Isabel

Skizze zum Thema Natur

von  blauefrau

Sie wollte nicht mehr die Geschichte von Hänsel und Gretel hören und auch nicht die von Rotkäppchen. Wackersteine, dieses altmodische Wort. Sie wollte nicht mehr bei der langweiligen Oma bleiben, die sie nach der Schule abholte, und Omas Hexenhaus ging ihr auch auf den Keks. Nachdem die Großmutter eingeschlafen war, steckte Isabel eine Cola und eine Tüte Chips in ihren Rucksack und wanderte in den benachbarten Wald. Die Chips landeten in ihrem Mund und auf dem Boden. Sie hörte ein Flüstern und Wispern, ein Rascheln und Knistern. Schattenmuster lagen vor ihren Füßen, über ihrem Kopf hatten sich Äste verkeilt. Sie sah die Sonne nicht mehr, die weißen Wolken am Himmel nicht und nicht die verschiedenen Blauschichten des Himmels. Aus den Baumrinden grinsten Fratzen, die ihr die Zungen herausstreckten. Gelbe Flecken, die sich bewegten, Baumwurzeln, die nach ihr griffen, stinkende glitschige Pilze, knorrige bemooste Baumstümpfe, aus denen Augen, Augen, Augen starrten, Vögel, die  widerlich kreischten, und da: ein Schatten, der sich näherte und breiter, höher und schwärzer wurde. Sie rannte, ihr Fuß verfing sich in einem Astgewirr. Sie strauchelte und fiel in eine Graben. Isabel schrie und schrie, zitterte und schlug um sich. Isabel, rief die Großmutter.


Anmerkung von blauefrau:

September 2021

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 niemand (16.09.21)
Dieser Text ist bezeichnend für den Menschen als solches.
Das Gewohnte, Vertraute, Sichere scheint ihm mit der Zeit
langweilig, die Sehnsucht nach Abenteuern macht sich in ihm breit.
Und wenn er dann ein Abenteuer quasi wagt, erschreckt ihn ein solches, wie ihn auch durchaus sein eigener Mut dazu erschrecken kann und er sucht Schutz im Gewohnten. Hier lese ich eine Art Sehnsucht nach der, wie man so sagt, von der Kultur unbeleckten
Natur. Doch die Natur ist kein liebes Wesen, sondern eine ziemlich brutale Angelegenheit, welche einen, so man in ihr alleine sich findet, verdammt erschrecken kann. Sich mit der wahren Natur zu beschäftigen ist eine verdammt desillusionierende Angelegenheit
und nicht für jeden bekömmlich. Ein guter Text!
Mit lieben Grüßen, Irene

 Quoth (16.09.21)
Hallo, blauefrau, für mich ist es nicht die wirkliche Natur, in der Isabell ankommt, sondern erneut eine Märchennatur, nur eine noch erschreckendere: Fratzen, die ihr die Zunge herausstrecken, Baumwurzeln, die nach ihr greifen, Baumstümpfe, aus denen Augen starren ... Und aus dem Schluss ergibt sich, dass es ein Angsttraum war - einer, zu dem sie von Märchen angeregt wurde? Interessanter Text von einem Mädchen, das vom Regen in die Traufe kommt! Gruß Quoth

 blauefrau meinte dazu am 16.09.21:
Sie könnte Chips verstreuen und die Großmutter sie daraufhin finden.

 Quoth antwortete darauf am 16.09.21:
Wie Hänsel und Gretel ihren Weg mit Brotkrumen zu markieren suchen, aber Vögel fressen sie auf.

 blauefrau schrieb daraufhin am 16.09.21:
Die Intuition der Großmutter...
PowR.TocH. (58)
(18.09.21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 blauefrau äußerte darauf am 13.10.21:
Danke allen für ihre/eure Komments. @ PowR.TocH. Das Märchen zu drehen war mir ein Anliegen. LG blauefrau
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram