Nacht. Auf den Straßen herrsche das Dunkel. Schlaflos, stehe ich am Fenster und schaue in die Schwärze. Die Stadt schläft. Nur ich stehe hier, wie so oft in den letzten Nächten, und starre in die Unbeweglichkeit der sonnenabgewandten Seite. Die glimmende Zigarette taucht die wächserne Maske meines Gesichts in Abständen in ungesundes Rot: Nur ein verglühender Punkt im flackernden, toten Neon der Leuchtreklamen, im fahlen Licht der Straßenlaternen, die die leere Stadt in einen schlecht verkleideten Anschein von Leben tauchen.
Die scharfgleißende Sichel des abnehmenden Mondes im klaren Nachthimmel zaubert bizarre Schatten in die Häuserschluchten und einsamen Parkanlagen, läßt den Schwarzen Mann hinter verfallenen Mauern erahnen. Eigentlich macht das ja die Sonne, deren Licht von einem toten kraterübersäten Steintrabanten reflektiert wird. Kalte Schauer im Frost der Einsamkeit, schimärenhafte Gestalten in der Gewißheit der Isolation.
Meine Gedanken triften ab, wenn ich dort am Fenster stehe und hinausblicke in die Nacht, werden zu Träumen, die davonfliegen und mich zurücklassen, werden zu Schreien, die die Schlachtfelder streifen, die Toten und die Verwundeten, die Asyle und die Verlorenen; Träume, die verstummen lassen, die untergehen im Kettenrasseln, in Motorenbrüllen, zwischen Gewehrfeuer und Granathagel. Das Gesicht, das den Napalmregen spürt aus einem brennenden Himmel. Der Geruch verbrannten Fleisches. Das tödliche Schweigen des Heckenschützen im Heulen der Sirenen. Gedankensplitter jagen durch die Lager und Gefängnisse. Stacheldraht und feuchte Lederfesseln flechten sich um die Flügel einer panischen Fluchtbewegung. Zusammen mit dem Mann in der Zelle, gefangen in seiner Zwangsjacke und seiner grausamen Angst, wahnsinnig zu werden, schleichend, lachend, aus irren Augen heraus nichts mehr sehend. Dann das Kreischen in das Vakuum der Seele. Ich und die Hölle sind eins. Sind wir?
Die Glut der Zigarette verbrennt mich. Es ist noch Nacht, die Welt vor dem Fenster immer noch leer und schwarz. Verwirrt und ängstlich drücke ich die Zigarette im überquellenden Aschenbecher aus. Alles ist an seinem Platz: die Parks, die Straßen, die Nacht, die Stadt. Ein toter Stein wirft sein fahles Licht über die Welt. Ich stehe im Dunkel und starre in die Nacht. Ich bin überrascht: Jeden Tag geht die Sonne wieder auf.