O Solitude

Bild zum Thema Einsamkeit

von  Emotionsbündel

Müde, so unendlich müde steht sie am Abgrund.
Außer einer kühlen Brise regt sich hier gar nichts.
Absolute Stille, Totenstille herrscht hier.


Doch tief in ihr drinnen hört sie dieses unermüdliche Pochen, Nacht für Nacht. Sie kann es nicht lokalisieren, doch es bewegt sich irgendwo zwischen Magengegend und Herzmuskel, ist Übelkeit und Krampf einer großen Traurigkeit, in die sie sich nur allzu gerne hinabgleiten lässt, ja, sie taucht ab in diese blutige Wunde des Nicht-Verstehen-Wollens.

Glitschig und schleimig locken dort düstere Kreaturen, die mit grell schillernden Tentakeln einen faszinierenden Einblick in die Dunkelheit zaubern und gleichzeitig lähmendes Gift verspritzen. Endlos kriecht sie durch ein Gossenlabyrinth auf der Suche nach Wärme. Ihr Hunger vermischt sich mit diesem pulsierenden Pochen und treibt sie voran wie ein Sirenengesang.

Vereinzelte Lichtpunkte blenden sie und lassen sie unbekümmert eintreten in diesen so sonnigen Quell. Doch sie wird gepackt und von glühendheißen Pflöcken durchstoßen, werden ihr Lektionen erteilt. Infiziert und verworren wird sie dann der Einsamkeit überlassen. So kommt sie jede Nacht dem zerklüfteten Abgrund näher als sie glaubt. Wie magnetisiert, wird sie von einer unbekannten Größe angezogen.

Stets kurz davor, strecken sich ihr rettende Hände entgegen, doch irgendwie bleiben sie unerreichbar, so weit weg, auch ihre Stimmen dringen nicht an ihr Ohr. Die Münder bewegen sich, doch die Totenstille verschluckt die Töne - kein Verstehen.
Den Rettungsring, den man ihr zuwirft, bekommt sie nicht zu fassen, er entgleitet ihren Händen und fällt lautlos in die Tiefe. Ein alter, schäbiger Koffer, angefüllt mit Ratschlägen und Lebensweisheiten landet schmerzhaft auf ihren Füßen.

Das Pochen hämmert sie entzwei, ein kleines Stückchen wird immer bleiben, doch der Rest kriecht unermüdlich auf den Abgrund zu. Warum und wieso ist auch ihr ein Rätsel, sie versteht sich selbst nicht mehr und gibt irgendwie auf.

Müde, so unendlich müde steht sie am Abgrund.
Außer einer kühlen Brise regt sich hier gar nichts.
Die Hände fest um den Koffergriff gekrallt,
atmet sie tief durch und hält ihr Gesicht diesem Wind entgegen.
Ihre langen Haare zerzausen und für einen kurzen Augenblick
kann man auf ihrer Stirn mea culpa lesen.
Es könnte alles so einfach sein....


Anmerkung von Emotionsbündel:

04.03.2009

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(06.03.09)
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 Emotionsbündel meinte dazu am 06.03.09:
Tja, liebe Gerda, das frage ich mich auch oftmals und mit passender Musik im Ohr, versuchte ich ein Lied davon zu singen.....
Liebe Grüße, Judith

 O Solitude, Henry Purcell
(Antwort korrigiert am 06.03.2009)
fledermaus30 (39)
(06.03.09)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Emotionsbündel antwortete darauf am 06.03.09:
Vielen Dank für die *chen.
Ich freue mich, dass es dir gefällt.
Liebe Grüße, Judith

 Didi.Costaire (07.03.09)
Ein sehr eindringlicher Text, liebe Judith, eindringlich, abgründig und düster, mit Atempausen optischer Natur.

Liebe Grüße, Dirk

 Emotionsbündel schrieb daraufhin am 07.03.09:
Ich danke dir, Dirk :)
Liebe Grüße, Judith
Wortmaler (25)
(28.12.10)
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 Emotionsbündel äußerte darauf am 28.12.10:
Hallo Jonathan,

der Text ist geblieben, ich habe nur die äußere Form verändert. Das Zentrierte hat mir schon seit langem nicht mehr gefallen. Es ließ sich nicht gut lesen, finde ich. Ist mir damals wohl nicht aufgefallen

Ich freue mich, dass du nochmal hierher gefunden hast sowie ich mich auch immer wieder über deinen Kommentar auf meiner Autorenseite freue.
Dankeschön.

Liebe Grüße
Judith
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