Delta

Kurzprosa zum Thema Natur

von  Pameelen

Illustration zum Text
Delta
(von Pameelen)
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Delta
(von Pameelen)
(Impressionen einer vergänglichen Landschaft)





Westlich des kanadischen Schildes entsteigen sie der Landschaft jenseits von Grund und Ziel. Aus der Ferne zeichnen sie ihr Bild, schlagen ihre Schatten weit, reißen die Himmel gnadenlos auf. Sie erheben sich und bekrönen das Land, adeln und verschenken Reichtum an ihre Bewohner, die es ihnen dankten, indem sie ihnen mächtige Namen gaben.

Geröllhalden und Eisfelder lagern still am Wege, Felsenhörner beugen sich herab, dann ein Sandsteinriff vom Wind geschliffen, ein mächtiger Felsendom schält langsam seine Umrisse aus diffusem Licht, schneebedeckte Gipfeldächer wechseln mit mattgrauen Felstürmen. Weit leuchten ihre starren Zinnen in den Abendhimmel hinein. Hindernisse, die den Weg hin zum Meer verstellen, in dem jedes Lebendige seinen Ausgang nahm und nach dem es sich auch wieder zurücksehnt, zurückstrebt um darin zu zerfließen.

Land wird durchbrochen. Land wirft sich gefaltet auf. Berge haben ein Gesicht, Berge haben Körper. Das Ursprüngliche trägt viele Gesichter. Eine Stimme mahnt.

Fehlt das Licht der Sonne, nimmt ihre Bedrohung zu, schwer wie Blei liegen ihre Schilde und Schroffen in der Landschaft, graue Platten wie gegenläufige Verschneidungen einander zugewendet. Zerborstene Gletscher und eine Endmoräne am zerfurchten Eisrand, weichendes Gletschereis in lang gewundenen Zungen übergibt sich überreich an Sediment rauschenden Wassern. Die Archive einst kältestarrer Zeit gleiten nun gelöst ins Land. Gischt schwebt wie feiner Nebel über ihren Fluss.

Höre zu und geh’ weiter!

Der Körper vermisst den Raum. Eindrücke brennen sich ein, durchmessen meinen Körper, ich atme Land, ich rieche Stein. Entledigt der Scham, entledigt des Ballasts der Kleider möchte ich sein, nackt möchte ich sein, ein Kind zwischen Schroffen und Geröll, unbeholfen getrieben. Ein Fuß schmerzt. Er läuft über Indianerland, geblieben sind ihre Namen, an von Geist beseelten Orten, unbeteiligt liegen sie im Raster der Karte einfach danieder. Sie schneiden tief, die Ahnen. Sie schweigen.

Geh’ weiter!

Manchmal drückt eine Höhenthermik die Wolken so tief, dass Wolkensäume die Tannenspitzen berühren, als lagerten sie sanft auf ihren Spitzen. Für einen Augenblick sind die Felsensprünge verschlungen und die schwarzen Wände verhangen, der freie Blick trifft auf wogende undurchdringbare Nebel, radiert das klare Bild unbarmherzig aus. Der Weg verwandelt sich in einen atmenden Schlund. Schemen begleiten stumme Stimmen. Der sich auflösende Fluchtpunkt am Horizont verliert sich in Unkenntlichkeit. Vertraute Markierungen verlieren ihren Sinn. Das schwebende Nass leitet mit gewaltigem Sog in die Irre, der Weg neigt sich von Schauern begleitet dem Ende zu. Müdigkeit lagert sich in sanften Schichten ab. Letzte Eisfelder möchte ich passieren und am Ende der Zeit unter einem beschirmten Himmel auf einer knisternden Harschbank gebettet zur Ruhe finden.

Geh’ weiter!

Im Winter verwandeln sich fallende Wasser zu Eisfahnen, zu starr gefrorenen Vorhängen. Mühelos sprengt gefrorenes Wasser in den Tiefen der Rinnen, spitze Klippen einfach krachend weg. Der Berg wächst im beständigen Spiel mit wechselnden Formen zu Boden, vom steten Wechsel der Elemente geschliffen, abgetragen und angeglichen an das idealisierte Erdenrund, aber hierdurch wird er auch milder und sanfter. Selbst mächtigste Felsenkronen, ja, härtester Granit zur Fläche hinuntergeschliffen zeugt von dem allgemeinsten aller Prinzipien: dem Vergehen und Verschwinden alles Lebendigen auf Erden.

Und hier, wie mancherorts zeigt sich, das der Weltenlauf, gar in seinen erhabendsten Verwerfungen und schließlich selbst die bedeutsamsten Namen wie alle anderen Gewesenheiten irgendwann in die Unkenntlichkeit des Ursprungs zurückkehren müssen wie das flüchtige Wort selbst, das doch stets von der Anwesenheit des Lebendigen zeugte.

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Kommentare zu diesem Text

Mitternachtslöwe (27)
(15.07.08)
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 Pameelen meinte dazu am 18.07.08:
Danke für die Korrektur!

Gruß
R.
myrddin (47)
(18.07.08)
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 Vaga (04.08.08)
Eindrucksvoll! In Hochachtung vor der Natur geschrieben. Ein großes Kompliment. Ein Text, der wirklich mitreißt. LG - Vaga. (siehe auch PK)
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