14. Juni: Von Horrornächten und Cholesterinwerten

Tagebuch

von  Raggiodisole

Von Casanova nach Ribadiso da Baixo

Hinter uns liegt eine Horrornacht. Ich habe ja gestern schon erwähnt, dass die Zimmer relativ klein sind und wir gehofft haben, dass wir allein bleiben. Dem war aber nicht so. Das Zimmer war voll belegt und zwei lauthals schnarchende Franzosen haben ein erholsames schlafen unmöglich gemacht. Außerdem war es extrem warm im Zimmer. Lukas, der im Bett über mir lag, hat sich nur herumgewälzt und auch ich konnte nicht schlafen. Um Mitternacht hat es uns dann gereicht. Wir haben unsere Schlafsäcke gepackt und sind hinunter in den Aufenthaltsraum. Dort haben wir uns  auf die Sessel gelegt, etwas unbequem, aber immerhin ohne Schnarchkonzert. Dafür haben in der Nähe ein paar Hunde gebellt. Aber es war zu ertragen und irgendwann um 2 Uhr herum bin ich dann eingeschlafen.
Die Franzosen hat ihr eigenes Schnarchen nicht gestört, sie sind ziemlich früh auf und somit war auch für mich an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich hab Lukas geweckt und nach einem schnellen Instantkaffee sind wir los. So früh wie heute noch nie auf diesem Camino.
Wir sind bis Melide durchgelaufen und haben uns dann ein gutes Frühstück gegönnt. Weiter mit ein paar Pausen haben wir am frühen Nachmittag Ribadiso erreicht. Die Herberge befindet sich in einem alten Gebäude, die Toiletten und Duschen sind irgendwo in der Pampas in einem eigenen Gebäude, aber das Restaurant nebenan serviert wunderbares Essen, das weiß ich noch vom Vorjahr.
Sie liegt an einem Fluss und nachdem wir unsere Betten belegt hatten, haben wir unseren Füßen ein erfrischendes Bad im eiskalten Wasser gegönnt.
Ingrid und Uwe machen auch hier Halt und wir gehen gemeinsam zum Abendessen.
Am Nebentisch sitzt eine Gruppe deutscher Pilger. Sie lassen sich das kalorienreiche, deftige Pilgermenü schmecken und unterhalten sich über erhöhte Cholesterinspiegel und Triglyzeridwerte, gutes uns böses Cholesterin. Besonders eine Dame ist hier sehr informiert und warnt vor zu fettem Essen, während sie sich ein Pommes nach dem anderen in dem Mund schiebt. Lukas belegt sie spontan mit dem Spitznamen „Cholesterintante“. Nachdem er sie aber nach dem Match Spanien- Schweden, dass gerade übertragen wurde, einer genaueren Betrachtung unterzog, hat er sie in „Krähenfußinge“ umgetauft.
Ich weiß, dass ist ein wenig fies und respektlos. Die Dame war sicher über 65 und hatte ein paar Falten im Gesicht, schlank und drahtig und hätte mir eigntlich sehr imponieren müssen mit ihrer täglichen Kilometerleistung, die sie schon am Nachmittag jedem kundgetan hat, ob er es wissen wollte oder nicht.
Ich will auch nicht respektlos erscheinen, aber ich mag so was nicht. Jeder muss seinen Weg gehen, in seinem Tempo und seinen Bedürfnissen nach. Und ich finde es einfach nicht korrekt, Pilger, die kürzere Etappen gehen als Weicheier hinzustellen.
Doch sei es, wie es sei, jeder wie er will.
Wir wollen morgen jedenfalls bis Santa Irene oder Pedrouzo.

Realidàd o ilusión
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