Am Pranger
Märchen zum Thema Kritik/ Kritiker
von Lala
Am Pranger
Der dicklichte Junge aus der Magentastraße zitterte in seinem grünen Wanst am ganzen Leib und seine Augen, die er nicht vom Schauspiel am Pranger lösen konnte, glänzten trunken. Gnorp indessen fühlte keinen Schmerz, obwohl Kruzifix mit seinem Stiefel seinen Schädel seitlich niederdrückte und nicht zimperlich zu Werke ging. Gnorp hörte auch nicht die Anklagen, die Kruzifix gegen ihn losließ. Gnorp sah nur diesen gut genährten Lybit, der es nicht abwarten konnte, dass Gnorp vor aller Augen geschlachtet werden würde. Gnorp fühlte keinen Ekel, keinen Hass, aber er fragte sich, wie grau die Buchstabensuppe gewesen sein musste, die dieser Kerl täglich verdrückt hatte. Wie billig, wie schal mussten die Sätze und Verse gewesen sein, an denen sich solch ein Gemüt zu dieser dümmlichen Feiste hatte fressen können? Nein, der Junge war nicht wie eine Stopfgans, die sich nicht wehren konnte; dieser dicke, grüne Lybit genoss es, gestopft zu werden und schluckte alles brav herunter, als sei es ganz vorzüglich.
Mit einem Mal nahm Kruzifix seinen Stiefel von Gnorps Wange und riss den Troll in die Höhe. Die Menge machte „Ah!“, jubelte los und skandierte bald „Stopf den Troll! Stopf den Troll!“ Es war Kruzifix anzumerken, wie sehr er es genoss, im Mittelpunkt zu stehen, mit theatralischer Geste in einen Eimer zu greifen, der ihm von einem anderen Lybit demütig gereicht wurde, und einen Ballen Knuddelpampe herauszunehmen und der Menge zu zeigen, die darauf nur umso heftiger in ihren stumpfen Refrain fiel: „Stopf den Troll!“
Doch bevor solches begann, hielt Kruzifix inne und schaute zu einem entlegenen Punkt des Platzes. Die Menge spürte, wie er die Luft anhielt und sich konzentrierte. Erst einer oder zwei, dann eine Handvoll, schließlich drehten alle Lybits auf dem Platz sich in die Richtung um, in die Kruzifix schaute und im selben Moment hielten sie selbst die Luft an. Alle sahen wie gebannt auf den riesigen Kopf des Löwen, der schwankend eine der farbigen Straßen heraufzukommen schien.
Die Furcht schlug jedoch schlagartig in Jubel um, als ausgemacht war, dass Lord Elf Gin den Platz betreten hatte, den Kopf des Löwen als Trophäe hinter sich her getragen, aufgespießt von etlichen Pikenieren. Wie ein Lauffeuer ging das Gerücht über den Platz, wonach Gin den Löwen überwältigte, als dieser an sich selbst und mit einem glitzernden Dings herumgespielt hatte. Der Lord kokettierte mit der Aufmerksamkeit, winkte ständig ab und wies auf den Pranger zu Kruzifix, so als wollte er sagen, dass dort die Musik spiele. Aber die Menge schob sich auf Lord Elf Gin zu und jeder Lybit wollte ihm gratulieren.
Kruzifix, Gnorp und vermutlich viele andere auch, konnten trotz des allgemeinen Trubels nicht übersehen, dass sich ein Lybit wie ein Keil durch die Masse zu Elf Gin schob. Es war niemand Anderer als der Vizelord, der sehr erleichtert schien und unbedingt persönlich gratulieren wollte. Als Kalterersee seinen Lord erreicht hatte, stürzte er sich jedoch nicht gleich in dessen Arme, sondern blieb stehen, hob fast entschuldigend die Hände, als bäte er um Verzeihung und Elf Gin, der aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen pflegte, lupfte seinen breitkrempigen Hut und lächelte verschmitzt seinem Vize zu und signalisierte so, dass aller Groll, wenn er denn je bestanden hätte, nun vergessen war. Erst dann machte Kalterersee den letzten Schritt und umarmte Gin mit herzlicher Heftigkeit, dass diesem bald der Atem stockte.
