umfangen ..." Die evangelische Fassung beginnt so: "Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen ..." (in der Altfassung nach Luther). Ein schwermütiges Lied, als wäre es im Moll-Ton komponiert. Gleichwohl passt der Dur-Ton ausgezeichnet (so-so-la-ti-do-do-ti-la-ti-do-re-la-so-fa-mi).

Es begab sich vor Jahren, dass eine hochbetagte Dame, mit 500.000 DM nicht gerade reich begütert, aber finanziell auskömmlich abgesichert, für alle sichtbar in geistigen Niedergang fiel. Das elektrisierte einen Teil ihrer Verwandtschaft. Insbesondere die ferne katholische Enkeltochter entdeckte bei sich ein emotionales Hingezogensein, und sie entfaltete urplötzlich rege Reise- und Besuchstätigkeit. Nur unter Mühen und mit Hilfe der Gerichte vermochte der gesetzliche Alleinerbe den Status eines Betreuers zu behaupten. Als die alte Dame dem Treiben durch ihren plötzlichen und für sie erlösenden Tod ein Ende setzte, fand sich in der öffentlichen Todesanzeige folgendes Zitat:

"Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen (M. Luther)."

Auf private Nachfrage, ob der Alleinerbe auf den allzeit lauernden Tod auch bei jüngeren Zeitgenossen habe anspielen wollen, antwortete dieser: Gut beobachtet.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (28.01.12)
Ich denke (wieder einmal), die interessante Fabel (2. Teil) sollte etwas ausführlicher und noch pointierter erzählt werden - dann ist es richtig gut. t. t. Ulius

 loslosch meinte dazu am 28.01.12:
... [einerseits] etwas ausführlicher ... [andererseits] ... noch pointierter ...

das muss kein widerspruch sein. offenbar beziehst du es auf unterschiedliche elemente des 2. teils. auf welche im einzelnen? ich kopiere mal einen teil meines rekomms von vorgestern ("wechselseitiges vergessen"):

*

"coram publico: ich war der alleinerbe. potentielle nacherbin verschwor sich mit einer verwandten familienrichterin, die im zuständigen provinzgericht ihr "segensreiches" wirken entfaltete. eine demente alte dame erhielt phasenweise lebhaften besuch. zuletzt war meine mutter nicht mehr in der lage, mich über die besuche korrekt zu unterrichten. heute muss ich darüber lachen. es war damals zum WEINEN ..."

*

ich hätte keine hemmungen, die story in der story (amtsrichterin mischt sich hinterhältig ein) auszumalen, aber die gefahr besteht, dass querelles allemandes keine breite öffentlichkeit interessieren. winziges detail: zunächst wurde in der betreuungssache 2003 mir ein amtlicher betreuer vor die nase gesetzt. der wirklich freundliche herr von der caritas erklärte mir nach meinem gewonnenen prozess vor dem landgericht, es kämen nun betreuungskosten der caritas von etwa 300 € auf mich zu. interessanterweise hat die caritas mir nie eine rechnung geschrieben. haben diese ewig geldknappen menschen auf 300 € verzichtet? Nein! sie kriegen in familienstreitigkeiten regelmäßig vom amtsgericht lukrative betreuungssachen "angetragen". hier gab es wohl (nicht beweisbar) ein signal vom amtsgericht: leute, lasst den fanatiker loslosch unbehelligt. er zieht uns sonst in den dreck. wir bieten weiterhin unsere "guten dienste", zuführung von betreuungsfällen. tja, levantinischer teppichhandel ...
t.t. lothar

 Bergmann antwortete darauf am 28.01.12:
Es ist bei mir so - ich habe (als Leser) die Übergänge gern ausführlicher, das ist alles.
geldknappen - fast schon ein Wortspiel... Schön dargelegte anekdotische Geschichte.
t. t. Ulius

 loslosch schrieb daraufhin am 28.01.12:
ach ja: geld-knappen, diese ritter in spe damals. war mir gar nicht bewusst.

 ViktorVanHynthersin (28.01.12)
Lieber Tod, hörte ich gestern meine Nachbarin zu einem Besucher an der Tür sagen, wenn es ihnen keine Umstände macht, kommen sie einfach ein anderes mal wieder. Heute ist Grossreinemachen angesagt. Bedaure!
Herzliche Grüße
Viktor

 loslosch äußerte darauf am 28.01.12:
ich las mal bei wanda (kolumne sonntags) den alten heesters-witz: hannes öffnet nach dem klingeln die haustür. dort steht gevatter tod. er ruft ins haus hinein: simone, ich glaub, es ist für dich! lo

 EkkehartMittelberg (28.01.12)
Der Alleinerbe war sehr schlagfertig, er ist es noch. Eine hilfreiche Eigenschaft, auch wenn die Bedrohung statt durch den Tod nur aus alltäglicher Missgunst besteht.
Ekki

 loslosch ergänzte dazu am 28.01.12:
jawohl. und ist es immer noch, ekki. jeder kämpft an der - je verschiedenen - front der missgunst. das muss ich noch schnell loswerden: die mit mir verwandte familienrichterin ist mit dem höchsten hessischen richter am verwaltungsgerichtshof in kassel verheiratet. der ebenso liebens- wie bedauernswerte gatte erhielt damals von mir einen ausführlichen bericht. den er nie beantwortet hat - verständlicherweise. dort hats bestimmt "gewummt". t.t. lo
ichbinelvis1951 (64)
(28.01.12)
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 loslosch meinte dazu am 28.01.12:
das war wieder mal ein konvolut von dir, lieber klaus. mein text war ebenfalls ein konvolut. wozu eine mischpoke in der lage ist, weiß man auch in bayern, oder? danke vielmals. lothar
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