Ein schöner Tag

Kurzgeschichte zum Thema Gesellschaftskritik

von  MrDurden

Und wieder geht ein harter Arbeitstag zu Ende. Langsam und erschöpft schlendere ich durch die Straßen in Richtung Busbahnhof. Endlich, endlich Wochenende. Die Tage zogen sich mal wieder ins Unendliche, wie jede Woche. Jetzt wär ein Kaffee genau das Richtige. Ich mache einen kleinen Umweg zum nicht weit entfernten McDonalds an der Ecke. Ferienbeginn, die Straßen werden zu riesigen Schlagadern und die Menschenmasse fließt wie Blut durch sie hindurch. Satzfetzen drängen sich im Vorbeigehen an meine Ohren. Belanglose Diskussionen über Ladenöffnungszeiten und Änderungen im Busfahrplan hämmern auf mich ein. Ich hasse es, durch die Stadt zu marschieren. Der Kampf durch die pulsierende Menge endet nicht mal als ich am McDonalds ankomme. Die Schlangen winden sich bis hin zur Eingangstür. Ich stelle mich ganz hinten an, zehn Minuten, fünfzehn Minuten, zwanzig Minuten... Nach einer halben Stunde darf ich der Frau an der Kasse endlich meinen Wunsch mitteilen. Sie ist sichtlich entnervt und reißt mir das Geld förmlich aus der Hand. Mit gereizter Stimme und dem bösesten Blick, den mir seit langem ein Mensch zugeworfen hat knallt sie den Kaffee vor mir auf die Theke und wünscht mir noch einen schönen Tag. Wieder draußen, integriert in die Blutbahn meiner Stadt mache ich mich abermals auf den Weg zum Busbahnhof. Manchmal hasse ich sie für ihre Art. Ziellos rennen sie umher, giften sich gegenseitig an. Mütter zerren schimpfend ihre heulenden Töchter und Söhne hinter sich her und verschwinden in der Masse. Sogar auf den Straßen hört man das Piepsen von Hunderten von Kassenscannern. Ich halt das nicht mehr länger aus. Hastig zwenge ich mich durch die Menschentrauben, kann die Haltestelle schon fast sehen. Plötzlich steigen aus einem silbernen Wagen neben mir zwei Männer aus und stellen sich mir in den Weg. Einer von ihnen hält mir seine Brieftasche vors Gesicht. "Guten Tag, Polizeikontrolle, bitte zeigen sie uns mal ihren Ausweis!" Kurz halte ich inne, was zum Teufel wollen die denn jetzt von mir? Ich hole tief Luft und greife in meine Jackentasche. "Hier bitteschön, hab ich irgendetwas getan?" Ohne auf meine Frage zu antworten verschwindet einer der Zivilpolizisten mit meinem Ausweis in seinem Auto und spricht unverständlich leise etwas in ein Funkgerät. Sein Kollege fordert mich auf, ihm meine Tasche zu zeigen und die Arme hochzunehmen. Er durchwühlt meinen Rucksack, findet aber nur Schreibzeug und das übriggebliebene Brot meiner Mittagspause. Dann tastet er mich ab, greift in jede meiner Taschen. "Tragen sie Waffen, Drogen oder andere illegale Sachen bei sich?" Skeptisch blicke ich ihn an, lächle und verneine. Währenddessen steigt der andere Polizist aus dem Wagen, drückt mir meinen Ausweis wieder in die Hand und wünscht mir noch einen schönen Tag. Keine Entschuldigung, kein nettes Wort, nichts. Fassungslos und vollkommen überfordert mit der Situation gehe ich die letzten Meter in Richtung Haltestelle, als ich sehe, wie mein Bus direkt vor meiner Nase davonfährt. Noch fünfzehn Minuten bis der nächste kommt. Ich bleibe stehen, mitten auf der Straße. Langsam löse ich meine geballten Fäuste und schließe die Augen. Tausende Gesichter verschwinden in einem Augenblick. Geistig verschließe ich meine Ohren und tausende Stimmen verstummen. Endlich sind sie alle weg, nur ich und mein Kaffee. Ich nehme einen kräftigen Schluck und genieße den Geschmack, diese wunderbare Ruhe. Für einen Moment vergesse ich alles um mich herum. Die riesige Blutbahn mit ihren vielen tausend Blutkörperchen verstopft und alles was es gibt, in diesem riesigen pulsierenden Organismus bin ich und mein Kaffee. Ich verweile noch einen Augenblick und öffne dann ganz vorsichtig wieder meine Ohren. Tausend Stimmen erschlagen sich gegenseitig, keine hört die andere. Genausogut könnten sie alle schweigen. Meine Augen öffnen sich wieder. Tausend Gesichter überdecken einander, keines davon wird mir in Erinnerung bleiben. Noch eine Minute bis mein Bus fährt. Ich trinke meinen Kaffee aus und werfe den Becher in den Müll. Der Busfahrer öffnet mir die Tür, reißt mir mein Geld aus der Hand und wünscht mir noch einen schönen Tag.


Anmerkung von MrDurden:

Hm, was soll ich da anmerken? Manchmal hasse ich euch einfach

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Kommentare zu diesem Text


 rebell91 (08.04.07)
Also, ich find, des haste gut hinbekommen. Was mir besonders gut gefällt, ist der vergleich mit dem körper, den schlagadern. toll.
lg
rebellin

 MrDurden meinte dazu am 09.04.07:
Dankeschön, freut mich, wenn dir meine kranken Gedankengänge gefallen
LG David

 rebell91 antwortete darauf am 09.04.07:
DAS nennst du krank? dann kennst du meine verkrüppelte psyche nicht gut *ffg*
lg
susi
MellonCollie (24)
(09.04.07)
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 MrDurden schrieb daraufhin am 09.04.07:
Dieses Jahr Weihnachten war bei uns auch ganz schlimm. Es gibt kein weihnachtliches Gefühl mehr. Das einzige woraus man schließen konnte, dass Heiligabend war, waren die unzähligen Lichterketten, die überall rumhingen. Ich war froh als es vorüber war. Schön wenn du dich auch n bissl drüber aufregst Dankeschön für deinen Kommentar!
Liebe Grüße, David

 franky (28.04.07)
Hey lieber David,
das hast du ganz toll geschrieben. vor aufregung habe ich beim lesen am schluß den titel vergessen, der steht ja gänzlich verschreckt dort oben. mußte kurz nachsehn.
so ein tag, so wunderschön...
wünsche dir ein etwas schöneres wochenende.
Franky
Mimi* (22)
(27.01.08)
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 MrDurden äußerte darauf am 01.02.08:
Hey Mimi! Vielen Dank für deinen Kommentar, freut mich wenn dich meine Texte ansprechen! Ein schönes Wochenende wünsch ich dir! Liebe Grüße, David!
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