und wie wars, auf dem mars? auf der anderen seite am ende der welt? du warst weit weg, viel zu weit weg.

Erzählung zum Thema Rausch

von  SunnySchwanbeck

Irgendwann hatten unsere Herzen den gleichen Beat wie die schrillende E-Gitarre zu unseren Köpfen. Und als ich die Spucke vom Sänger abbekam setzte mein Herz aus. „Hey, Krümel. Weißt du was jetzt geil wär`? Ein Spiegelei.“ Du warst so breit wie die massigen Kerle hinter uns die versuchten nicht im Moshpit unter zu gehen, erfolglos, sie waren zu fett und ich zu verliebt um ihnen länger meine Aufmerksamkeit zu schenken. Also hielt ich deine Hand und verlagerte meinen Mittelpunkt der Welt in deine Brust.
Ich glaube es war die zweite Zugabe, die Lichter schnellten über uns hinweg wie Taschenlampen die Kakerlaken suchen. Und ich sah dich, irgendwie zum ersten Mal, ich sah dich und du brachst dein Lächeln in zwei, warfst mir eine Hälfte rüber und suchtest meine Lippen im Konfettiregen über uns.
Es war die zweite Zugabe und ich habe dich geliebt.

Mit Fiepen in den Ohren und Alkohol im Blut torkelten wir die Straßen entlang, ich klammerte mich an deinen Arm und zählte die weißen Streifen auf dem bitteren Asphalt.
Du wusstest die Wege, meintest du zumindest, laut lachend,  trotzdem verging eine Ewigkeit, oder auch zwei, bis wir an der Haltestelle der Bahn ankamen. Den Rhythmus im Herzen und Schnee in den Haaren. „Du siehst wie ein Engel aus.“ Sagtest du breit grinsend und entweder sprach der Alkohol aus dir oder der verlorene Romantiker dem ich so oft aus der Hand fraß, mit Haut und Haaren. Ich wischte mir den Schnee aus dem Gesicht und lehnte meinen Kopf an deine Schulter. Du rochst nach Gras und Bier, ein Parfum was zu dir und deinen Bernsteinaugen gehört, es riecht nach Heimat. Vielleicht weil du für mich Hafen bist, vielleicht weil ich nie eine andere Heimat kannte, wahrscheinlich aber weil zuhause einfach zu entfernt ist.

Wir warteten, endlos. Neid vermischte sich mit Schnee und ich fauchte dich an wieso nur du das Konzert breit erleben durftest, und wieso nur du Engel sehen darfst, doch ich interessierte dich genauso wenig wie die schrullige Oma hinter uns die sich angewidert von uns abwand. Ich vergaß meine Wut und sah ihr stur in die Augen. Grau, dachte ich, einfach nur Grau. Kein bisschen bunt haftet an ihr, und ich penetriere sie weiter mit meinen Blicken. Will ihr Farbe einflößen. Ein bisschen kugelig sieht sie aus, denke ich, während sich deine Hand zittrig und schwer auf meine Schulter legt und du hysterisch kichernd auf die ankommende Bahn zeigst,
„Krümel, die Welt hat noch offen. Wollen wir? Ein bisschen erleben, ein bisschen leben. Du und ich.“ Ich sah der Oma zu wie sie sich abmühte in die schmutzige Bahn zu steigen, ich sah dir zu wie du versuchtest jeden Stern einzeln vom Himmel zu pflücken. Ich wusste dass wir nicht die Welt erobern würden, nichts erleben. Aber ich verschloss die Augen davor, vor dir und mir und der verdreckten Welt. Summte die letzte Zugabe und schlief irgendwann auf deiner bebenden Brust ein, der Beat hatte sich geändert.


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

ich sehe dass du dich verändert hast.

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Kommentare zu diesem Text


 mondenkind (31.01.11)
nicht nur, weil mich meine mama auch 'krümel' gerufen hat, nicht nur, weils mich an die brüder löwenherz erinnert, auch weil es erinnerungen weckt. an diese konzerte, an dieses auf- und abebben im rausch, an dieses warmheftige verliebtsein und den kalten asphalt. an das buntsein und diese grauen glotzer, die nichts verstehen. deshalb find ich es klasse. :)
einen schönen abend wünscht ein ex-krümel. ^^

 makaba meinte dazu am 21.02.11:
dieses kommentar ist genauso grandios wie der text.
vielen dank euch beiden, mein kopf schwirrt und mein herz flackert.

lg makaba

 Dieter_Rotmund (17.04.19)
Reichlich adoleszent-verkitscht, vor allem gegen Ende hin.
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