Ist doch sowieso alles egal

Text

von  Nuna

Wenn Du angemeldet wärst, könntest Du Dir diesen Text jetzt auch anhören...



Es ist dunkel, kalt und neblig. Das Geräusch von Schuhen auf dem Asphalt verraten Schritte, die näher kommen, ganz langsam und vorsichtig.

"Wer mag das sein?" Ich stehe inmitten der Brücke, nah am Geländer und bin hin und hergerissen von der Angst des näher kommenden und der Angst den Sprung zu wagen.

"Soll ich kurz vorher springen?, damit ich es endlich hinter mir habe? Dann würde aber auch die Chance bestehen gerettet zu werden. "


Oder sollte ich warten bis sich die Schritte wieder entfernen? Das wäre konsequent. Denn ich will doch Schluß machen mit diesem sinnlosen Leben auf dieser nicht mehr zu rettenden Erde. Ich will doch gar nicht gerettet werden"....

jetzt werde ich wütent: " Warum muss denn gerade jetzt jemand kommen? Ich war doch schon soweit, hatte doch schon all meinen Mut und meine Hoffnungslosigkeit aufgebracht, hatte doch schon ein Bein über dem Geländer baumeln."

Die Schritte waren jetzt ganz nah. " Hau schon ab", denke ich bei mir.

****Stille****

" Nun spring schon ", raunt hinter mir eine tiefe Stimme.

" Lass mich in Ruhe, ich springe wann ich will", dabei drehe ich mich ruckartig um.

Doch da war niemand.

Nun war ich raus. Heute ist wohl doch kein guter Tag zum Sterben und ausserdem ist mit mittlerweile eiskalt geworden. Ich friere.

Jetzt ein heisser Punsch am Kamin, der wird mir gut tun. Dann könnte ich ja auch noch den spannenden Krimi zu Ende lesen. Dann hab ich ja noch..., dann wollte ich ja schon immer mal...., Gedanken versunken gehe ich nach Hause.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Augustus (10.06.25, 13:04)
Eine subtile Einsicht verbirgt der Text. Wenn der Tod genauso egal ist wie eine Fernsehsendung oder ein zubereiteter warmer Punch, wird er auf eine Ebene mit den Dingen in der Welt qualitativ gleichgesetzt. So ein Mensch, mit dieser Denkweise, begeht keinen Suizid. 

Der echte Suizident sieht im Tod jedoch die qualitative Aufwertung seines Daseins. All der Leben verzehrenden Leere, die jegliche Empfindungen nicht egal, sondern wertlos macht, weil sie durch eine Diktatur des depressiven Herrschaftssystems systematisch unterdrückt werden, kann mit einer einzigen Entscheidung die Herrschaft der Leere beendet werden. Hier will die Depression ewig herrschen und ist bereit alle anderen (positiven) Gefühle zu töten. Mit welchen Waffen, mit welchen propagandistischen Botschaften sie dagegen vorgeht, das Leben an sich zu negieren, ist Gegenstand vieler Forschungen. 

Kommentar geändert am 10.06.2025 um 13:07 Uhr

 niemand (10.06.25, 15:46)
@ Nuna
Ich finde Du hast eine schöne Vorlesestimme. Irgendwie jedoch anders, als man sich diese von einer etwas äleren Person vorstellt. Mehr so in Richtung: Junges Mädchen. Dazu passt auch die sich im Laufe des Textes breiter machende Trotzreaktion [da ist meiner Meinung nach fast zu viel Trotz um aus dem Leben zu scheiden, da klingt viel zu viel vom natürlichen Widerstand in der Stimme]
dennoch ist das für mich richtig, weil eben noch nicht mit allem abgeschlossen.
Ein Suizidant klingt nicht dermaßen kräftig. Der müsste müde, fast kraftlos klingen, tut das hier aber nicht. Dennoch oder grade deshalb finde ich das Ganze sehr gelungen. Mit liebem Grüß, Irene

 Graeculus meinte dazu am 10.06.25 um 15:52:
Das empfinde auch ich so: Die Stimme klingt jung, zu jung, um müde und suizidal zu sein. Im Grunde ist das aber auch gut so!

 EkkehartMittelberg (11.06.25, 10:23)
Hallo Nuna,

der Text zeigt plausibel, dass auch zum Suizid Bereite ihren Überlebenswillen unterschätzen.

LG
Ekki

 S4SCH4 (11.06.25, 10:44)
Hallo Nuna, 

zum Text: es ist ein schmaler Grat, auf dem man mit solchen Gedanken steht und das Gewicht der Gedanken neigt sich vor und zurück. Das ist gut eingefangen. Gleichgewicht und nicht unachtsam werden und für einen Moment mal den Halt verlieren bzw. ihn vergessen. Aber weg mit den lehrhaften Kommentaren, für die sich der Text auch anböte. Viel wichtiger:
Die mögliche und subtile Verlogenheit von Selbstmordgedanken kommt mir sehr gut rüber. Vor allem: Das Egale, diese Hilflosigkeit, etwas das im Gewand schöner Gedanken am Schluss des Textes kommt, als prinzipielle „ein und dieselbe Wurzel“ zum hingebungsvollem Leben, finde ich überaus klasse gemacht. 

Ich finde den Text super!

Beklemmend, spannend und so nahegehend. Die Grenze zwischen „freiwilligem“ Leben und Tod kam mir selten so „lebhaft“ aufbereitet vor.

Die Vorlesestimme habe ich nicht gehört, vielleicht hole ich es nach. Für den Moment bin ich erstmal vom reinen Text geflasht.


Danke Dir und Grüße
Sascha

 diestelzie (13.06.25, 23:29)
Da könnte ich ja auch noch...

Für mich ist das der wichtigste Satz im Text. Solche Gedanken retten Leben. 
Super gut gelesen. 👍 

Liebe Grüße 
Kerstin ☀️
Zur Zeit online: