Mama sagt, ich lieb' dich nicht

Text

von  ZornDerFinsternis

Der Weg, der hinter mir liegt ist weit gewesen. Das halbe Leben liegt hinter mir, und es bedeutet mir nichts. Nicht mehr. Meine Augen starren in den lieblosen Sonnenuntergang. Licht und Leben legen sich schlafen. Können; wollen nicht mehr. Winzige Kieselsteine, Äste und sandiger Boden verfangen sich im Profil meiner Schuhe. Die Liebe hat sich nie nahe an mich heran getraut. Zu furchteinflößend, grausam und hässlich bin ich. Laut brüllend, fegt der Wind durch die kahle Landschaft. Grau geht langsam in Schwarz über, und mir ist kalt. BIn fortgelaufen. Weggerannt. Vor mir. Vor diesem Leben. Meinen Ängsten. Dieses Leben bietet nichts. Jeder Tag ist ein neuer, endloser Kampf, den ich schon am Tage meiner Geburt verloren wusste. Der Kopf ist voller farbloser Bilder, dunkler, kalter Gefühle. Irgendwo hier, ja, hier draußen...bin ich verloren gegangen. Zu dick, hässlich, unsportlich und wiederlich, um die Welt mit meiner Erscheinung belästigen zu können. Schäme mich. Für alles an mir. Für mich. Für jedes Wort, jeden Satz. Jedes Lächeln, aus früheren Tagen. Sterbe einen qualvollen Tod, wenn ich morgens das Haus verlassen muss, um meinen Weg in die Schule; die Hölle, zu finden. Hasse die kalten Blicke, der Menschen auf der Straße, in den Autos. Es bringt mich um. Ich wollte nie dieses abstoßende Monster sein, das ich bin. Wollte ein lieber, guter Mensch sein. Ein Freund, auf den man sich immer verlassen kann. Jemand, mit dem man abends weggehen, Spaß haben und lachen kann. Jemand, der Trost und Geborgenheit spendet. Der an einen denkt, Freuden und Umarmungen schenkt. Ich stehe allein. Weil ich anders bin. Weil ich keine 50 kg wiege. Glaubst du, ich hätte wirklich freiwillig anders sein wollen? Glaubst du, ich weiß nicht, dass ich hässlich bin, weil ich 73kg wiege? Meinst du, ich weiß nicht, dass jemand wie ich, dieses Leben nicht verdient? Weißt du, wie oft ich weinen will, aber nicht kann? Weißt du, wie beschissen sich das anfühlt, wenn jeder dir verachtende Blicke schenkt, dich fettes Schwein nennt? Ja, scheiße, ich bin fett. Ja, aber vor 2 Jahren, waren es 100 kg. Und ich bin "stolz", dass ich jetzt 36 trage. Verflucht, ja, ich habe keine Modelmaße. Ich weiß. Ich habe keine Gefühle, die man verletzen kann...weil ich kein "Mensch" bin. Ich habe keine Würde, weil ich fett bin. Ich habe keine Freunde mehr, die man mir wegnehmen kann, ja - sie sind tot. Und ja, ich habe kein Leben mehr, und ja, du bist Schuld daran. Ja, du hast Recht, ich gebe auf und es ist auch scheissegal, weil ich niemanden mehr habe. Mein "Leben", das sind Zigaretten, Schnaps und Freunde, hier, im Internet. Ich habe nichts mehr. In meiner 12m²-Wohnung, wartet niemand auf mich, wenn ich nach Hause komme. Keine Katze, die schnurrend um mich tänzelt. Gomez ist schon seit 23 Monaten weg... kluges Kätzchen. Nur Spinnen und Schmutz lachen mich an. Heißen mich willkommen. Schicken mich nicht verachtend fort. Von den Wänden grinsen mich meine Spiegelbilder an. Ich schäme mich. Ekel mich. Hasse mich. Will sterben. Kann es nicht mehr ertragen. Dieses Gelächter in meinem Kopf. Diese Blicke und all die Tritte und Schläge. Kann nicht schlafen, egal wie lange ich wachbleibe. Jeder Traum bleibt eine winzige Seifenblase, die nach wenigen Schritten auf den Himmel zu, zerplatzt. Ich halte diesen Schmerz nicht mehr aus. Kann mir nicht mehr in die Augen sehen, weil ich diesen Menschen dort nicht mehr kenne. Nicht mehr mögen kann. Hasse ihn. Hasse ihn mindestens genauso sehr, wie ihr ihn. Manchmal, will ich einfach nur weg. Raus hier. Weg von hier. Weg von allem. Weg von mir. Dieser Wunsch, wird immer eine Sternschnuppe bleiben. Mikrig. Glänzend. Weit entfernt, und viel zu wertvoll, um jemandem wie mir, in Erfüllung zu gehen. Ich weiß, du liebst mich nicht. Du hast mich nie geliebt. Mama, oder besser, Mutter, sei froh, du hast mich überlebt. Du hast mich kaputtgemacht - jetzt werf' ich mich weg. Auf die Müllhalde, auf der du mich und meine Gefühle schon seit 18 Jahren, vergraben hast.


Anmerkung von ZornDerFinsternis:

The Fallen Star Faded Away...

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Kommentare zu diesem Text

Dieter Wal (58)
(06.09.09)
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 AZU20 (07.09.09)
Welch ein beklemmender Text, bei dem man nur hoffen kann, dass er auch keine Spur Autobiografisches enthält. LG
Asvika (23)
(07.09.09)
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 Blutmond_Sangaluno (12.09.09)
Oh.
Ich fühle mich deprimiert.
Schon fast angeklagt.
Es ist nicht nur ein Text gegen diese Mutter,
eher schon gesellschaftskritisch gegen die Welt.
Es hat garantiert jeder einen negativen Blick auf
fettleibige oder übergewichtige Menschen geworfen,
ohne dabei an die Gefühle zu denken.
Oder hat nicht gut über diese Gedacht.
Manche können wirklich nichts dafür und auch diese Menschen
haben es verdient "normal" behandelt zu werden.
Das sollten wir nicht vergessen.

Über das Geschriebene nachdenken, ich schätze,
wenn du dir das als Ziel gesetzt hast, hast du es erreicht.
Ein Meer aus Vorwürfen, gut umgesetzt.

Gruß
Sanga
Ria (26)
(20.09.09)
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 ZornDerFinsternis meinte dazu am 20.09.09:
Vielen Dank, dass du deine Mühe und Zeit für diesen Text aufgeopfert hast und auch noch so nette Zeilen hinterlassen hast. Vielen lieben Dank :) Ich danke dir wirklich sehr, und hoffe, dass du noch ein schönes Rest-We verbringen wirst ^^
Ria (26) antwortete darauf am 20.09.09:
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