43. Tragische Wende

Schundroman zum Thema Umbruch

von  DIE7

„Um Gottes Willen!“

Tarek Lavken war ein Mann, der Schreckliches gesehen und erlebt hatte. Doch was der Paradiesvogel vor ihm vom Stapel ließ, war mehr, als der Leiter der Mordkommission Jesterfield aushalten konnte.

„Wie viele?“

„Neun.“

„Und … Marn?“

„Ja. Tut mir leid. Außerdem besteht Anlass zum Verdacht, dass ein Zusammenhang besteht zwischen diesem Massaker und dem Giftanschlag auf den Weihnachtsmarkt.“

„Marn ermittelte in dieser Sache. Er ist ein Mitarbeiter Frodins, “ Lavken rang um Fassung, „Verzeihen Sie bitte, das geht mir nah, sie war mir wie eine …“

„Haben Sie nichts mehr von ihr gehört, seit …“

„Nein! Sie wollte sich mit einem Journalisten treffen, Thomas Unglaub. Sie meinte noch, dass der mehr weiß, als er bislang zugab. Marn hat ihn bereits vernommen, sein Bericht steht noch aus.“

„Das stimmt so nicht ganz.“

„Wie?“

„Zuletzt treffen wollte sie sich mit mir, Herr Lavken. Mein Hund geht mir ab, seit Unbekannte meine Wohnung verwüsteten auf der Suche nach was weiß ich. Hera rief mich an und bot mir an, dass wir gemeinsam nach Fufu suchen.“

„Fufu?“

„Ja, so heißt meine Malteserhündin.“

„Und … ä…“ Lavken schaute aus den Augenwinkeln in das Körbchen, das Lasche Hirnstrøm neben seinem Stuhl auf den Boden gestellt hatte, „…äääh - das da?“

„Berta! Gefällt sie Ihnen?“

Bei aller Tragik konnte Lavken sich das Grinsen nicht verkneifen: „Für ein Ei – hm – nein, ausgesprochen sexy, die Rundungen – der Schwerpunkt an genau der richtigen Stelle, alles andere als unten würde ein Ei ja auch auf den Kopf stellen, nicht wahr?“

„Mit Verlaub, Herr Lavken, Sie sind ein Flegel!“

„Ich bitte Sie!“

„Keine Ursache!“

Tarek Lavken riss sich zusammen. Schlimm genug, dass dieser neue Zwischenfall die gerade angelaufenen Ermittlungen über den Haufen warf und ein wenngleich unfähiger, so doch mit der Sache vertrauter Mitarbeiter ums Leben gekommen war: Da seine fähigste Ermittlerin wie vom Erdboden verschluckt und spurlos verschwunden war, blieb ihm nur noch der Pathologe Hirnstrøm. Der wiederum war nicht nur eine Koryphäe auf der forensischen Pathologie, sondern zugleich ein ebenso phantasiebegabter wie akribischer Ermittler, zuverlässig – dass Vorgesetzte wie Kollegen ihm seine Skurrilität gerne nachsahen.

„Hera Frodin ist und bleibt verschwunden. Nicht die kleinste Nachricht hat sie hinterlassen. Das widerspricht ihrem sonstigen Verhalten. Sicherlich, Disziplin ist nicht gerade ihre Stärke, aber integer ist sie, integer und loyal. Ich habe kein gutes Gefühl, was ihr Verschwinden angeht.“

„Und dieser Unglaub?“

„Thomas Unglaub? Der Journalist verschwand nahe zu zeitgleich. Im Gefolge seine Begleiter, Kaufmann und Bärwolf.“

„Kaufmann- ist das nicht so ein Fettsack? Konditionsschwacher Schwächling, jedoch Superhirn und selbsternannter Doktor der Grenzwissenschaften? Glatze, schwarzer Schnauzbart, Segelohren …“

„Ja, warum?“

„Nun, ihn fand man ebenfalls am Tatort. Herzinfarkt. Der erwischte ihn offensichtlich, als er Augenzeuge des Massakers wurde. Lag zusammengesunken in einem Schrank im Flur. Hatte sich ein Guckloch gebohrt und eine Wanze im Saal installiert, wo  der Mörder zuschlug.“

„DER Mörder?“

„Okay, ob es ein Mann war, wissen wir nicht, noch nicht. Aber …“

„Aber?“

„Nun, wir gehen bislang davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Die Projektile wurden alle aus ein und derselben Waffe abgefeuert, eine „Neun Millimeter Glock“, vermutlich Schalldämpfer. Die Fußspuren werden derzeit noch analysiert und den vorgefundenen Opfern zugeordnet, doch scheint der Täter Schuhgröße 41 zu haben, was auf einen Mann …“

„Nicht zwingend, Hirnstrøm.“ Lavken stütze seine Ellbogen auf dem Schreibtisch auf und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, als ob er die wenigen bekannten Fakten zu einer Lösung kneten könne. Mit einem tiefen Seufzer warf er sich in die Lehne seines Drehstuhls, schwenkte zur Seite und richtete sich mit einem Ruck zu voller Größe auf:

„Da hilft alles nichts, Hirnstrøm!“

„Kommissar Lavken?“

„Hirnstrøm, Sie sind jetzt mein einziger und fähigster  äääh … Mann“, Lavken trat auf den Pathologen zu, legte seinen Arm um dessen Schulter und zog in zu sich. “Wir MÜSSEN dieser Sache eine Ende bereiten, Hirnstrøm, sonst bricht Panik aus in Jesterfield! Nicht genug, dass mir das mit Frodin zu schaffen macht,“ Lavken breitete seine Arme aus und ließ sie herabfallen, als sei alle Kraft entwichen, “die Offiziellen Jesterfields machen mir schon wegen der Sache auf dem Weihnachtsmarkt die Hölle heiß. Jetzt, wo wir weitere neun …“

„Zehn, wenn wir den toten Kaufmann hinzurechnen.“

„Dann eben zehn ungeklärte Todesfälle …“

„Ungeklärt – so würde ich das jetzt nicht formulieren – nur den oder vielleicht auch die Täter haben wir noch nicht.“

„Hirnstrøm!“

„Ja, ist schon okay, Chef!“ Hirnstrøm zwinkerte Lavken zu, zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen. „Ich mache mich jetzt an die Obduktion der Opfer und dann wissen wir vielleicht mehr. Auf jeden Fall sah ich bei einem der Toten, als die Kollegen sie abtransportierten, dass er ein Branding am Bauch hatte, wie ich es bereits bei zwei Toten fand, die im Vorfeld des Giftanschlags auf den Weihnachtsmarkt umkamen und auf meinem Tisch landeten: Ein Weihnachtsbäumchen. Kommissar Lavken –
wir sehen uns!“

Schwungvoll verließ Hirnstrøm das Büro Lavkens, ließ dabei die Tür ins Schloss fallen, dass es durchs ganze Haus hallte. Tarek Lavken ließ ihn ziehen, wandte sich dem Fenster zu und schaute - seit letzte Nacht schneite es und die Menschen freuten sich auf weiße Weihnacht - auf das nächtliche Jesterfield, vor dessen Lichtermeer die inzwischen dicht an dicht fallenden Schneeflocken wirbelten wie schwarze Schemen. Amorph’, dachte er vor sich hin und grübelte, was wohl sich keine zwölf Stunden zuvor in der Kaschemme „Pikkulokki“ im Hafen Jesterfields abgespielt hatte:

to be continued ...

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Kommentare zu diesem Text

KeinB (29)
(23.05.10)
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