„Wie habt ihr das geschafft! Wie habt ihr diesen riesigen Löwen so schnell erledigen können. Ihr seid fan-tas-tisch“, sprach Kalterersee halblaut in das Ohr von Gin und verdrückte auch das eine oder andere Tränchen an der Wange seines Freundes. Ohne zu wissen, warum Kalterersee so nah am Wasser gebaut hatte, zupften viele Lybits ihre Taschentücher und waren zutiefst gerührt. Warum sie es waren, wussten sie nicht recht; sie hinterfragten es auch nicht. Wie stets reichte ihnen aus, dass einer von ihnen heulte und sie heulten mit.
Die ungestüme Freude seines Vertreters brachte Elf Gin in mannigfaltige Verlegenheit. In der festen Umarmung seines Freundes begann er, in seiner Kluft zu schwitzen und wollte doch auch Kalterersee und der Menge das Abenteuer, so wie es sich zugetragen hatte, auch getreulich erzählen, den Elf Gin war ein ehrlicher Mann. Aber den Vize wegstoßen, oder sich wie ein Aal dem Zugriff zu entwinden, verbot ihm die Höflichkeit und so dauerte es recht lange, bis zwischen ihm und Kalterersee wieder so viel Distanz war, dass es für keinen unangenehm oder gar ein Affront war. Unangenehm war das Schauspiel nur für Kruzifix, der mit versteinertem Gesicht, die Verbrüderungsszene seiner Herren mit angesehen hatte. Gnorp entging dabei nicht, das Kruzifix sich zurückgesetzt und seines Auftrittes beraubt fühlte. Der Einzige, der seine Augen nicht vom Pranger nehmen konnte, war der tumbe, junge Lybit mit dem grünen Wanst.
„Wer nur Tölen umbringen kann, erntet keinen Lorbeer und wer das weiß und trotzdem weiterhin nur Tölen umbringt, ist entweder blöd oder krank“, steckte Gnorp dem frustrierten Knappen und streckte ihm obendrein die Zunge heraus. Kruzifix hatte Mühe, sich im Griff zu behalten und stieß nur ein nicht sehr autoritäres „Schweig!“ zwischen seinen Lippen hervor. Dabei zwang er Gnorps Ärmchen noch fester in seine Schraubstockpranke, ohne auch nur hinzuschauen. Wie alle anderen beobachtete er gebannt, welche Szene sich zwischen Kalterersee und Gin abspielte, obwohl er nicht hören konnte, was die Beiden sich zu erzählen hatten.
„Ähem, es erforderte natürlich Geschick“, begann Gin nur zögerlich, da er noch überlegte, wie er seine Tat angemessen erzählen sollte. „Aber“, so fuhr er planlos fort, weil er nicht recht weiter wusste, „am Ende war es eigentlich …“, und weiter kam er nicht, denn Kalterersee haute ihm so hart auf den Rücken, dass er hustend über seine viel zu großen Latschen zu fallen drohte. Lässig fing Kalterersee ihn auf und setzte plaudernd hinzu, dass Gin ihm das doch auf den Weg zum Balkon erzählen könne, und dabei schob er den Herrscher, dessen Hut wieder ganz tief im Gesicht hing, zum Eingang des ehrwürdigen Elf Gin Hauses, dessen Balkon vis-á-vis zum Pranger hing.
Gnorp sah es mit Entsetzten, denn einen Augenblick hatte er gehofft, dass im allgemeinen Trubel der schmählich stehen gelassene Kruzifix ihn aus Zorn freilassen würde, oder ihm kurzerhand die Kehle durchschnitte. Beide Alternativen erschienen Gnorp besser, als konzentrierte Knuddelpampe zu fressen, sich aufzublähen, bis die Augen aus den Höhlen quellen und dann bei vollem Bewusstsein wie ein Ballon zu platzen. Kruzifix lockerte zwar seinen Griff, aber an ein Entkommen war nicht zu denken. Kruzifix ahnte und ahnte zurecht, dass in Kürze Elf Gin und Kalterersee auf dem Balkon gegenüber ihre Hüte und ihre Hände wohlwollend vor dem Volke Lybiens schwenken würden, welches sich dann auch sehr bald wieder ihm, dem Knappen, so zuwenden würde, wie er es verdiente.
