Der Kommissar konnte am besten Denken, wenn er viel großformatiges Papier vor sich ausbreitete und mit Bleistift und Wechselpfeilen arbeitete.
Er hatte heute ein gutes Gefühl nach den demütigenden Pleiten der letzten Tage.
Irgendwie, das wusste er, kam er dem Schwein langsam auf die Schliche.
So stark, wie die meisten Beamten dachten, war er nicht mehr, wenn er auch wöchentlich beim Polizeisport keine schlechte Figur machte. Immer häufiger musste e beide Beine am Schreibtisch weit ausstrecken, um den Anzeichen von Durchblutungsstörungen entgegenzuwirken. An seinen Infarkt vor vier Jahren, damals
arbeitete er noch im stressigen Drogendezernat, dachte kaum einer mehr, noch nicht
mal Gerd Schottke selber.
Auf diesem Tisch lagen die wichtigsten Hinweise.
Er würde den Regenmörder fassen. Jetzt erst Recht, nachdem der anfing, ihn zu verhöhnen.
Als sie die arme Ingrid Hackstedt aus Wildeshausen beisetzten, sie war das 4. Opfer, bestanden ihre Kinder auf einer Ruhestätte in Bremen. Sie organisierten, dass sie drüben in Walle ihre letzte Ruhe fand. Damals schlampten die Kollegen sicher, weil keiner darauf achtete, ob alles komplett war.
Jetzt rief ihn dieser Wahnsinnige mit dem Handy der Ingrid H. an und sagte im höhnischen Tonfall: “Kommisario, ich will mich nicht bereichern, den Schuh, den die liebe Ingrid beim Strampeln in meinem Auto verlor, habe ich letzte Woche auf die Grabstelle gelegt – nun ist wieder alles komplett. Das Handy übrigens, über das wir gerade plaudern macht in einer Minute seinen ersten Tauchkurs in der Weser.“
Da hatte der Täter einen wesentlichen Fehler begangen.
Er, Schottke, hatte nämlich veranlasst, dass über der Friedhofsgärtnerei eine Überwachungskamera angebracht wird. Jetzt mussten diese gespeicherten Dateien sorgsam ausgewertet werden.
Und da gab es noch einen wichtigen Hinweis eines befreundeten Redakteurs vom Weser-Kurier. Der hatte von einer jungen Tanzpädagogin einen Anruf erhalten, ob die Zeitung nicht helfen könne, einen liebenswürdigen Mann mittleren Alters zu finden, der ihr völlig ohne Eigennutz half, an einem verregneten Oktobertag sicher nach Bremen zu kommen. Er hätte ihr noch seine Wattejacke angeboten, die sie ihm beim Aussteigen natürlich zurückgab. Als sie sich gerade bedanken wollte fuhr der bescheiden schnell weiter.
„Mit dieser jungen Frau muss ich unbedingt heute noch sprechen“ sagte er zu seiner Sekretärin Vera, die schon die Nummer des Weser-Kuriers gewählt hatte.
Sie dachte mit, wie es sich für eine gute Sekretärin gehörte.
Er saß mit Natascha Rubin im Wintergarten des Hotels.
Schottke genoss die Eleganz des Ambientes des Hauses und die Nähe dieser wunderschönen Frau. Er hörte ihr gerne zu. Ihr leicht gerolltes „R“ konnte fränkischen Ursprung haben - diese Natascha hatte aber russische Eltern.
Nachdem sie über jenen Oktobertag ohne unterbrochen zu werden plauderte, fragte sie abschließend, warum ihre Erinnerungen für eine Mordkommission von Bedeutung seien. Letzt ließ sich Gerd Schottke noch einmal schildern, wie hilfreich der Autofahrer genau war und was es mit der Wattejacke auf sich hatte.
„Könnte es sein, dass er Ihnen gar nicht helfen wollte, sondern versuchte, sie im Auto zu überwältigen?“
„Wo Sie so gezielt und sicher nicht ohne Grund nachfragen, kommt mir etwas doch in meiner Erinnerung ungereimt vor. Sein Umklammern meiner Handgelenke bei der Hilfe fand ich schon merkwürdig. Ich fasste es aber als kleine Unsittlichkeit auf, die mir häufig passiert.“ Sie lächelte und erklärte, dass jene Situation keine Sekunde dauerte, da sie sehr gut trainiert sei.
Schottke bedankte sich bei der schönen Natascha und vereinbarte mit ihr, wann er ihr das Protokoll des Gesprächs zur Unterschrift vorlegen darf.
Wieder im Büro fasste er alles zusammen:
Der Mörder spielte vielleicht nur den hilfreichen Regensamariter und nutzte die Enge des Autos und die Arglosigkeit seiner weiblichen Fahrgäste für seine heimtückischen Morde. Von den schulmäßigen Motiven für Mord verbleiben:
HEIMTÜCKE und MORDLUST.