Januar
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Dezember

Kurzgeschichte zum Thema Liebe, lieben

von  Rebekka


Das Christkind und die Liebe

oder
Der Muff

Weihnachtsmärkte fand sie schön.
Sie liebte es, einfach entlang zu schlendern. Die Gerüche zu genießen, kitschige Weihnachtsgesänge zu hören und die ganzen hübschen Dinge zu sehen.
Es war kalt und ihr Hände froren.
Sie hob sie vor den Mund und hauchte hinein. Weiße Wolkchen bildeten sich in der Luft.
Sie trug keine Handschuhe, die mochte sie nicht. Handschuhe raubten ihr ihren Tastsinn. Da dann doch lieber kalte Hände.
Sie kam an das Häuschen mit den Räuchermännchen.
Sie lächelte.
Sie mochte die Räuchermännchen. Bei ihrer Oma war in der Adventzeit immer eines am paffen.
Sie sahen so niedlich aus, mit ihren kleinen Pfeifen und dicken Bäuchen. Vor allem der Spielzeugverkäufer hatte es ihr angetan. Ihre Eltern fanden den „Gestank“ grässlich, und eigentlich musste sie ihnen zustimmen.
Eigentlich.
Denn trotzdem: sie verband den Rauch der Holzmännchen immer mit Erinnerungen an unbeschwertere Tage. An ihre Kindheit vielleicht.
Mein Gott, war sie aber heute nostalgisch.
Am Stand mit den Puppen ging sie vorbei ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Für Puppen hatte sie noch nie etwas übrig gehabt. Die größte Katastrophe war das Weihnachten gewesen, an dem sie als 9-Jährige unter dem Weihnachtsbaum eine Baby Born gefunden hatte.
Heulend war sie in ihr Zimmer gerannt.
Die nächste Bude verkaufte Mützen, Schals und Handschuhe.
Und – sie traute ihren Augen kaum: einen Muff.
Einen wunderbaren, flauschigen Muff aus schwarzer, warmer Wolle.
Muffs hatten sie schon immer fasziniert: nicht nur das Wort hatte es ihr angetan, was so alt und gemütlich daher kam, sondern auch die Möglichkeit, warme Hände ganz ohne Handschuhe zu haben.
Gedankenverloren strich sie über die weiche Wolle.
„Möchten Sie das Kaufen?“
„Nein, nein danke, ich geh schon“
Mit einem letzten Blick legte sie ihn wieder zurück und schlenderte weiter.
Was war heut nur mit ihr los? Ihre seltsam nostalgisch-wehmütige Stimmung war noch stärker geworden.
Sie lehnte sich an das Geländer vor der großen Krippe, direkt neben Melchior, der dem Stern folgend jeden Tag ein Stück näher rückte.
Ihr Blick schweifte zum Stall: Die Krippe war natürlich noch leer. Erst in vier Tagen würde sie das Kind beherbergen. Das Christkind.
Wie sehr sie damals daran geglaubt hatte. So überzeugt war sie gewesen. Das Christkind bringt die Geschenke.
Sie hatte niemand getraut zu erzählen was sie sich wünschte. Es war ein bisschen albern und sie wollte nicht ausgelacht werden.
Außerdem war das ja egal. Denn das Christkind wusste schon so, was sie sich wünschte.
Das Christkind wusste schließlich alles.
Wie gutgläubig sie gewesen war. Voller Erwartungen war sie ins Zimmer gelaufen, fest der Überzeugung zu wissen was sie finden würde: einen Muff.
Stattdessen: Das einzige, was sie sich nie im Leben gewünscht hätte. Die Puppe.
Sie konnte sich noch gut erinnern. An die Enttäuschung. An die Wut. An das Gefühl, belogen worden zu sein.
Von da an wusste sie nicht nur, dass es kein Christkind gab. Ihr wurde auch klar, wie schnell man getäuscht wird und dass Überzeugungen sich als Illusionen herausstellen.
Sie wurde zur Zweiflerin.
Ja, dachte sie. Sie zweifelt viel. Aber das ist auch richtig so. Wer kann schon wissen was stimmt und was nicht, was Realität und was Illusion ist.
Wer weiß. Vielleicht ist das bei der Liebe genauso. Woher sollte sie wissen, ob es sie gibt?
Sie war überzeugt davon. Aber das war sie damals auch gewesen.
Und überhaupt. Alle reden zwar von ihr, aber stimmen muss es deswegen noch lange nicht.
Sie liebt ihn.
Denkt sie. Glaubt sie. Aber stimmt das?
Und wenn ja… was ist mit ihm?
Liebt er sie auch?
Oder ist wahre Liebe das gleiche wie das Christkind: eine schöne Geschichte für Gutgläubige und naive Kinde?

