Tagsüber [und abends?]

Alltagsgedicht

von  apocalyptica


Tagsüber lebt sie in einer Welt aus Stahl
aus grauem Beton und aus kaltweißen Wänden
Nur dort in ihrem Fenster schwebt ein Kristall
Sie wünscht sich, es möge Botschaften senden
immer dann, wenn sich das Licht
funkelnd und schimmernd darin bricht

Und abends schaltet sie ihr Radio ein
lauscht all den alten Liedern
bei einem Glas Wein

Tagsüber steht sie ganz allein ihren Mann
ist ständig bemüht, keine Fehler zu machen
Nur manchmal schaut sie den Kristalltropfen an
und schenkt ihm zaghaft ein ganz leises Lachen
immer dann, wenn er zart schwingt
und tausend Farben zum Tanzen bringt

Und abends zündet sie ein Teelicht an
schaut traurig in die Flamme
erwärmt sich daran

Tagsüber spendet das Kristall ihr oft Kraft
als einziger Farbtupfer in einer Welt
in der sie für sich und ihre Kinder schafft
weil niemand sonst sie am Leben erhält
Doch manchmal fühlt sie Kristalltränen tropfen
die lautlos an ihre Seele klopfen

Und abends holt sie das Album hervor
voller Sehnsucht nach ihm
den sie so früh verlor

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Kommentare zu diesem Text

Fabian_Probst (44)
(15.08.06)
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 apocalyptica meinte dazu am 15.08.06:
Ja, lieber Fabian, so ist es. Tagsüber steht man unter Volldampf und gönnt sich nur ganz wenige Momente des Nachdenkens. Aber abends, wenn alles still ist und die Hektik des Tages ist vorüber, dann holen dich die Gedanken wieder ein. Ich freu mich, dass ich die Stimmung einfangen und rüberbringen konnte.
Liebe Grüße,
die -bea
Tatzen (28)
(15.08.06)
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 apocalyptica antwortete darauf am 15.08.06:
Ich danke dir, lieber Daniel, für dein Kompliment. Ich spiele gerne mit unterschiedlich langen Strophen, um besondere Betonungen in meine Texte einzubringen, das gleiche gilt für Wiederholungen, die die Aussage verstärken sollen. Und ja, ich halte mich gerne an Bilder, die sich dann wie ein roter Faden durch den gesamten Text ziehen.
Freut mich wirklich, dass dir dieses Gedicht gefällt und dass du die leisen Töne verstanden hast!
Ich grüße dich lieb,
die -bea
Einzigartig (42)
(15.08.06)
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 apocalyptica schrieb daraufhin am 15.08.06:
Hallo Daniel, es stimmt, dass Erinnerungen wunderschön sind, du musst nur so weit kommen, dass du auch wirklich damit umgehen kannst und dass sie dir nicht ständig aufs Neue wehtun.
Ich dank dir lieb für dein Lob und grüß dich in deine Nacht,
die -bea

 Néniel (15.08.06)
mir war beim lesen, als hättest du einige gedanken von mir niedergeschrieben. leise und melancholische töne in deinen zeilen, die nachklingen. und ein klein wenig traurig machen. dennoch ein wunderschönes zartes bild jener traurigkeit. :) deine kleine grüßt dich herzlich. fühl dich umarmt.

