Die Beugung

Kurzgeschichte zum Thema Beziehung

von  Ganna

Die Beugung

    Was kann ich nur falsch gemacht haben? Mit gesenktem Blick läuft er an mir vorüber, als sähe er mich nicht. Mit was kann ich ihn nur verletzt haben? Habe ich nicht genug auf seine Worte gehört, wie es mir schon so manches mal passierte? Bin ich wieder unaufmerksam gewesen, sind meine Gedanken infolge des Ermüdens vom endlosen passiven Zuhören abgeschweift? Kann es sein, dass mir sein aufmerksamer Blick entgangen ist, dass ich seine mahnende Stimme nicht wahrnahm? Ich will die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal an mir vorüber ziehen lassen.
  Noch beim Frühstück hat er meinen Kaffee gelobt und die knusprige Frische der Croissants. Ja, früh war er gut gelaunt und sprach voller Zuversicht über den bevorstehenden Autoverkauf, hatte er doch endlich einen Kunden für seinen alten Wagen gefunden. Es muss also danach geschehen sein. Auch der Verkauf verlief ohne Zwischenfälle. Selbst als ich ihn zum Mittag rief, erschien er ausgeglichen, las mit Interesse die Zeitung, welche ich ihm reichte, fand einige gute Angebote im Annoncenteil und lobte anschließend meinen Salat, wie er es immer tut. Nein, mittags war noch alles in Ordnung.
  Wie bedrückend es ist, wenn er sich nicht wohl fühlt. Seine Schultern hängen traurig nach unten, seine Mundwinkel auch. Der Kopf ist ihm auf die Brust gefallen, so, als wollte er in sich kriechen vor dieser Welt, welche ihn nicht versteht. Was kann ich nur falsch gemacht haben?
  Er ist zu stolz, zu verletzt, um mit mir darüber zu reden. Nein, lieber trägt er allen Schmerz allein. Dabei bin ich bereit, mit ihm zu teilen. Ja, willig will ich allen Unbill auf mich nehmen, wenn er doch nur wieder glücklich wäre! Was habe ich nur falsch gemacht?
  War es vielleicht, weil ich Zucker auf den Kuchen streute, wo er doch Zucker so verachtet? Hatte er nicht bemerkt, dass der Zucker sich nur auf einem Drittel der Kuchenfläche befand? Ich hätte ihn darauf aufmerksam machen sollen. Ich bin zu nachlässig. Oder war es, weil ich mich vom gemeinsamen Kaffeetrinken zu früh erhob, weil Emilie anrief und ich mit ihr zu lange sprach? Nun ja, es waren fünf Minuten, vielleicht nur drei, aber musste es ihm nicht zu lange erscheinen, wo er da so alleine und verloren am Tisch saß, alleingelassen mit den Kaffeetassen, alleingelassen mit den Kuchenstücken? War es nicht zu rücksichtslos von mir, mich Emilie zuzuwenden, wo er doch meine Aufmerksamkeit so benötigte? Ja, das muss es sein.
  Wie konnte ich nur so nachlässig sein, mich so gedankenlos und egoistisch über seine Bedürfnisse hinwegsetzen? Wo ich doch genau weiß, wie viel ihm an gemeinsamen Mahlzeiten gelegen ist. Wie mache ich es nur wieder gut? Wie oft schon hatte ich mir vorgenommen, nicht wieder solche Zerwürfnisse herbeizuführen. Ja, bei wiederholten Aussprachen habe ich sogar schwören müssen, es nicht nochmals soweit kommen zu lassen. Was habe ich nur getan! Dabei ist es doch wirklich nicht zu viel verlangt. Ja, ich muss sogar zugeben, dass seine Anforderungen, welche er an mich stellt, eher geringer Art und leicht zu erfüllen sind. Glück habe ich mit ihm gehabt, andere Männer sind da ganz anders. Aber nicht einmal diesen geringen Ansprüchen kann ich genügen. Was mache ich nur? Womit kann ich seinen Schmerz nur lindern? Womit kann ich ihm zeigen, was er mir bedeutet, wie sehr doch mein Leben von dem seinen abhängt, wie zeige ich meine Zugehörigkeit zu ihm? Wie zeige ich ihm meine völlige Unterwürfigkeit, meine grenzenlose Untergebenheit?
  Langsam beugt sie sich nach unten, fällt auf die Knie, legt sich auf den Boden, um dann möglichst unauffällig, ja, unauffällig soll es sein, ihm zu Füßen zu rutschen. Mit weit herausgestreckter Zunge leckt sie über seine Hausschuhe.

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Kommentare zu diesem Text


 souldeep (24.06.07)
bis zur hälfte fand ich es schon mehr und mehr beklemmend,
flachatmend fand ich jedoch zwischendurch ab und zu
gedanken, die mich an normale frauen-verrücktmach-kopfkarussells
erinnerten.

aber zuviel ist zuviel.
ein spannender cartoon, irgendwie...

herzlich
kirsten

 Ganna meinte dazu am 27.06.07:
Ja, es ist beklemmend.
Ich wollte auf ein befreiendes Lachen am Ende hinaus und hoffe, dass es bei einigen auch so ankommt.

liebe Gruesse von Ganna
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