Dienstags bei Inge

Ansichten übers Leben und Sterben und den Rest dazwischen


Eine archivierte Kolumne von  IngeWrobel

Dienstag, 23. Juni 2009, 00:13
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Vorurteile

Vorurteile sind eine nützliche Sache – sie können im Alltag hilfreich sein, oft sogar Schlimmes verhüten. Das Wort „Vorurteil“ ist zwar primär negativ besetzt, aber das liegt beim jeweiligen Anwender. Ich lebe mit positiven und negativen Vorurteilen gleichermaßen.

Vor Jahren hatte ich folgendes Erlebnis: In den Bus, in dem ich saß, stieg in Begleitung seiner Mutter ein etwa 6jähriger Junge ein. Nach wenigen Minuten setzte der Knirps sich neben mich, und begann ein Gespräch mit mir. Ein oder zwei Stationen weiter stieg ein Farbiger zu und setzte sich auf einen entfernten Platz. Mein junger Nachbar machte ein bedeutendes Gesicht und belehrte mich sogleich über diesen neuen Mitfahrer: „Des isch e Buebe!“ Der Ton und die Mimik ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass ein „Buebe“ ein schlechter, ein schlimmer Mensch ist, dem man mit größter Vorsicht begegnen sollte. Am besten wäre es wohl, solche Menschen zu meiden, ihnen aus dem Wege zu gehen. Ich fragte den Jungen, ob er den Mann kenne. Nein, das tat er nicht, aber…….
Ich lebte zu der Zeit in einer kleinen Gemeinde, wo die Bewohner mit „Seelen“ bezeichnet werden, in einem Dorf also, mit wohl nicht mal 300 Seelen. Auch der Junge kam von dort; der ausländisch aussehende Mann wohl aus dem nächsten kleinen Kaff auf dem Weg in die Stadt. Es ist anzunehmen, dass der Junge diesen Farbigen jetzt zum ersten Mal sah. Aber er hatte dieses negative Vorurteil wegen des Aussehens. Ich bin mir sicher, dass das Vorurteil vom Elternhaus übernommen wurde, denn in der Gegend hat ein Kind kaum Gelegenheit, solchen „Exoten“ persönlich zu begegnen, mit ihnen zu sprechen. Blonde Frauen wie mich gab es sicher schon öfter im kurzen Leben dieses Kindes, und die waren ihm wohl bisher nur freundlich begegnet, sodass es keinen Grund gab, ein negatives Vorurteil gegen mich zu haben. Die Zutraulichkeit beweist mir sogar das Gegenteil: mit solchen Frauen hatten bisher weder der Junge, noch seine Familie schlechte Erfahrungen gemacht.

Vorurteile basieren auf Erfahrungen – selbst gemachten oder vermittelten. Unser Gedächtnis prägt sich zu der Erfahrung das Gesicht dessen ein, mit dem wir diese Erfahrung gemacht haben. Wenn ich nach langer Zeit einen Menschen wiedersehe, der mir schonmal begegnet ist, mit dem ich schon „zu tun hatte“, laufen Erkennungsmechanismen in Sekundenbruchteilen vor meinem inneren Auge ab. Noch bevor mir der Name einfällt oder die Situation bewusst wird und ich mich erinnere, weiß ich, ob diese Erfahrung mit positiven oder negativen Gefühlen für mich verbunden ist. Mein Vorurteil signalisiert mir Wiedersehensfreude oder ein reserviertes Verhalten dem Getroffenen gegenüber.

Unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler gleichermaßen, brauchten ihr eigenes oder das Gedächtnis der Sippe zum Überleben. Eine Pflanze, nach deren Genuss es den Menschen schlecht ging, wurde fortan gemieden. Und Tiere, die den Menschen nicht scheuten, sondern attackierten, wurden nur in Zeiten großer Hungersnot gejagt.

Gegen negative Vorurteile im menschlichen Miteinander ist nur schwer anzukommen, wenn sie einem begegnen. Sind es die eigenen, so sollte man sie sorgsam daraufhin prüfen, ob dieser eine Mensch wirklich so schnell in der Schublade verschwinden muss. Vielleicht ist er ja die berühmte Ausnahme?
Und dann gibt es ja auch noch die Möglichkeit, dass der „Urauslöser“ für unsere Voreingenommenheit die Ausnahme war…….
Wenn Sie jetzt ins Grübeln geraten sind, betrachte ich das als Erfolg.
Ich wünsche noch eine positive tolerante Woche.

PS: Begegne ich offensichtlichem negativem Vorurteil gegen mich, fühle ich mich einfach nicht persönlich betroffen. Das ist dann nicht mein Problem.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Maya_Gähler (23.06.09)
Ein heikles Thema... und wem ist dies nicht schon passiert... obwohl man es sich sooooooooooo vornahm keine Vorurteile zu haben... patsch... die Falle schnappt zu und ruckzuck hat man jemanden bewertet...

ist nicht immer so einfach, wie man es gerne hätte...
schön, hast du dich mit diesem Thema auseinandergesetzt...
Liebe Grüsse
Gudrun
wupperzeit (58)
(24.06.09)
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