„Vater!“, brüllte Gnorp, der jetzt auch noch seine letzten Felle wegschwimmen sah. Er nahm all seine Kraft zusammen und brüllte noch lauter: „Ich bin Dein Sohn, Kalterersee!“ und dann noch einmal: „Ich bin Dein Sohn!“ Es waren schon viele Trolle am Pranger Lybiens hingerichtet worden, aber dass einer um Familienanschluss geworben hätte, das hatte es noch nie gegeben, weshalb die Menge augenblicklich schwieg und auch Gin und Kalterersee stehen blieben, kurz bevor sie die Eingangstür erreichten. Gnorps zweiter Ruf hallte daher nahezu ungehindert hinüber zu seinem Vater.
Quer über den Platz schauend, sah Kalterersee seinen Knappen, der einen kleinen, komisch aussehenden und seltsamen Unsinn brüllenden Troll am Arm hielt. Den Kerl hatte Kruzifix ihm heute schon einmal vorgestellt, weil der behauptete, sein Sohn zu sein. Kalterersee bekam eine Gänsehaut, die er sich nicht erklären konnte. Als sei die Zeit stehen geblieben, schaute er abwechselnd zum schwarzen, keifenden Knäuel und zum großen, majestätischen Löwenkopf, der Würde und Gelassenheit auch im Augenblick des Todes bewahrt zu haben schien. Er konnte sich seine Unschlüssigkeit nicht erklären, hätte vielleicht viel für das seltsame Stieldings mit den magischen Reflektionen gegeben, vertraute aber darauf, dass es der Löwe und nicht der Troll war, dem er in letzter Zeit schlaflose Nächte zu verdanken gehabt hatte.
Die Verunsicherung des Vizelords, als der Troll nach ihm gerufen hatte, war für die Masse der Lybits kaum zu bemerken gewesen. Sie registrierten lediglich, wie Elf Gin und Kalterersee unmittelbar vor Elf Gins Haustür stehen blieben, Kalterersee sich irritiert zum Pranger umdrehte, um dann aber nur ironisch zu winken und zu lächeln, so als ob er sagen wollte: „Ja, ich Dich auch.“ Und dann verschwanden die Herrscher Lybiens in Elf Gins Gemäuer.
„Fick Dich!“, murmelte Gnorp resigniert und dachte zum ersten Mal voller Stolz an seine Mutter, die er nie kennen gelernt, und nach Lage der Dinge auch niemals kennen lernen würde. „Fick Dich!“
Der dicklichte Junge aus der Magentastraße zitterte in seinem grünen Wanst am ganzen Leib und seine Augen, die er nicht vom Schauspiel am Pranger lösen konnte, glänzten trunken. Gnorp indessen fühlte keinen Schmerz, obwohl Kruzifix mit seinem Stiefel seinen Schädel seitlich niederdrückte und nicht zimperlich zu Werke ging. Gnorp hörte auch nicht die Anklagen, die Kruzifix gegen ihn losließ. Gnorp sah nur diesen gut genährten Lybit, der es nicht abwarten konnte, dass Gnorp vor aller Augen geschlachtet werden würde. Gnorp fühlte keinen Ekel, keinen Hass, aber er fragte sich, wie grau die Buchstabensuppe gewesen sein musste, die dieser Kerl täglich verdrückt hatte. Wie billig, wie schal mussten die Sätze und Verse gewesen sein, an denen sich solch ein Gemüt zu dieser dümmlichen Feiste hatte fressen können? Nein, der Junge war nicht wie eine Stopfgans, die sich nicht wehren konnte; dieser dicke, grüne Lybit genoss es, gestopft zu werden und schluckte alles brav herunter, als sei es ganz vorzüglich.
Mit einem Mal nahm Kruzifix seinen Stiefel von Gnorps Wange und riss den Troll in die Höhe. Die Menge machte „Ah!“, jubelte los und skandierte bald „Stopf den Troll! Stopf den Troll!“ Es war Kruzifix anzumerken, wie sehr er es genoss, im Mittelpunkt zu stehen, mit theatralischer Geste in einen Eimer zu greifen, der ihm von einem anderen Lybit demütig gereicht wurde, und einen Ballen Knuddelpampe herauszunehmen und der Menge zu zeigen, die darauf nur umso heftiger in ihren stumpfen Refrain fiel: „Stopf den Troll!“
Doch bevor solches begann, hielt Kruzifix inne und schaute zu einem entlegenen Punkt des Platzes. Die Menge spürte, wie er die Luft anhielt und sich konzentrierte. Erst einer oder zwei, dann eine Handvoll, schließlich drehten alle Lybits auf dem Platz sich in die Richtung um, in die Kruzifix schaute und im selben Moment hielten sie selbst die Luft an. Alle sahen wie gebannt auf den riesigen Kopf des Löwen, der schwankend eine der farbigen Straßen heraufzukommen schien.
