Das Kratzen am Sarg eines Mannes, der nicht tot sein will

Kurzgeschichte zum Thema Isolation

von  RainerMScholz

Illustration zum Text
(von RainerMScholz)
Das Kratzen am Sarg eines Mannes, der nicht tot sein will

Es ist so dunkel. So dunkel. Um mich herum herrscht die strikte und absolute Konsistenz des Schwarzen. Ein seltsam leeres, taubes Gefühl, nicht greifbar, nicht einzuordnen. Es fühlt sich einfach nach nichts an. Es fühlt sich nicht. Ein eigenartiger Eindruck, lange Zeit in die Sonne gesehen zu haben. Wenn aus Licht qualvoll das Gegenteil dessen wird. Und doch, wie hinter geschlossenen Lidern, sehenden Auges keinen Schimmer wahrzunehmen, als sei die Unfähigkeit des Erkennens des Seins das einzige, was existent sei. Ein ewigwährendes Fallen in einen zahnlosen Schlund.
Was krabbelt da meine Beine empor? Das Erschauern eines toten Körpers schlägt Wellen im Universum Gottes. Gott? Was krabbelt da an meinen Beinen empor? Vielleicht werde ich jetzt geholt. Wieviele Beine hat das Ding? Wieviele Beine hat es, um Himmels Willen? Die Köpfe geschlechtsloser Monstren reißen auf wie schwarze Himmel, um mich zu verschlingen.
Ein beständiges hohles Summen läßt das Schwarz vibrieren. Es könnte auch ein Schreien sein. Ein Kreischen. Heulen.
Jetzt sitzt es auf meiner Brust. Ich weiß es, auch wenn ich es nicht wirklich spüre. Denn ich darf nicht. Darf es nicht. Kann nicht. Es starrt mir ins Gesicht. Wenn ich es nicht sehe, sieht es mich auch nicht. Das Ding da auf meiner Brust, das mir den Atem nimmt, mich erstickt mit Grauen, schierer Furcht und erwartungsstarrer Todesangst.
Das Gesetz der schwarzen Sonne. Das Ding will mich. Eine Ausgeburt meiner schrecklichsten Träume. Ich kann nicht schreien. Kein Gott käme mir zu Hilfe. Meine Lippen bleiben geschlossen. Keine Regung des Körpers. Nur das schwarze arachnoide Tier auf meiner Brust, das mir den Atem abschnürt, der mir nicht mehr angehören will. Wieso muß mein Gehirn noch arbeiten? Was ist die Todsünde, die du begangen hast? Denk nach denn also. Was? Ich bin ein Mensch gewesen. Was noch? Was noch? Wird es nie wieder hell werden in der Gruft meiner Seele?
Nur ich und die Monstren meines Todes, den ich schon so oft gestorben bin. Es ist so einsam in meinem Innern. Mein Herz schlägt noch, doch schlägt es allein. Meine Augen können nicht mehr aus ihren Höhlen treten vor Entsetzen, meine Beine haben aufgehört davonzulaufen.
Die Pferde der Sonne reiten über mein Grab. Und leben. Es ist so einsam hier. Aber ich bin nicht allein, denn mein achtbeiniger Freund wird mir Gesellschaft leisten in der ewigen Stunde des Todes.
Denn dein ist das Reich.

© Rainer M. Scholz

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Kommentare zu diesem Text

The_black_Death (31)
(11.06.07)
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 RainerMScholz meinte dazu am 11.06.07:
Immer wieder gerne, Schwarzer Tod.
Grüße,
R.
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