KLICKS UND CLIQUEN
Synthesen + Analysen in der Matrix
Eine Kolumne von Bergmann
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Kaiserplatz
Generalprobe in Bonn auf einem leicht abschüssigen Baugrundstück im Zentrum der Stadt. Stuhlreihen auf trockenem Schlammboden. Ringsum keine Häuser, unbebaute Steppe. Blauer Himmel. Ich bin zur Generalprobe eingeladen, weil ich eine Kritik zu schreiben versprach, komme aber zu spät. Es ist kein Stuhl mehr frei. Die Schauspieler sitzen kostümiert auf den Stühlen. Die freien Plätze in der ersten und zweiten Reihe werden für die Aufführung benötigt. Die Bühne ist ein Fußballtor. Christian P. dirigiert stumm das Spiel. Ich stelle mich an den Rand des Spielfelds zu anderen Schülern, die zuschauen. Schnell komme ich in die Handlung hinein. Die Schüler spielen Figaros Hochzeit und Don Giovanni in einer Collage - als Stummfilm. Immer wieder laufen kleine Gruppen von oben nach unten zum Tor. Aber die Bewegungen verwandeln sich nicht in ein Fußballspiel. Im Zeitlupentempo vollzieht sich der immer wieder sich ändernde Kreislauf einer unverständlichen Choreographie. Ich sehe Zerline und Giovanni, den Garten und ein großes Zimmer im Schloss. Ist Christian der Komtur? Die Aufführung dauert eine Dreiviertelstunde. Am Schluss gerate ich ins Grübeln, ich träume im Traum, ich verschachtele mich mit mir selber und bin erstaunt, wie nach der Probe alles, was passierte, auf meinem Zettel steht.
Während ich lese, was ich nicht wach erlebte, packen die Schüler alles zusammen und gehen in die Innenstadt. Ich folge ihnen, erreiche sie aber nicht. Bald sehe ich auch den letzten nicht mehr. Über den Münsterplatz geht die Autobahn, darunter fährt die Straßenbahn, sie kommt schnell auf mich zu, als ich gerade die Schienen überquere. Ich bleibe mit einem Fuß im Eis der Schiene stecken und kann gerade noch vor dem Wagen zur Seite springen. Jetzt renne ich, Richtung Kaiserplatz, aber ich bleibe allein.
Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag
Interessanter Text.