Die Furcht schlug jedoch schlagartig in Jubel um, als ausgemacht war, dass Lord Elf Gin den Platz betreten hatte, den Kopf des Löwen als Trophäe hinter sich her getragen, aufgespießt von etlichen Pikenieren. Wie ein Lauffeuer ging das Gerücht über den Platz, wonach Gin den Löwen überwältigte, als dieser an sich selbst und mit einem glitzernden Dings herumgespielt hatte. Der Lord kokettierte mit der Aufmerksamkeit, winkte ständig ab und wies auf den Pranger zu Kruzifix, so als wollte er sagen, dass dort die Musik spiele. Aber die Menge schob sich auf Lord Elf Gin zu und jeder Lybit wollte ihm gratulieren.
Kruzifix, Gnorp und vermutlich viele andere auch, konnten trotz des allgemeinen Trubels nicht übersehen, dass sich ein Lybit wie ein Keil durch die Masse zu Elf Gin schob. Es war niemand Anderer als der Vizelord, der sehr erleichtert schien und unbedingt persönlich gratulieren wollte. Als Kalterersee seinen Lord erreicht hatte, stürzte er sich jedoch nicht gleich in dessen Arme, sondern blieb stehen, hob fast entschuldigend die Hände, als bäte er um Verzeihung und Elf Gin, der aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen pflegte, lupfte seinen breitkrempigen Hut und lächelte verschmitzt seinem Vize zu und signalisierte so, dass aller Groll, wenn er denn je bestanden hätte, nun vergessen war. Erst dann machte Kalterersee den letzten Schritt und umarmte Gin mit herzlicher Heftigkeit, dass diesem bald der Atem stockte.
„Wie habt ihr das geschafft! Wie habt ihr diesen riesigen Löwen so schnell erledigen können. Ihr seid fan-tas-tisch“, sprach Kalterersee halblaut in das Ohr von Gin und verdrückte auch das eine oder andere Tränchen an der Wange seines Freundes. Ohne zu wissen, warum Kalterersee so nah am Wasser gebaut hatte, zupften viele Lybits ihre Taschentücher und waren zutiefst gerührt. Warum sie es waren, wussten sie nicht recht; sie hinterfragten es auch nicht. Wie stets reichte ihnen aus, dass einer von ihnen heulte und sie heulten mit.
Die ungestüme Freude seines Vertreters brachte Elf Gin in mannigfaltige Verlegenheit. In der festen Umarmung seines Freundes begann er, in seiner Kluft zu schwitzen und wollte doch auch Kalterersee und der Menge das Abenteuer, so wie es sich zugetragen hatte, auch getreulich erzählen, den Elf Gin war ein ehrlicher Mann. Aber den Vize wegstoßen, oder sich wie ein Aal dem Zugriff zu entwinden, verbot ihm die Höflichkeit und so dauerte es recht lange, bis zwischen ihm und Kalterersee wieder so viel Distanz war, dass es für keinen unangenehm oder gar ein Affront war. Unangenehm war das Schauspiel nur für Kruzifix, der mit versteinertem Gesicht, die Verbrüderungsszene seiner Herren mit angesehen hatte. Gnorp entging dabei nicht, das Kruzifix sich zurückgesetzt und seines Auftrittes beraubt fühlte. Der Einzige, der seine Augen nicht vom Pranger nehmen konnte, war der tumbe, junge Lybit mit dem grünen Wanst.
„Wer nur Tölen umbringen kann, erntet keinen Lorbeer und wer das weiß und trotzdem weiterhin nur Tölen umbringt, ist entweder blöd oder krank“, steckte Gnorp dem frustrierten Knappen und streckte ihm obendrein die Zunge heraus. Kruzifix hatte Mühe, sich im Griff zu behalten und stieß nur ein nicht sehr autoritäres „Schweig!“ zwischen seinen Lippen hervor. Dabei zwang er Gnorps Ärmchen noch fester in seine Schraubstockpranke, ohne auch nur hinzuschauen. Wie alle anderen beobachtete er gebannt, welche Szene sich zwischen Kalterersee und Gin abspielte, obwohl er nicht hören konnte, was die Beiden sich zu erzählen hatten.
