Der Spaziergang

Kurzprosa zum Thema Spaziergang

von  Ganna

Wie ein transparenter Schleier hängt Regen vor den Bergen und lässt sie fern und grau erscheinen. Das Tschilpen der Spatzen mischt sich in sein Rauschen, während sich Tropfenfäden von den Dächern herabziehen und eine Melodie auf das leise Flüstern der Blätter legt.
Auf den Straßen bilden sich Rinnsale und Blasen treiben durch Pfützen über den Asphalt, Wasserwellen spülen sich drehend in den Gully.
Ich gehe den Weg hinaus durch die Weinfelder. Auf dem festen Lehm des Weges liegt eine schmierige Schicht, die an meinen Schuhen klebt und mit mir kommt. Die wilden Kirschen sind mit blinkenden Tropfen behängt, die mir in die Ärmel rinnen, während ich sie in den Mund stecke und durch allen Tropfenregen hindurch duftet es süßlich nach Feigen.
Die Häuser haben sich in den Dunst zurückgezogen und aus dem fernen Wald steigt nebliger Wrasen, verdichtet sich zu weißen Fetzen, die langsam die Felsen hochklettern, bis sie im Himmel zerreißen. Der Regen hört auf.
Ich steige über die Schienen des Touristenzuges, der so selten fährt, dass ich ihn erst ein Mal sah und gehe am Fluss entlang, der reines klares Wasser führt, das man trinken kann.  Sein Wasser rutscht schaumschlagend über die Steine, spritzt zischend durch den schmalen Spalt dazwischen, springt durch die Luft und klingt, als könnte es lachen. Mit Wucht fällt es in das dunkle Becken, begrüßt die runden Felsen auf dem Grund und bleibt unsichtbar verschwunden, zugedeckt von sanften Wellen, die den Himmel in sich spiegeln.
Ich klettere über Steine und durch Gestrüpp, bis ich auf eine kleine Insel komme, die sich wie eine Landzunge ins Wasser hinauswagt. Es scheint nicht tief zu sein, so nah ist der Grund, so klar scheinen die Steine nach oben, doch ich weiß es besser.
Hier bin ich von Felsen und Grün unsichtbar geborgen im Herzen des Paradieses, mit mir noch einige Elfen und Engel, die sich darin spiegelnd über das Wasser schweben.
Manchmal stelle ich mir vor, die hohen Steine, die den Ort wie riesige Wächter umstehen, könnten auf mich fallen, um diese Glückseligkeit für sich zu bewahren, damit niemand sie unerkannt beschmutzt. Dann würden die Engel und Elfen meine Seele auf ihren Flügeln betten und mit sich nehmen…und es gäbe nichts, was ich zurücklassen würde.

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (09.02.13)
Ein Spaziergang mit feinstem literarischem Kleid.
Ich habe vom Wasser gekostet - köstlich.
saludos Jorge

 Ganna meinte dazu am 09.02.13:
...danke, Dein Kommentar freut mich...
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