Gegenschlag
Verstand vs. Irrsinn
Eine archivierte Kolumne von Melodia
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Bei den Teufeln zur Beichte
Eigentlich sollte man meinen, dass Menschen im 21. Jahrhundert nicht auf brutales Gebaren aus Zeiten zurückgreifen, in denen sich vermummte Sarazenen und in Metall gewandete Christen auf den religiösen Schlachtfeldern des Vorwands niedermetzelten. Zugegeben, es lassen sich leider gewissen Parallelen erkennen. Auch heute noch dient die Religion oft als Grundausrede für Gewalt und die Verteidigung dagegen soll die vermeintliche Zerstörung der westlichen Werte, sprich Kapitalismus, verhindern. Ja, auch Götter entwickeln sich.
Blickt man nun auf den jüngst erschienen Bericht über die CIA-Foltermethoden zwischen 2001 und 2009 im Zuge der Ereignisse vom 11.September 2001, erhält man ein recht gutes Bild von dieser „Verteidigung“. Der 525seitige Bericht veranlasst den Leser mindestens zu ständigem Kopfschütteln und Fluchen (den ganzen Text kann man hier lesen: CIA-Folterbericht). Zusammenfassen kann man ihn wie folgt: Die CIA hat US-Regierungsinstanzen belogen, Informationen über Geschehnisse und Methoden zurückgehalten und grausamste Mittel eingesetzt, um an etwaige Informationen zu gelangen. Wenn Waterboarding noch die harmloseste Foltermethode ist, kann man sich sicher sein, dass das Mittelalter wieder eingeläutet wurde.
Dreitägiger Schlafentzug im Stehen, teils trotz Fußgelenkbrüchen, die von Schlägen herrührten, Drohungen den Familien zu schaden bzw. die Frauen zu missbrauchen, Eiswasserbäder, Elektroschocks und rektale „Fütterungen“. Die Menschheit hat sich verloren. Der „Drahtzieher“ vom 9/11 Khalid Sheikh Mohammed wurde bereits nach wenigen Minuten bei seinem ersten Verhör gefoltert. Insgesamt wurde er 183 Mal dem Waterboarding ausgesetzt und sollte sein Leben lang ohne Verurteilung interniert bleiben. Und ich setze das Wort Drahtzieher deshalb in Anführungsstriche, weil ich erhebliche Zweifel an der offiziellen Darstellung habe und die Anschläge für einen Inside Job halte (wer Interesse hat - nicht alles logisch, aber mal ein anderer Blickwinkel: Loose Change). Zumindest lassen sich auch hier Parallelen zu einem anderen historischen Geschehnis finden: Der Reichstagsbrand von 1933. Ja, die Täterfrage ist ungeklärt, aber: Ein Monument der Macht des Landes wird zerstört und als Grund für Repressalien und Machterweiterung missbraucht. Damals Inhaftierung von politischen Gegners und Gleichschaltung, 2001 Homeland Securtiy und Patriot Act. Natürlich alles nur Verschwörungstheorie. An dieser Stelle möchte ich den großen Dieter Hildebrandt zitieren: Sie sollten sich bewusst sein, dass ihr Verstand allerhöchstens die Hälfte der vermuteten Tragweite erfassen kann.
Die Foltermethoden wurden jedoch nicht einfach irgendwoher übernommen. Die CIA engagierte dafür extra zwei Militärpsychologen, die sich diese perfiden Praktiken ausdachten und teils auch persönlich anwandten. Das bestätigt nur im grausamen Ausmaß meine Theorie, dass jeder der Psychologe wird, selbst einen Knacks hat. Ihre Namen sind mittlerweile bekannt: James Mitchell und Bruce Jessen. Vielleicht dachte die CIA irgendwann, sich die Hände schon genug schmutzig gemacht zu haben, oder man wollte den logischen, kapitalistischen, nächsten Schritt machen: Denn ab 2005 wurde das Folterprogramm outgesourct. Und zwar an die Privatfirma der beiden besagten Psychologen! Diese Firma (Mitchell Jessen & Associates) verdiente mit ihrer „Arbeit“ über 81 Millionen Dollar. Ja, tatsächlich wurde hier das Böse mit westlichen Werten bekämpft.
Aber da die beiden Männer sich weder mit Sprache und Kultur auskennen, noch sonst irgendwelche relevanten Kenntnisse über al-Qaida oder etwaige andere Organisationen haben, brauchten sie Personal. Übrigens keine allzu seltene Methode in der US-Diplomatie. Erst diesen November wurden neue Botschafter für Ungarn und Argentinien ernannt. Mit den Ländern haben sie nichts am Hut, aber die Millionenspenden in Obamas Wahlkampf helfen auf der Karriereleiter. Jedenfalls muss sich die Firma wohl die Crème de la Crème der gewalttätigen Psychopathen mit ans Bord geholt haben, um die Drecksarbeit zu erledigen. Und damit müssen Mitchell und Jessen sich ja auskennen.
