2. Rosa

Text zum Thema Verliebtheit

von  Erdbeerkeks

Obwohl ich am nächsten Morgen nicht die geringste Lust verspüre, mich  wieder ernsthaft mit dem Lernen für meine bevorstehenden Prüfungen zu beschäftigen, zieht mich der Gedanke, dieses seltsame Mädchen wiederzusehen, wie magisch zur Bibliothek zurück.
Ich trete durch den Eingang und der Geruch von altem Papier, der irgendwie nostalgisch tröstlich ist, umhüllt mich sofort. Die Bücherei ist bis auf die Bibliothekarin leer. Meine Lustlosigkeit verflüchtigt sich in den Reihen von Einbänden.
Ich setze mich wieder dorthin, wo ich gestern auch gewesen bin. Falls das Mädchen heute wieder hier sein würde, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie mich hier sieht, anscheinend angestrengt lernend, die Nase in ein wuchtiges Buch vergraben, prall gefüllt mit Informationen, die in Wahrheit mein beschäftigtes Hirn hoffnungslos überfordern.
Also sitze ich da, warte und warte. Das Buch aufgeschlagen in meinen Händen, immer wieder über den Rand schielend, ab und an tarnend umblätternd und gespannt auf die Tür starrend.
Sie geht auf, zwei Mädchen kommen hinein, sie klappt wieder zu. Uninteressant.
Auf, irgendein wichtig aussehender Professor, zu.
Auf, pubertierender Teenager, zu.
Ich seufze. Es kann doch nicht sein, dass in dieser einen Stunde nur insgesamt vier Leute durch diese dämliche Tür spazieren. Ich weiß, die Bücherei ist nicht grade der interessanteste Ort, aber manche…
Die Klinke wird hinuntergedrückt, ganz vorsichtig und leise schiebt sich das Mädchen durch die Tür, die sie gerade so weit geöffnet hat, dass sie hindurchpasst. Sie drückt sie lautlos wieder zu.
Ich halte den Atem an.
Sie scheint ein wenig orientierungslos zu sein, blickt sich erst um und sieht dann resigniert aus. Mit einer Art der stummen Enttäuschung packt sie den Geschichtsband mühsam aus ihrer Tasche hinaus und gibt ihn der Bibliothekarin zurück, die sich geschäftig murmelnd bedankt und ihre Brille zurechtrückt.
Ich merke, wie sich eine bescheidene warme Freude wie Quecksilber in mir ausbreitet, als sie mit leisen kleinen Schritten die Bücherei durchpflügt, scheinbar suchend, bis sie am Regal anhält, an dem sie gestern auch schon ihre Probleme gehabt hat. Sie schaut hoch, wissend, dass sie es nicht erreichen würde und sieht sich dann betreten um. Starrt die Bibliothekarin an, wendet ihren Blick mit einem noch finsteren Gesichtsausdruck wieder ab. Fast hätte ich gelacht. Ich an ihrer Stelle hätte die da auch nicht um Hilfe gebeten.
Wie auch am Vortag stehe ich also auf, kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich das Buch, das direkt neben der Lücke vom gestrigen steht, ziehe und es ihr vor die glänzenden Augen halte.
„Das ist doch das, was du gesucht hast, oder?“
Sie sieht mich dankbar an mit ihren schokoladenbraunen Augen und schenkt mir eines der wunderschönsten schüchternsten Lächeln, die ich je gesehen habe. Ganz klein ist es nur und doch sagt es mir so viel. Sie streckt ein dünnes Ärmchen aus, an dem eine neue Satinschleife festgebunden ist.
Zartrosa, wie die Farbe, die ihre sonst so blassen Wangen jetzt angenommen haben.
Mit einer zitternden Vorsicht greift sie nach dem Buch.
„Bist du morgen wieder da?“, frage ich.
Ich halte es fest, sodass es einen Moment lang aussieht, als würde es so schwer sein, dass wir es zusammen tragen müssten. Ich sehe sie durchdringend an, sie sieht überrascht aus und sagt dann fast flüsternd „Ich glaube schon.“ Einen Moment kehrt Stille ein, dann lasse ich das Buch los und lächle zufrieden.
Scheu wie ein junges Reh eilt sie wieder davon und als ich mich wieder ans Lernen mache und ab und an ihre Blicke in meinem Nacken spüre, füllt mich dieses Gefühl der stillen Zufriedenheit komplett aus.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (01.04.10)
Stilistisch kommt es mir vollkommen vor und weckt großes Interesse an deinen Hauptfiguren.

 princess (01.04.10)
Satinbänder in verschiedenen Farben...
schwarz, rosa...
Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung,
wie die Geschichte weiter gehen wird.
Noch nicht...;-)
Nemoria (19)
(01.04.10)
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