22. Tragische Begegnung – ein Zwischenfall [22]
Schundroman zum Thema Tragik
von DIE7
Hunger! Seit Tagen hatte der Jätti keine feste Nahrung zu sich nehmen können, was nicht überrascht bei Schiffsreisenden, die in eine Kiste gepfercht wurden und eigentlich gewohnt sind, auf der Suche nach Beeren, Früchten und Vogeleiern durch die Wildnis Sápmis* zu streifen und gelegentlich kleinere Säuger oder einen Wolf zu erlegen, der unerfahren genug war, sich einen Jätti als Mahlzeit vorstellen zu können.
In einer Ecke im Dachgeschoss der Ruine, in die er sich nach dem Vorfall am Hafen zurückzog, hatte er einen Stapel Jutesäcke und Teppiche gefunden, aus denen er sich ein Schlafnest zurecht zupfte, doch jetzt trieb der Hunger den Jätti hinaus auf die Suche nach Nahrung. Die Nacht war voll unbekannter Geräusche, die ihn ängstigten, doch als er Witterung aufnahm, stieg ihm der Duft gebrannter Mandeln und Bratäpfel in die Nase, die den Hungrigen auf die fremden Geräusche zu lockten, hinein in die Lichter der Stadt.
Die Nacht sternenklar, das Leben ein Traum, das Fest nicht mehr weit - Euphrosine Gartenstein war’s zufrieden. Die rüstige Dame, deren wahres Alter das wohlverwahrte Geheimnis der Kartei eines auswärtigen Schönheitschirurgen war, hatte sich auf dem Weihnachtsmarkt mit den erlesensten Köstlichkeiten eingedeckt. Welch ein Hallo! würde das geben, wenn sie die ihrem Kaffeekränzchen auftischen würde! Die werden Augen machen, dachte die gute Dame Gartenstein bei sich, wenn sie morgen die leckren Bratäpfel sehen, die Bananen aus Puerto Flamenco, die gebrannten Mandeln, die mmmh – sie hob eine der vielen Tüten zur Nase und sog den Duft ein – köstlichen Lebkuchen, ganz frisch, ah! So glücklich versorgt war Euphrosine unterwegs, glühweinselig und kuschelig warm eingemummelt in ihren neuen Nerzmantel, den sie sich ebenfalls gegönnt hatte. Black Velvet, feinste skandinavische Qualität. Gleich würde sie das Jugendstilhaus erreicht haben, in dem sie ihr Winterdomizil eingerichtet hatte. Nur einmal um die Ecke, dachte sie, voller Vorfreude auf die belgischen Pralinen, von denen sie gleich naschen würde …
Der Jätti folgte den Wohlgerüchen, die ihm die Nacht vom Weihnachtsmarkt her zutrug. Gewohnt, sich so unauffällig und rasch wie möglich zu bewegen und auf die Tarnung durch sein karminrotes, gestromtes Fell vertrauend, glitt er aus dem Schutz der Dunkelheit ins Licht der Straßenlaternen und strebte dem Weihnachtsmarkt zu, als unvermittelt ein Grüppchen Angetrunkener, das sich in einer Seitengasse gefunden hatte, Weihnachtslieder zu grölen begann. Erschrocken sprang der Jätti in einem Satz um die nächste Straßenecke …
Euphrosine Gartenstein erstarrte. Eine rote Bestie sprang auf sie zu, die wilde, weiße Löwenmähne und eine Fratze wie die eines rotnasigen Penners verhießen nichts Gutes. Ihr Schrei gellte durch die Nacht, wie ein riesiger Bär richtete sich das Monster vor ihr auf und hob seine Pranken zum tödlichen Schlag – Euphrosine griff nach dem stechenden Schmerz in ihrer Brust - und stürzte zu Boden, tot.
Der Jätti erstarrte. Ein MENSCH! Ein Mensch? Ein riesiger MARDER! Noch nie war ihm solch eine Bestie so nahe gekommen – mit gellendem Beuteschrei wollte sie sich auf ihn stürzen, schützend hob der Jätti seine Arme vors Gesicht und schloss die Augen. Da wurde es still. Der Jätti stand vor einer Toten, deren Fell nach Raubtier roch, um sie herum bunte Tüten, denen dieselben Düfte entströmten, wie sie ihn in die Stadt gelockt hatten. Essen! Hastig klaubte er auf, was aufs Trottoir gerollt war, raffte die Tüten zusammen, packte den Riesenmarder am Schopf und schleifte ihn hinter sich her. Nur fort von hier! Der Jätti flüchtete Richtung Ruine, und als die Kopfhaut des Riesenmarders nachgab und sich vom Schädel zu lösen begann, ließ er ihn achtlos liegen, war er doch ohne diese Last viel leichtfüßiger unterwegs. Als er endlich bei der Ruine anlangte und ins Dachgeschoss aufstieg und die Anspannung sich löste, zitterten ihm die Glieder vor Aufregung. Erschöpft rollte er sich in sein Schlafnest aus Säcken, aß noch von den Bratäpfeln und Lebkuchen – dann schlief er ein.
