22. September … in una calle muy tranquila *

Tagebuch

von  Raggiodisole

22. September … in una calle muy tranquila *


* Anm. der Red.: in einer ruhigen Seitenstraße

Als wir gestern gegen 21 Uhr ins Zimmer kamen, haben die Franzosen schon geschlafen. Rücksichtsvoll verzichteten wir auf das abendliche Zähen putzen und verzogen uns leise in unsere Schlafsäcke.Um6:45 Uhr werde ich wach und da auch Gitti nicht mehr schläft stehen wir beide auf und packen leise unsere Rucksäcke. Als ich meine Stöcke nehmen will, rutscht mir einer aus der Hand und fällt gegen den Heizkörper, was natürlich ein unschönes, lautes Geräusch ergibt. Mein leise gemurmeltes „Sorry, Entschuldigung“ geht in einem wüsten Geschimpfe eines der Franzosen über, dessen Wortlaut ich hier nicht wiederholen will, da es ein Vokabular aus der Jauchengrube war (wie ich immer sag, wenn meine Schüler unschön schimpfen). Zuerst bin ich ganz baff, weil so was hat noch nie ein Mensch zu mir gesagt, aber dann hab ich zurück gemotzt und ihm – ganz unfein, ich weiß – genau dasselbe gewünscht, was er mir gewünscht hat. Sollten doch einige der Vorurteile über Franzosen wahr sein?*zwinker*

Wir stürzen aus dem Zimmer und besorgen uns erst einmal Frühstück, Automatenkaffee und altbackenes Baguette und ab auf die Piste. Die geht heute bergauf und bergab, aber wir sind gut unterwegs.

Aals wir nach Viana hineingehen beginnt es zu regnen und es erfolgt die übliche Prozedur. Der Regen hält uns aber nicht davon ab, in einem Gschäftl Nachschub zu bunkern und dann  sprinten wir in die nächstgelegene Bar. Das Angebot an Essbaren ist nicht gerade vielfältig, also speisen wir Ölsardinen mit Baguette und trinken caffè con leche dazu. Da der Regen immer stärker wird, flüchten auch die Einheimischen in die Bar und bald ist sie gerammelt voll mit Männern, die uns aufmerksam betrachten. Gitti und ich müssen nämlich weiter, da unser Tagesziel Logrono heißt, und wir packen schon mal die Regenhosen aus. Am Nebentisch sitzen vier ältere Herren, die anscheinend nicht glauben können, dass wir bei diesem Sauwetter wirklich weiter gehen wollen. Grinsend nach außen deutend geben sie uns zu verstehen, dass wir besser das Ende des Regens abwarten sollten. Aber wir ziehen das Ding durch, die Regenhosen an und winken den Herrn in der Bar lachend zu. Adios y hasta luogo! Und schon sind wir draußen. Aus der Stadt heraus auf einen lehmigen, aufgeweichten, gatschigen Weg. Nach 2 Minuten sind die Schuhe um mindestens einen Kilo schwerer, weil der Gatsch auf den Sohlen picken bleibt und in der Regenhose schwitzt man auch nicht schlecht. Aber wenigstens wird der Weg stellenweise besser und kurz vor Logrono hört es auch zu regnen auf.

Dona Felipe, die die Pilger vor Logrono in Empfang nimmt, fragen wir, ob sie uns eine preiswerte Pension empfehlen kann , weil wir heute unbedingt Ruhe brauchen und ein Zimmer wollen. Sie erzählt uns, dass heute zwar Fiesta in Logrono sei und sicher alles ausgebucht, aber sie hätte da so ihre Beziehungen. Und tatsächlich reichte ein kurzes Telefonat, um uns ein Doppelzimmer in einer calle muy tranquila – also in einer ruhigen Seitenstraße -  zu sichern. Nachdem sie uns auch noch den Weg zur Pension auf einem Plan einzeichnet stapfen wir los nach Logrono hinein.

Die Straßen sind voll mit Menschen und Gitti meint, ob wir nicht doch besser in die Herberge am Stadtrand gehen sollten, da sei es sicher ruhiger. Aber irgendwie schalte ich auf stur, ich will nicht mehr weiter. Und die Pension liegt wirklich in einer schmalen Seitenstraße, ein Fleischer, ein Bäcker und ein paar Bars. Wird schon nicht so schlimm werden, zumal die Menschenmassen alle Richtung Plaza ziehen.

Das Zimmer ist nett und wir genießen die Ruhe, duschen und pflegen uns und trocknen unsere Sachen. So gegen 20 Uhr, inzwischen ist der Lärm von untern herauf( unser Zimmer liegt im 5. Stock) ein wenig lauter geworden, begeben wir uns auf die Suche nach einer Bar, weil uns schon der Hunger plagt. Und schon sind wir mitten im Geschehen.

Fiesta di  San Mateo, das heißt Weinfest in Logrono. Die Straße gerammelt voll mit Menschen, und man hat sogar Mühe in einer Bar einen freien Tisch zu ergattern. Pollo und patatas bravas haben dennoch gut geschmeckt und wir suchen auch noch das „Cafè Ibiza“, da wollen wir morgen nämlich frühstücken. Auf dem Heimweg gönnen wir uns noch ein Eis und dann kämpfen wir uns in unserer „calle muy tranquilo“ durch die Menge zu unserer Pension. Unser Zimmer liegt im 5. Stock und von unten herauf summt es wie in einem Bienenkorb, obwohl wir beide schon Ohropax genommen haben.
Und ich hab ein schlechtes Gewissen.

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