Nächster Tag
*riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing*
Die Schulglocke schellt. Sie packt ihre Tasche und zieht ihre Jacke an.
Letzter Schultag, jetzt sind Ferien: Sie verabschiedet sich von Freunden. Man wünscht sich frohe Weihnachten. Und natürlich einen guten Rutsch.
Vorsorglich. Falls man sich nicht mehr sieht, in diesem Jahr.
Ihn sieht sie nirgends.
Ein bisschen enttäuscht macht sie sich auf den Heimweg.
Zu Fuß, sie hat es ja nicht weit.
Wütend tritt sie gegen einen Kieselstein, der weiterrollt und auf der Wiese liegen bleibt.
Dabei kann er gar nichts dafür.
Sie ist sauer auf sich selbst.
Sauer, dass sie sich immer noch Hoffnungen macht. Immer noch daran glaubt.
Wie kindisch.
Als ob er sich verabschieden würde.
Als ob es das Christkind geben würde.
Da hört sie hinter sich eine Stimme, die ihren Namen ruft. Verwundert bleibt sie stehen und dreht sich um.
Und sieht ihn.
Keuchend bleibt er vor ihr stehen.
„Warte… warte kurz. Ich … ich wollte mich noch verabschieden… aber … der Müller hat mal wieder überzogen…“
„Kein Problem“ Sie ist baff.
„Also.. ähm. Ich hab da eine Kleinigkeit… für dich. Frohe Weihnachten“
Er reicht ihr ein genauso unordentlich wie liebevoll verpacktes Päckchen.
Sie muss lächeln, der große Bastler ist er noch nie gewesen, das weiß sie.
„Aber… ich … gar nichts für dich…kann… doch… nicht annehmen …das …doch… nicht nötig…. “ Sie stammelt.
„Ich weiß, es ist nicht nötig. Und ich erwarte doch gar nichts von dir. Ich wollte dir nur eine kleine Freude machen. Bitte, mach es auf.“ Ein bisschen unsicher sieht er aus, wie er da steht. Und beinah bittend schaut er sie an.
Als sie das Packet öffnet, stockt ihr der Atem.
„Ich weiß nicht ob es dir gefällt… aber ich dachte sofort an dich, als ich ihn sah…. weil du ja keine Handschuhe magst….“
Sie streicht zärtlich über die weiche Wolle des Muffs.
„Er ist wunderschön.“
Sie hebt den Kopf und sieht ihm in die Augen.
Ja, es gibt sie, wird ihr klar, während ihre Lippen sanft die seinen berühren.
Es gibt sie, die Liebe, genauso wie es das Christkind gibt.

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Kommentare zu diesem Text

Tierra (28)
(10.09.07)
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 Rebekka meinte dazu am 10.09.07:
Danke Sandra,
ich freue mich dass es dir gefällt... "niedlich" ist eine schöne Beschreibung *smile*
und bei dem wetter kommt meine Weihnachtsvorfreude schon früher als sonst ;)
lg Rebekka
merian (34)
(14.01.08)
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 Rebekka antwortete darauf am 29.01.08:
danke merian für deinen Kommentar,
freut mich, dass die mein Projekt gefällt... aufgegeben habe ich es nicht... nur aufgeschoben...;)
Leider fühle ich mich im Moment gar in romantischer Stimmung, deshalb werd ich noch ein bisschen warten, bis ich mich an die nächsten geschichten mache, im Moment würden die allle eher depressiv werden ;) (liebeskummer)
und genau das sollen sie ja nicht.
Aber dank deinem Ansporn werd ich mich demnächst mal wieder in meiner Traumwelt kramen und mal ein paar romantische Gedanken verarbeiten... =)

danke nochmal für den Kommentar,
lg Rebekka
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