6 Punkte. Nicht in Flensburg - Glasgow - Bitch. [This is how the bottom looks]

Text zum Thema Alles und Nichts...

von  ZornDerFinsternis

Das Leben ist und bleibt paradox.
Eine abstruse Mischung aus diversen dunklen Grautönen, Whisky und Zimt.
Ein verschissener Cocktail. Völlig überteuert. Simpel. Zumindest von Außen betrachtet.
Moleküle und kleinste chemische Verbindungen, die von jetzt auf gleich ein Ungleichgewicht hervorbringen können. Mit einer Zerdtörungswut, die selbst die Abgründe meiner Psyche nicht mal einfach so hervorbringen können.

Du stehst im Keller. In der lausigsten Bar, die dir in den vergangenen 26 Jahren deines Lebens untergekommen ist.
Aber scheiss drauf. Man stellt keine Ansprüche an die Umstände. Nur an sich selbst.
Ich lege die Karte auf den Thresen. Der nette Typ nimmt einen neuen Plastikbecher. Whisky ebbt grotesk kraftlos am Boden des Bechers.
Gibt sich keine Mühe Wellen zu schlagen.
Die Nacht reißt ihn mit sich. In einen süßlich-dunklen Schleier aus Cola.
Ich lächle schmerzlich in mich hinein.
Er schreibt etwas auf die Karte. Die schwarzen Kugelschreiberzahlen überschlagen sich. Ich nicke freundlich und breche mir ein Lächeln aus der Fresse.

Vorne spielt die Band, auf die ich seit Jahren gewartet habe. Russisch verstehe ich nicht. Meine Intelligenz ist zu beschränkt. Aber das ist ok. Den Schmerz über ein verkacktes Dasein, das Fristen einer seelenlosen, unbedeutsamen Existenz ist mir vertraut. Ich brauche nicht die gleiche Sprache zu sprechen. Schmerz kommt immer an.
Prallt äußerlich ab. Aber wie Huren so sind. Sie finden immer ihren Weg.

Der nette Typ zaubert den nächsten Drink. Mein Hirn bleibt unbekümmert. Zumindest macht der Alkohol nichts mit mir. Ich kann nicht sagen, ob ich lebe, oder es hinter mir habe. Ich stehe einfach da. Starre durch die Leute vor mir. Treffe den Blick des Typen auf der Bühne. Ich hoffe, ich lächle nicht. Denn dieser traurige Wahnsinn, der in seinen Augen schimmert... schon irgendwie süß.
Ich mag diese Existenzen. Die Denker. In sich selbst gefangen. Zerrissen. Abgedriftet. Zwischen hier und jetzt. Eigentlich schon tot. Ein Zombie mit mehr Gefühlen, als andere dumme Existenzen Bombentests durchführen. Ich will nicht sagen, er wäre anders, aber besonders.

Dieser Schmerz, der seine Augen so kränklich schimmern lässt. Die Farben blässlich und gleichzeitig viel intensiver scheinen lässt. Gepaart mit der bitteren Melodie des Songs. Es ätzt sich direkt in meinen Schädel. In die Überreste dieses dummen Herzmuskels in meiner Brust. Ne Kippe wäre geil. Ne Kippe und ein Messer.
Eben die Gerätschaften, die es braucht, bestimmte Momente festzuhalten. Gefühle auszuhalten. Einen Damm zu errichten, der die Gefühlsflutwellen zurückhält. Aufatmen lässt. Bevor sich alles dreht. In sich zusammenfällt. Schwärze alle Farben löscht. Absorbiert. Alle Gedanken neu beschreibt. Intensivere Schmerzen einschleust. Bevor man zum tausendvierundfünfzigsten Mal heimatlos im eigenen Körper wird. Sich verliert. Zerteilt. In blutigen Schnitten auseinanderreißt. Zerfließt. Wie Whisky und schmierige Überreste von utopischen Träumen und MakeUp.

Man kann sich sicher sein. Momente wie dieser, kommen nicht oft. Man muss sie irgendwie halten. Aufzeichnen. Archivieren. Haltbar machen. Verwahren. Für schlimmere Tage.
Also beißt sich die Glut in meinen Handrücken vor.
Hinterlässt einen weißen, ausgefranzten Kreis im bleichen Fleisch. Genugtuung gibt es nicht. Aber einen Moment. Weniger als eine Sekunde. Aber doch lang genug, das Herz aussetzen zu lassen und einen Sprung in eine andere Dimension zu machen.
Whisky fließt wie selbstverständlich durch mich hindurch. Belebt, wäre zu viel gesagt. Aber Denken verläuft schleppender. Es rauschen weniger viele Unmengen an nicht aushaltbaren Gedanken durch meinen scheiss Schädel. Sie verlangsamen. Noch immer ungeordnet und unüberschaubar. Aber, wenn ich wollte, könnte ich ihnen hinterhergehen. Versuchen sie in Klassen zu sortieren. Die Guten anschubsen. Die Schlechten ausradieren.
Ein ziemlich stupider Gedanke. Es braucht mehr Whisky.

