KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Sonntag, 07. Dezember 2014, 17:54
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Kafka und die DDR

441. Kolumne


Kafka muss die DDR gekannt haben
Die DDR war, als Staat, schon eine Leiche, als sie starb. Die Bemerkungen Ernst Schumachers über die sozialistischen Kulturfunktionäre, die Kafkas Dichtung und Dichtung überhaupt verkannten, sind erstaunlich. Wer mit solchem Geist die Welt beherrschen wollte, musste ja scheitern. Immer deutlicher wird, dass die vielleicht bis Mitte der 70er Jahre diktatorisch Mächtigen der DDR, indem sie andere geistige Positionen nicht mehr mit Stumpf und Stiel ausrotteten (s. die Plenzdorf-Diskussion in SINN UND FORM), früher gescheitert waren, als wir in Ost oder West glaubten. Die DDR war als Raum einer politischen Kultur kalt, seelenlos, unsinnlich; kein Wunder, dass bei einem so großen Mangel an Eros das öffentliche Leben für Denkende unerträglich war, dass der Raum der Kultur zunehmend privater wurde für die in ihm sich eskapistisch Rettenden. Die größte geistige Leistung der letzten Machthaber war es, das Entschlummern ohne letzte Euphorie zuzulassen, sodass es keine Toten gab als die an der Mauer (abgesehen von den seelischen Verlusten in Millionenhöhe in den 40 Jahren des DDR-Regimes).

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Kafka wäre Kommunist geworden,
meinte Eduard Goldstücker. Kann sein, so in Gedanken. Einen Künstler muss die sozialistische Idee ergreifen, denn diese Idee ist ja nur das umformulierte christliche Weltbild mit einer neuen Ästhetik. Politik ist ja im Kern auch Dichtung. Ja, ich bin überzeugt, dass in Kafkas Werk der politische Überbau unserer Welt so drastisch mitgezeigt wird, dass der Leser zu einer Kritik seiner Welt übergehen muss. Allerdings ist Kafka zu resignativ, denn er sieht die Basis unseres Lebens, unser Inneres, nicht in dialektischer Abhängigkeit vom Überbau wie die Marxisten. Trotzdem fühlt sich der Einzelne und seine Psyche wohler, wenn seine Innenwelt in einer humaneren Außenwelt sich schmerzloser entfalten kann.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(23.01.15)
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 EkkehartMittelberg (23.01.15)
Eine spannende Frage, ob Kafka Kommunist geworden wäre. Man kann Teile seines Werks, zum Beispiel den "Process", als Überbau- Spiegelung einer total verwalteten Welt lesen.
Kafka hätte sehr schnell kapiert, wie die DDR funktioniert. Aber er hätte wahrscheinlich entsetzlich in ihr gelitten.
Graeculus (69)
(23.01.15)
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 Dieter_Rotmund (23.01.15)
Keine schlechte Idee.

Demnächst: Dickens in der Ukraine, Hemingway in Disneyland und Jane Austen auf dem Jakobsweg...
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