Suchtleiden

Innerer Monolog zum Thema Ironie

von  tastifix

Was Drogen sind, wissen wir alle. Der Alkohol zum Beispiel ist eine vielgeliebte Droge. Zunächst reisen dessen Stamm-Fans in den achtzehnten Himmel. Dann aber rächt sich dieser Ausflug in jene herrliche Schwerelosigkeit plus der dort hängenden Geigen. Die Verehrer des köstlichen Gesöffs finden sich stockbetrunken unterm Tisch wieder oder, wenn sie viel Glück haben, kommen sie erst im eigenen Bett wieder zur Besinnung.
"Wo bin ich? Au, mein Kopf!"
Sie starten den verzweifelten und meist von Misserfolg gekrönten Versuch, ihn wenigstens mal probeweise um dreißig Zentimeter aus dem Kissen zu heben. Irgendwie wiegt der aber Zentner und sie lassen es lieber bleiben. Ein zweites Mal würde mit Depressionen enden.

Ich kenne eine Droge, die mindestens genau so gefährlich ist. Wissen Sie, wie ich mich fühle, wenn ich eine Geschichte schreiben möchte und da ist keine?
Mir fällt im Stehen keine ein, im Sitzen auch nicht, in der Waschküche vor Jonathan, meiner Waschmaschine, erst recht nicht und das, obwohl ich zu ihm ein extra enges Verhältnis pflege. Nein, Jonathan zeigt sich biestig und dröhnt mir nur die Ohren voll. Klar könnte ich allein darüber schon ne Menge schreiben, nur würde es mit Sicherheit niemanden interessieren. Zunehmend rappeliger laufe ich treppauf, treppab und rufe nach ihr, der bestimmt mehr als wunderbaren Eingebung, die mich dann in den neunzehnten Himmel der Schreibkunst katapultierte.

Ohne Erfolg. Ich raufe mir die Haare, komme leider am großen Dielenspiegel vorbei, sehe meine frustrierte Miene, strecke mir die Zunge heraus und meine so extrem geistreich:
"Bääh!"
´Bääh`gibt mir endlich eine denn ganz anders geartete Eingebung ein.
"Geh`nach draußen. Das Leben dort ist voller Geschichten!"
"Wie gut, dass ich mich ángebääht`habe!", mache ich mich erleichtert auf den Weg.
Leider ist es noch früh am Morgen. Ich treffe keinen einzigen Menschen, noch nicht einmal Hundebesitzer und Vögel höre ich auch nicht. Kaum zu fassen eigentlich. Sind die denn neuerdings Langschläfer?

Da sehe ich eine niedliche Gänseblume vor mir.
"Das wäre doch etwas!", geht es mir durch den Kopf. "Einen Geschichte über diese Mini-Sonnen."
Doch ebenfalls ein Schuss in den Ofen, denn mein Gedächtnis macht mich hämisch auf etwas aufmerksam:
"Sag`mal, wie oft willste denn nooch über die schreiben!?"
Ich klappe innerlich zusammen wie ein Taschenmesser und halte dazu lieber meine Kl... ,ääh, meinen Mund. Doch immerhin reißt mich jene so liebevolle Bemerkung dieser ja doch enorm wichtigen Gehirnfunktion aus dem Selbstmitleid.

Ich wende mich an mein Unbewusstes, jene, wie von Sigmund Freud festgestellt, ausgesprochen wichtige Komponente fürs seelische Gleichgewicht. Vielleicht wartet ja dort eine überaus geniale Idee sehnlich darauf, endlich ins Bewusstsein beordert zu werden. Fehlanzeige! Heute hat sich anscheinend alles gegen mich verschworen. Ich ziehe ein Gesicht, als ob ich in Zitrone pur gebissen hätte. In mir tobt eine solche Wut wegen meiner Einfallslosigkeit beruhend auf der Untreue von Unbewusstem, Bewusstsein und auch dem Über-Ego, dass ich abrupt den Ausflug abbreche und gen Heimat schleiche.
"Geschichte, Geschiichte ... Ich will eine Geschichte!!", hämmert es in mir hartnäckig.

Mit dem Vorsatz, heute keine weiteren diesbezüglichen Bemühungen mehr zu starten, betrete ich mein Haus. Gerade stehe ich auf der untersten Treppenstufe, da passiert es. Offensichtlich hat mein Unbewusstes Mitleid mit mir, hat Bewusstsein und Über-Ego noch zusätzlich zu sich selber auf Trapp gebracht.
"Wie wäre es denn, du schriebest eine Geschichte darüber, dass dir keine Geschichte einfällt!"
Mit Tränen in den Augen sinke ich in die Knie, nehme alle gedachten Vorwürfe gegenüber den Dreien zurück und bin endlich wieder glücklich.

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Kommentare zu diesem Text


 Sonnenaufgang (26.09.07)
alles mit einem augenzwinkern der ironie, liebe gaby.
dir fällt schnell etwas ein. weißt du noch das treffen in dortmund, bei der s-bahn. da sprach mich jemand an, meinte doch glatt, er würde mich kennen. war aber nicht so.
gibt ja auch doppelgänger, nicht wahr? jedenfalls meintest du dann:" daraus könnte man glatt eine geschichte schreiben"

oh du gaby, spätestens am wochenende, vielleicht auch schon morgen bist du von deinem suchtleiden erlöst.
ein prima text.
lieben gruss von feli

 tastifix meinte dazu am 27.09.07:
Liebe Feli!

Wir haben gerade noch kurz darüber gesprochen. Ja, ich glaube, in vielen meiner Texte findet man Ironisches. Ich denke, das gehört einfach zu mir dazu.

Mal abwarten, vielleicht fällt mir zu dieser Episode in Dortmund tatsächlich etwas ein, griinns.

Ganz lieben Gruß
Deine Gaby
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