Mensch in der Ferne,
langsam finden meine Finger zu den Worten.
Nur die Inhalte haben sich verflossen, wie die Tinte, auf den Briefen, die ich Dir zu Deinen Reisen nachgeschickt habe. Sepiafarben, mit jenem blassen Schimmer, den alte Worte mit alten Gefühlen teilen. Verblasst, verwunden, mit einem alten Mullverband überdeckt, der sich dem Zerfallen hingibt.
Es war schön Dir wiederzubegegnen und von Deiner Reise zu hören. In der Sonne, zwischen den surrenden Gesprächen der anderen und unsrem Schweigen.
Du hast viel gesehen, was sich in Deinen Augen widerspiegelt, die vorher rein waren, wie Mineralwasser, das zu lange in der Sonne stand.
Ich spürte Deine Berührungen auf meiner Haut wie eine Antwort, auf die Frage, die wir uns beide nicht stellen werden. Ich sah die Ernüchterung in Deinen Augen schon vor dem ersten Glas, jene, die kommen musste, als Du in meine Augen sahst.
Ich habe das kleine Schwarze ebenso bewußt nicht getragen, wie wir unsre Blicke in Sonnenbrillen versteckten, die der aktuellen Mode entsprachen. Ich schreibe Dir immer noch nichts von dem Schmerz, du wirst ihn sehen, wenn Du den Film entwickelst, den Du von mir in den flirrenden Schattenmomenten gemacht hast, als ich Wasser aus Deiner Hand trank und Du mir Sonnencreme auf die Nase stupstest.
Er wird auch dann eindimensional sein, in 3D bleibt nur der Klang des Buches, das wir uns vorlasen. Einbruch in ein Antiquariat ist nicht nur Sonntags strafbar - wir werden, wie zu oft, straffrei davonkommen.
Dein davon führt Dich in den Süden, fern von mir, fort von der Sonne. Ich liege im Schatten auf Deck, neben mir ein zweidimensionales Puzzle aus Puppenaugen und Perlmuttlack, leicht rote Sprenkel tropfen aus den Wunden, die Du mir nicht zufügen wolltest. Auch nicht nach dem Besuch alter Folterwerkstätten, dunkler Gänge und einer eidesstattlichen Verzichterklärung.
Ich höre Chopin, den ich selten mag, weil ihn alle mögen und lesen einen Brief des Mannes, der Du mir mal warst.
Dabei sitze ich hier und schicke Gedanken zu Dir, wie schon so oft. Sie sind, denn ich schreibe sie mit Kristallsplittern auf Milchglas, auf dem ich nichts sehe.
Der Wahnsinn fühlst sich anders an als noch vor Wochen, er ist graugefärbt, wie eine minzfressende Maus, wie der Himmel im Hochsommer und ein Schlaflied.
Du wirst es singen, einmal, obwohl Du es jetzt noch verneinst. Du hast vieles verneint vor unsrem Wiedertreffen, nun haben wir eine Wahrheit geschürt, die sich in einem Feuer ergiessen wird. Heute strahlt meine Haut rot im Sonnenuntergang.
Ich sende Dir eine Packung Knäckebrot postlagernd.Bitte schreib auch Du mir hautpostlagernd, ich weiß nicht, welchen Hafen ich als nächstes ansteuern kann. Sie ist rau die See, wie Deine kurze Abschiedsumarmung.
Bis zu unsrem Wiedersehen bastle ich Augen in Deine Puppe.
Vielleicht weint sie dann beim Abschied.
Wir taten es beide nicht. Uns entgleitet die Einsamkeit auf der langen Distanz. Wir sind wie verscheuchte Liebende, deren Sehnsucht sich nähere Ankerpunkte suchen muss. Der Hafen vor unsrem Leuchtturm indes bleibt unangreifbar - aber auch unbenutzt.
Das mag noch Jahre so gehen, in denen manche Worte gewechselt werden, Blicke über Kaffee sich treffen und ich Deine Briefe in einem Schildkrötenpanzer aufbewahre.
Auch sie ist einst ausgezogen.
Die Schildkröte meine ich.
Wir haben das Ufer verlassen.
Ich verbleibe leicht seekrank
die Deine