Wiedersehen

Kurzgeschichte zum Thema Vergänglichkeit

von  Rebekka

Samstag, kurz vor sechs: Rush-hour in der Fußgängerzone. All die Menschen mit ihrem Wochenendeinkäufen; keine Zeit, immer weiter, schnell, schnell, wer stehen bleibt hat verloren.
Es kam wie’s kommen musste: Der Mann wurde von einem Kinderwagen und hinzugehöriger Kampffahrerin gezwungen in Sicherheit zu springen. Dabei stieß er mit der Frau zusammen, die es gewagt hatte, sich im Menschenstrom eine kurze Verschnaufpause zu gönnen.
Die Frau stolperte, aber bevor sie fiel packte er sie am Handgelenk. Während sie ihre Tasche aufhob, entschuldigte er sich.
Und dann kam dieser Moment.
Diese paar Sekunden, die die beiden brauchten, einander in die Augen zu blicken.
Dieser Augenblick des Erkennens.
Was sagt man in solchen Momenten?
Wahrscheinlich etwas wie „Das gibt’s doch nicht!“ oder „Unglaublich, wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen.“.
Meistens noch mit unnatürlich lauter und schriller Stimme.
Die beiden taten nichts dergleichen.
Sie blickten sich nur sprachlos an, registrierten erstmal gründlich alle Spuren, die die Zeit so hinterlassen hatte.
Es war der Mann, der das Schweigen brach: „Komm, lass uns was trinken gehen.“ Und das taten sie.
Das kleine Café kannten sie noch von früher. Es schien sich kaum was verändert zu haben.
Sie redeten lange. Lachten viel. Und tranken auch mal schweigen ihren Kaffee. Eines dieser angenehmen, gemeinsamen Schweigen.
Es war wie früher - und doch ganz anders.
Sie sprachen über die „guten alten Zeiten“, über alte Freunde, verhasste Lehrer, gemeinsame Erlebnisse. Über die Wochenenden, die Partys, die DVD-Abende.
Sie sprachen nicht über das Jetzt.
Wozu auch?
Auch wenn er zugegeben hätte, dass kein Tag vergangen war, an dem er nicht an sie gedacht hatte; auch wenn sie ihm von ihren Träumen berichtet hätte, in dem sie jede Nacht ihren ersten und einzigen Kuss wieder durchlebte....
Es hätte nichts geändert.
Der goldene Ring an seiner Hand sprach genauso für sich wie ihr stark gewölbter Bauch.

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