Doch trotz all dieser veröffentlichen grausamen Details gibt es in den USA einige Stimmen die der Meinung sind, dass sowohl die Inhaftierungen als auch die Methoden zur Informationsbeschaffung vollkommen gerechtfertigt und erfolgreich waren bzw. behaupten es gab nie Folter. Darunter so Menschenfreunde wie der damalige CIA-Direktor George Tenet und der Ex-Verteidigungsminister Dick Cheney. Selbstverständlich beharrt auch die wandelnde Vakuumglocke George Bush darauf, dass Folter das einzige Mittel sei, um Anschläge zu verhindern, da man die erlangten Informationen für Gegenmaßnahmen verwenden könne. Mal abgesehen davon, dass diese Worte von dem Mann stammen, der 2007 öffentlich im Fernsehen sagte, es gäbe keine Folterungen von Gefangenen, obwohl er mindestens seit einem Jahr Kenntnis davon hatte. Aber das Beste: Marionette Bush wollte laut Bericht nicht wissen, wo sich diese Gefangenenlager befinden; aus Angst die Standorte ausplaudern zu können. Eine gute Selbsteinschätzung hat er mittlerweile. Mein Name ist Bush, ich weiß von nichts!
Aber lassen wir mal die verbalen Ergüsse dieser Politikamöben beiseite. Ist Angst vor einem nicht greifbaren Feind ein Grund für Foltermethoden? Zumal wir nicht erst seit dem Bericht wissen, dass Menschen unter Qualen alle möglichen Falschaussagen machen, in der Hoffnung weitere Schmerzen von sich zu wenden. Von den 119 erwähnten Gefangenen waren mindestens 26 unschuldig inhaftiert. Einige sind unter den Foltermethoden auch gestorben. Alles zur Wohle der Sicherheit. Was sind da schon einige Menschenleben? Zumal die USA in dieser Hinsicht ohnehin flexibel sind, denn das Leben der eigenen Staatsbürger ist (zumindest im Ausland, wenn ich z.B. an Detroit denke) mehr Wert als das Anderer. Die 2% Erfolgsquote der Drohnenangriffe in Pakistan ist hierfür nur ein Beispiel. Der Rest sind Kollateralschäden. Irgendwie hatte ich beim Lesen ständig diese Szene im Kopf: Mel Brooks - The Spanish Inquisition. Nur leider ohne die bewusste Satire.
Wen verwundert es da, dass die Regierungen von Ländern wie Nordkorea und der Volksrepublik China den Bericht zur eigenen Propaganda ausnutzen, spielen sich die USA doch stets als moralische Weltinstanz auf. Da kann man die Genugtuung verstehen, auch wenn ich mich an deren Stelle nicht zu weit aus dem Fenster lehnen würde. Obama erklärte umgehend, dass solche Methoden nie wieder Verwendung finden würden; dass diese dem Ansehen des Landes geschadete hätten und ohnehin nicht den Werten der USA entsprechen würden. Ich glaube ihm sogar und dass ein solcher Bericht erstellt wurde ist wichtig und richtig!
Allerdings frage ich mich in der Hinsicht wieder, weshalb die Justiz nicht schon nach dem Abu-Ghuraib-Folterskandal 2004 erste Schritte unternommen hat? Oder nach dem Berichten über das Militärgefängnis Bagram 2005? Warum ist Guantanamo noch immer nicht geschlossen? Weshalb wurden die Namen aller Folterknechte im aktuellen Report penibel geschwärzt, während John Kiriakou, der diese barbarischen Methoden als erster veröffentlichte, im Gefängnis sitzt? Übrigens als erster CIA-Agent überhaupt! Warum wurden von den 6.700 Seiten des Berichts nicht mal 10% publiziert? Sind tatsächlich fünf Jahre notwendig, um zu erkennen, dass da irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging? Aber die Mühlen der US-Justiz mahlen langsam und in manchen Fällen - man denke beispielsweise an die momentanen Ereignisse in Ferguson - auch gar nicht.
Der Foltermeister Mitchell wurde übrigens in Florida von Journalisten aufgespürt. Lebt in seinem Ruhestand mit ein paar Millionen. Und da meinte er doch tatsächlich sich auf die Pressefragen echauffieren zu müssen: „Warum können Sie mich nicht in Ruhe lassen?“
Ich fände es schön, wenn die Reporter seine Adresse preisgeben würden und wir alle wechseln uns dann stündlich ab sein Haus mit lauter Musik zu beschallen und mit Suchscheinwerfern zu beleuchten. Und daraufhin laden wir alle Folteropfer ein und lassen ihn diese seine Frage selbst beantworten.
Meine Menschlichkeit kennt auch Grenzen.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Dein unterkühlter Stil bringt die Ungeheuerlichkeit der teuflischen Handlungen noch mehr zu Bewusstsein.
(17.12.14)
@Graeculus: An die Nürnberger Prozesse hatte ich auch gedacht. Und man findet leider noch unzählige andere Beispiele in der Geschichte der USA... Vietnamkrieg eingeschlossen... Agent Orange und Napalm... heute sind es es eben Uranmunition und Streubomben. Während des Vietnamkrieges wurden übrigens Kugeln entwickelt die im Körper des Feines zerplatzen. Dann ist es auch fast egal wo du getroffen wirst...
(22.07.15)
LG