Mehr. Immer mehr. Whisky. Tabletten. Schnitte. Nutten. Träume.
Wert misst man nicht in Zahlen. Man wiegt ihn mit schönen Erinnerungen, Tränen und Whisky auf.
Banal. Aber ja... ändert auch nichts.

Schwärze.
...tiefer, dunkler, vollkommener, als jemals zuvor.
Ich höre nichts. Spüre nichts.
Du atmest. Mein Bewusstsein ist den Gedanken nachgeeilt.
Sie ziehen ihre Show ab. Whisky läuft um mich herum und ich liege einfach nur da. Verlangsamter Atem. Augen geschlossen. Keine Reaktion. Kein Schmerz.

Dieses schwarze, kalte Nichts. Wie betäubt oder komtös. Keine Fratzen, Bilder oder Farben. Kein einziger Gedanke. Nichts. So friedvoll war es in meinem Schädel noch niemals zuvor. Nicht, seit ich denken kann.
Ich möchte wetten, ich hätte mich glücklich gefühlt.

Nach 13 Stunden öffnen sich meine Augen.
Ganz minimal. Winzigste Schlitze.
Eine beige Wand. Schiebetür. Überwachungsmonitore. Kruzifix.
Ich schließe reflexartig die Augen. War mir sicher, ich wäre am Thresen kurz eingenickt. Würde zu schöner, schmerzbeladener Musik aufschrecken und den nächsten Whisky in mich hineinschütten.
Um Bilder zu vergessen, die du meinem 15-jährigen Ich in den Schädel geprügelt hast. Gefickt... getreten..
Ach.. egal. Ich lebe. Man ist nur einmal 15.
Die Jahre danach erledigen den Rest... Oder auch nicht.

Wie mir mittlerweile gesagt wurde, bin ich in einem Krankenhaus. Träume nicht. Intensivstation.
Das Konzert ist vorbei.
Das letzte Bisschen Selbstachtung fürs Erste wohl auch.
Du lächelst aus dem finstersten Krater meines Hirns. Zeigst auf dieses 15 Jahre alte Kind. Schaust zu mir. Verfällst in Gelächter. Zertrümmerst wieder und.wieder die leeren Bierflaschen an diesem Kind. Nimmst deine Fäuste dazu und schreibst Geschichte. Eine Lebensgeschichte. Ohne Worte. In Hass und Minderwertigkeitsgefühlen. In Narben. In bunten Bildchen, die sich an meinen Armen wiederfinden. Als Ausgleich. Als Ausweg.
Manchmal kann man sich nicht einmal vor sich selbst retten. Man steht einfach weiter in dieser schrägen Bar. Am Thresen. Tag für Tag.
Mal mit weniger Fassung. Mal mit Tränen.
Manchmal liegst du neben dem Thresen, weil dieses Gruselkabinett der Gedanken auch in Hochprozentigem kein Ende findet.

"Für heute ist es vorbei.", denke ich, während ich einige Sekunden im Flur der Station stehe. Fühlt sich wie ne verkackte Ewigkeit an.
Ich halte diesen Entlassungswisch in den Händen.
Die Promilleangabe ist lächerlich. Ich vertrag mehr.
Aber aushalten kann ich nicht mehr.
Ich lasse meinen Kopf und die Schultern sinken. Der Blick ist wie immer eins mit dem Boden. Zumindest mit dem, der sich auf meine Netzhaut projiziert. Der unter meinen Füßen bricht beständig weiter, während ich atme.

Für heute ist es vorbei. Meine Chance vertan.
Der Blick auf die erreichten Punkte der Glasgow Coma Scale hatte Hoffnung geweckt..

Dann sterbe ich eben an einem anderen Tag.
Ironie kann ich immer.


Anmerkung von ZornDerFinsternis:

Wie immer,liebe Leute. Provokant. Nicht mehr und nicht weniger.

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Kommentare zu diesem Text


 Livia (16.04.17)
Gestern erst habe ich mir wieder Texte gewünscht, die so waren wie die von John. Provozierend, etwas melancholisch, gut zu lesen - die etwas auslösen. Danke!

 ZornDerFinsternis meinte dazu am 17.04.17:
Wow.... das ist viel zu lieb. Ein großes, tiefes, ehrfürchtiges Danke :)

 Dieter_Rotmund (17.04.17)
Schlampig gemacht, darunter lustige Rechtschreibfehler wie "Zerdtörungswut" und der "Thresen" (mehrfach).
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