 apocalyptica äußerte darauf am 15.08.06:
Guten Abend, kleines Schwesterlein! Nun, es ist wohl so, dass oft das Leben ein einziger Kampf ist, dass man sich dann aber umso mehr auch an kleinen Dingen erfreuen kann, die ein wenig Licht ins Dunkel bringen, und sei es auch nur ein schimmerndes Kristall...
Klar schwingt da die Melancholie mal wieder mit!
Ich dank dir herzlich und umarme dich auch,
deine -bea
steinkreistänzerin (46)
(15.08.06)
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 apocalyptica ergänzte dazu am 15.08.06:
Annette, du Liebe, ich wusste, dass auch du das verstehen würdest! Sicher ist das Gedicht traurig, aber es ist doch irgendwie auch ein Lob an so viele Frauen, die allein erziehende Mütter sind, sich tapfer durchbeißen und so das Leben für sich und ihre Kinder lebenswert machen. Die Aussetzer am Abend, dann, wenn keiner es sieht, kommen dennoch unweigerlich und tun weh...
Ich grüß dich lieb in deine Nacht und schick dir ein wenig Mondenschein, ja?
deine -bea =)
Jellineck (45)
(15.08.06)
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 apocalyptica meinte dazu am 15.08.06:
Hallo du,
ich freu mich, dass auch du einmal bei mir vorbeigeschaut hast und dass dir mein Text auch gefällt. Es ist einfach so, tagsüber kommt man kaum zur Ruhe, kaum zum Überlegen, aber nachts, wenn das Tagewerk "abgearbeitet" ist, kommts oft um so heftiger...
Liebe Grüße in deine Nacht,
die -bea
Deadman (28)
(15.08.06)
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 apocalyptica meinte dazu am 15.08.06:
Ja, wichtig sind diese Momente, in denen man sich an vergangene schöne Zeiten erinnert, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Auch dann, wenn es wehtut, aber das gehört wohl oft dazu.
Und du sgast da was ganz Wichtiges: die "Hauptperson" in meinem Gedicht ist sicherlich kein Einzelfall, und dennoch berührt es mich oft, wenn ich sehe, wie viele Frauen darunter leiden, allein ihre Kinder großziehen zu müssen. Tagsüber sind die Kinder dann im Hort oder bei Pflegeeltern, und die kurzen Momente am Abend vor dem Einschlafen können kaum einen ganzen Tag aufwiegen!
Ich dank dir herzlich für deinen lieben Kommentar und grüß dich in deine Nacht,
die -bea
seelenliebe (52)
(15.08.06)
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 apocalyptica meinte dazu am 15.08.06:
Na, das wusste ich doch, du liebe Seelenschwester! Hab mir schon gedacht, dass du dich darin auch wiederfinden würdest, so geht es uns halt immer wieder. Dann, wenn man eigentlich die Zeit hätte für angenehme Dinge, also zum Seele-baumeln-lassen und so, dann kommt die Wehmut, die Depri-Phase, und dann hängt man wieder einmal so richtig in den Seilen...um am nächsten Tag wieder zu funktionieren...
Und dass du dich bei mir zuhause fühlst, da bin ich richtig ein bisschen stolz drauf, aber du weißt ja, dass du auch ständig von ganzem Herzen willkommen bist, nicht als Gast, sondern als das, was du bist: meine Seelenschwester Anne!
Ich dank dir lieb und grüß dich in deine Nacht,
deine -bea
hüllenlos (29)
(15.08.06)
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 apocalyptica meinte dazu am 16.08.06:
Liebe Nicole, ich danke dir für deinen Kommentar und mach mich dann wohl jetzt mal auf die Suche nach den PUR-lyrics, denn das Lied, das du ansprichst, kenne ich leider nicht...die Idee mit dem Kristall kam mir, als ich abends eine Kerze angezündet habe und das Licht sich in meinem Kristall gebrochen hat...hinzu kamen dann leichte "autobiografische Züge" und schon machte sich der Text eigentlich selbstständig!
Ganz liebe Grüße in deine Nacht,
die -bea

 GillSans (15.08.06)
liebe Bea,
ich hab ja so viel von dir noch nicht gelesen, das sollte ich nachholen....
dieser Text hat mich sowas von berührt....

ich danke dir dafür!
ich weiß ja nicht inwieweit du mit dem text eins bist...hoffe es ist nur ein Text und nicht Leben.

Gruz von der beindruckten Gill.

 apocalyptica meinte dazu am 16.08.06:
Hallo liebe Ines,
eigentlich ist das hier für mich ein Text, der zu mir passt, der wie so oft eine leichte Melancholie oder Traurigkeit mitschwingen lässt. Ich habe mir ja hier schon manches Mal anhören müssen, ich sei zu ernst und würde zu traurige Texte schreiben, aber das bin nun mal ich.
Klar macht es auch Spaß, zwischendurch mal rumzublödeln und auch mal was Lustiges rüberzubringen, aber im Allgemeinen ist das für mich eher selten. Ja, und so ein kleines bisserl Autobiografisches ist eben auch immer mal wieder dabei, aber sicher nicht ausschließlich.
Und wenn du weitere Texte von mir lesen magst, dann freu ich mich natürlich sehr darüber, ich hoffe, du wirst noch den einen oder anderen finden, der dir auch gefällt!
Ich dank dir lieb und grüß dich in deine Nacht,
die -bea =)

 tulpenrot (31.08.06)
Hallo Bea, nun bin ich hier erst mal hängen geblieben beim Lesen deiner Texte- und finde darin vielerlei Bemerkenswertes - aber iegentlihc ist schon alles von meinen Vorrednern gesagt: Ich lobe ebenso die gute Struktur, den Aufbau bzw. mit dem inhalt harmonisierneden Wechsel der Zeilen, das durchgängige Motiv des Kristalls und die fast greifbare Traurigkeit, die man der hauptfigur abspürt. eine Traurigekit, die sich fast nciht einzugestehen traut, aber doch erlebt. Der sie nicht Herr wird, aber der sie sich auch immer wieder aussetzt. Und man erlebt die Tapferkeit der Person mit, die sich ihrer Situation stellt und sich nicht zerbrechen lässt. Un ddie kleinen Freuden genießt: den Wein, die Stille und das Erinnern... Ach so viel ist in deinen Worten drin... Ihc mach einfach mal Schluss. Muss mal sehen,w as mirsonst noch so ins Auge sticht.
Lg tulpenrot

 apocalyptica meinte dazu am 31.08.06:
Ich freu mich unheimlich darüber, dass du meinen Text wirklich so aufmerksam gelesen und nachempfunden hast, nur so ist die exakte Analyse möglich, die du hier vornimmst. Du hast genau erkannt, worum es mir ging, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Neben aller Traurigkeit und der Unmöglichkeit, aus der Tretmühle herauszukommen, gibt es doch immer noch einzelne kleine Lichtblicke, die allem einen Sinn geben. Und eben diese Lichtblicke werden -vielleicht- durch das Kristall vervielfacht...wer weiß das schon...
Hab ganz lieben Dank für deinen tollen Kommentar und die beiden Extraklicks!
Liebe Grüße in deinen Abend,
die -bea
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