„Ähem, es erforderte natürlich Geschick“, begann Gin nur zögerlich, da er noch überlegte, wie er seine Tat angemessen erzählen sollte. „Aber“, so fuhr er planlos fort, weil er nicht recht weiter wusste, „am Ende war es eigentlich …“, und weiter kam er nicht, denn Kalterersee haute ihm so hart auf den Rücken, dass er hustend über seine viel zu großen Latschen zu fallen drohte. Lässig fing Kalterersee ihn auf und setzte plaudernd hinzu, dass Gin ihm das doch auf den Weg zum Balkon erzählen könne, und dabei schob er den Herrscher, dessen Hut wieder ganz tief im Gesicht hing, zum Eingang des ehrwürdigen Elf Gin Hauses, dessen Balkon vis-á-vis zum Pranger hing.
Gnorp sah es mit Entsetzten, denn einen Augenblick hatte er gehofft, dass im allgemeinen Trubel der schmählich stehen gelassene Kruzifix ihn aus Zorn freilassen würde, oder ihm kurzerhand die Kehle durchschnitte. Beide Alternativen erschienen Gnorp besser, als konzentrierte Knuddelpampe zu fressen, sich aufzublähen, bis die Augen aus den Höhlen quellen und dann bei vollem Bewusstsein wie ein Ballon zu platzen. Kruzifix lockerte zwar seinen Griff, aber an ein Entkommen war nicht zu denken. Kruzifix ahnte und ahnte zurecht, dass in Kürze Elf Gin und Kalterersee auf dem Balkon gegenüber ihre Hüte und ihre Hände wohlwollend vor dem Volke Lybiens schwenken würden, welches sich dann auch sehr bald wieder ihm, dem Knappen, so zuwenden würde, wie er es verdiente.
„Vater!“, brüllte Gnorp, der jetzt auch noch seine letzten Felle wegschwimmen sah. Er nahm all seine Kraft zusammen und brüllte noch lauter: „Ich bin Dein Sohn, Kalterersee!“ und dann noch einmal: „Ich bin Dein Sohn!“ Es waren schon viele Trolle am Pranger Lybiens hingerichtet worden, aber dass einer um Familienanschluss geworben hätte, das hatte es noch nie gegeben, weshalb die Menge augenblicklich schwieg und auch Gin und Kalterersee stehen blieben, kurz bevor sie die Eingangstür erreichten. Gnorps zweiter Ruf hallte daher nahezu ungehindert hinüber zu seinem Vater.
Quer über den Platz schauend, sah Kalterersee seinen Knappen, der einen kleinen, komisch aussehenden und seltsamen Unsinn brüllenden Troll am Arm hielt. Den Kerl hatte Kruzifix ihm heute schon einmal vorgestellt, weil der behauptete, sein Sohn zu sein. Kalterersee bekam eine Gänsehaut, die er sich nicht erklären konnte. Als sei die Zeit stehen geblieben, schaute er abwechselnd zum schwarzen, keifenden Knäuel und zum großen, majestätischen Löwenkopf, der Würde und Gelassenheit auch im Augenblick des Todes bewahrt zu haben schien. Er konnte sich seine Unschlüssigkeit nicht erklären, hätte vielleicht viel für das seltsame Stieldings mit den magischen Reflektionen gegeben, vertraute aber darauf, dass es der Löwe und nicht der Troll war, dem er in letzter Zeit schlaflose Nächte zu verdanken gehabt hatte.
Die Verunsicherung des Vizelords, als der Troll nach ihm gerufen hatte, war für die Masse der Lybits kaum zu bemerken gewesen. Sie registrierten lediglich, wie Elf Gin und Kalterersee unmittelbar vor Elf Gins Haustür stehen blieben, Kalterersee sich irritiert zum Pranger umdrehte, um dann aber nur ironisch zu winken und zu lächeln, so als ob er sagen wollte: „Ja, ich Dich auch.“ Und dann verschwanden die Herrscher Lybiens in Elf Gins Gemäuer.
„Fick Dich!“, murmelte Gnorp resigniert und dachte zum ersten Mal voller Stolz an seine Mutter, die er nie kennen gelernt, und nach Lage der Dinge auch niemals kennen lernen würde. „Fick Dich!“