In einer Ecke im Dachgeschoss der Ruine, in die er sich nach dem Vorfall am Hafen zurückzog, hatte er einen Stapel Jutesäcke und Teppiche gefunden, aus denen er sich ein Schlafnest zurecht zupfte, doch jetzt trieb der Hunger den Jätti hinaus auf die Suche nach Nahrung. Die Nacht war voll unbekannter Geräusche, die ihn ängstigten, doch als er Witterung aufnahm, stieg ihm der Duft gebrannter Mandeln und Bratäpfel in die Nase, die den Hungrigen auf die fremden Geräusche zu lockten, hinein in die Lichter der Stadt.
Die Nacht sternenklar, das Leben ein Traum, das Fest nicht mehr weit - Euphrosine Gartenstein war’s zufrieden. Die rüstige Dame, deren wahres Alter das wohlverwahrte Geheimnis der Kartei eines auswärtigen Schönheitschirurgen war, hatte sich auf dem Weihnachtsmarkt mit den erlesensten Köstlichkeiten eingedeckt. Welch ein Hallo! würde das geben, wenn sie die ihrem Kaffeekränzchen auftischen würde! Die werden Augen machen, dachte die gute Dame Gartenstein bei sich, wenn sie morgen die leckren Bratäpfel sehen, die Bananen aus Puerto Flamenco, die gebrannten Mandeln, die mmmh – sie hob eine der vielen Tüten zur Nase und sog den Duft ein – köstlichen Lebkuchen, ganz frisch, ah! So glücklich versorgt war Euphrosine unterwegs, glühweinselig und kuschelig warm eingemummelt in ihren neuen Nerzmantel, den sie sich ebenfalls gegönnt hatte. Black Velvet, feinste skandinavische Qualität. Gleich würde sie das Jugendstilhaus erreicht haben, in dem sie ihr Winterdomizil eingerichtet hatte. Nur einmal um die Ecke, dachte sie, voller Vorfreude auf die belgischen Pralinen, von denen sie gleich naschen würde …
Der Jätti folgte den Wohlgerüchen, die ihm die Nacht vom Weihnachtsmarkt her zutrug. Gewohnt, sich so unauffällig und rasch wie möglich zu bewegen und auf die Tarnung durch sein karminrotes, gestromtes Fell vertrauend, glitt er aus dem Schutz der Dunkelheit ins Licht der Straßenlaternen und strebte dem Weihnachtsmarkt zu, als unvermittelt ein Grüppchen Angetrunkener, das sich in einer Seitengasse gefunden hatte, Weihnachtslieder zu grölen begann. Erschrocken sprang der Jätti in einem Satz um die nächste Straßenecke …
Euphrosine Gartenstein erstarrte. Eine rote Bestie sprang auf sie zu, die wilde, weiße Löwenmähne und eine Fratze wie die eines rotnasigen Penners verhießen nichts Gutes. Ihr Schrei gellte durch die Nacht, wie ein riesiger Bär richtete sich das Monster vor ihr auf und hob seine Pranken zum tödlichen Schlag – Euphrosine griff nach dem stechenden Schmerz in ihrer Brust - und stürzte zu Boden, tot.
Der Jätti erstarrte. Ein MENSCH! Ein Mensch? Ein riesiger MARDER! Noch nie war ihm solch eine Bestie so nahe gekommen – mit gellendem Beuteschrei wollte sie sich auf ihn stürzen, schützend hob der Jätti seine Arme vors Gesicht und schloss die Augen. Da wurde es still. Der Jätti stand vor einer Toten, deren Fell nach Raubtier roch, um sie herum bunte Tüten, denen dieselben Düfte entströmten, wie sie ihn in die Stadt gelockt hatten. Essen! Hastig klaubte er auf, was aufs Trottoir gerollt war, raffte die Tüten zusammen, packte den Riesenmarder am Schopf und schleifte ihn hinter sich her. Nur fort von hier! Der Jätti flüchtete Richtung Ruine, und als die Kopfhaut des Riesenmarders nachgab und sich vom Schädel zu lösen begann, ließ er ihn achtlos liegen, war er doch ohne diese Last viel leichtfüßiger unterwegs. Als er endlich bei der Ruine anlangte und ins Dachgeschoss aufstieg und die Anspannung sich löste, zitterten ihm die Glieder vor Aufregung. Erschöpft rollte er sich in sein Schlafnest aus Säcken, aß noch von den Bratäpfeln und Lebkuchen – dann schlief er ein.
Anmerkung von DIE7:
* Sápmi = samisch für Saamiland/Lappland