10. Oktober : Where have all the fotos gone ...?

Tagebuch

von  Raggiodisole

Wir hätten beinahe verschlafen …
Die drei französischen Frauen, die gestern Abend noch zu uns ins Zimmer gekommen sind, waren am Morgen so was von rücksichtsvoll, das ist mir auf meinem ganzen Camino nie passiert. Ich hab nur gehört, wie sie ihre Rucksäcke aus dem Zimmer gebracht haben und dann eine Frau noch mal zurück gekommen ist und – sich entschuldigend - mit der Taschenlampe in der Hand davon überzeugt hat, dass sie nichts vergessen hätten.
Zum Glück habe wir die drei noch in der Bar beim Frühstück angetroffen, und wir konnten uns für soviel Rücksichtnahme bei ihnen bedanken.
A pros pos Bar – es lief das Wetterpanorama auf  3sat – die herrliche „heimische“ Bergwelt und Blasmusi, wie nett.

Der Weg begann im Nebel. Nebel, Nebel, nichts als Nebel, dabei soll die Landschaft so schön sein. Aber davon konnten wir uns erst so ab 11 Uhr selber überzeugen. Da heben wir dann in Rente eine Pause eingelegt und Kaffee getrunken, der aber nicht unbedingt das Highlight auf dem Camino war.
Irgendwie hab ich das Gefühl  dass wir heute aber sehr gut vorankommen, trotz des Nebels am Morgen, der meinen Bronchien sehr zugesetzt hat.
So quasi „pseudo oim eim eini“ ging es heute fast den ganzen Tag. Teilweise auf fiesen „Riesensteinewegen“. Die zweite Pause legen wir in der Bar in Morgade ein. Der Kaffee war wunderbar und die Tarta Santiago ein Traum.
Hier überholt uns auch eine Gruppe Jugendlicher, so zwischen 16 und 18 Jahren.
Einige Mädchen humpeln schon ziemlich und auch der eine oder andere Bursch schaut nicht mehr sehr fit aus.
Seit Sarria steht fast jeden Kilometer ein Stein und zeigt die Entfernung nach Santiago an. Aber irgendwie scheint das nicht ganz zu stimmen, manche Angaben wiederholen sich und dann hat man wieder das Gefühl, man ist sicher mehr gelaufen als die Distanz zwischen zwei Steinen.
Heute haben wir auch ein paar Mal zwei ältere deutsche Frauen in Begleitung eines Mannes getroffen. Gitti hat gemeint, er sei sicher ihr Guide. Die Damen hatten nämlich nur kleine, fast leere Rucksäcke dabei und der Mann hat sich um alles gekümmert. Er hat ihre Wasserflaschen aufgefüllt, ihnen den Kaffee gebracht, den Müll entsorgt und kulturhistorische Vorträge gehalten.
Der Weg nach Portomarin hinein ist ein Kapitel für sich. Steil bergab die letzten paar hundert Meter und dann kommt man zur elendslangen (300 m) Brücke, die das angestaute Flüsschen Mino überquert. 1960 wurde der Fluss gestaut und das Dorf versank in den Fluten. Nur die Kirche hat man abgetragen und im neuen Dorf wieder aufgebaut.

Der Stausee führt fast kein Wasser und man sieht noch die Überreste des alten Dorfes. Der Wind pfeift einem ganz schön um die Ohren, wenn man über die Brücke geht und ich geh leicht verkrampft zwischen dem Brückengeländer und der Leitplanke, die den schmale Fußgängerweg von der Fahrbahn trennt. Müssen die da vor mir jetzt auch noch stehenbleiben und ein Foto machen?
Ich bin froh als ich drüben bin und als wir dann auch noch die 48 steilen Stufen erklommen haben, steuern wir sofort die Herberge an.
Dort sehe ich einen PC mit Steckmöglichkeit für die verschiedensten Speicherkarten und nach dem Duschen schau ich mal schnell meine Fotos an.
Groß ist der Schreck, als ich den Ordner öffne und nur Fotos bis León darin gespeichert finde. Wo sind all die Fotos, die ich ab León gemacht habe? Weg, nix, nada. Ich bin den Tränen nahe. Warum hab ich in Astroga und Ponferrada nicht nachschauen lassen, ob die Kamera noch Fotos macht. War die Speicherkarte schon voll gewesen? Warum hab ich die Speicherkarte, die ich mir in Astorga gekauft habe nicht sofort eingelegt?  Ich könnte mir die Haare raufen oder sonst was tun.
Gitti versucht mich zu trösten, aber ich bin wütend auf mich selber und der Hunger ist mir vergangen. Trotzdem begleite ich Gitti in den Supermercado und dann zum Essen in ein nettes Restaurant.
Aber dann zisch ich zurück ins Albergue und setz mich noch mal an den PC. Es kann, nein es darf nicht sein, dass die Fotos einfach weg sind. Vielleicht kann ich wenigstens die Fotos, die da sind per email nachhause schicken, damit wenigstens die nicht auch noch verloren gehen. Ich probiere hin und her, aber es funktioniert nicht. Dafür öffnet sich auf einmal ein neuer Ordner – der Himmel weiß, welche Taste ich da unabsichtlich und nicht wissend gedrückt habe – und darin befanden sich die Fotos, die ich ab León gemacht habe.
Dem Himmel sei Dank!!! Ich überprüfe noch mindestens dreimal, ob die Fotos auch wirklich auf der Speicherkarte sind. Dann verstaue ich sie in den Tiefen meines Rucksackes und lege die neue Speicherkarte ein. Das sollte jetzt bis Santiago reichen…… hoffentlich !!!

Illustration zum Text
(von Raggiodisole)
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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(01.01.17)
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